Jetzt will ich doch noch einmal kurz auf die geplante Verlegung der Hörfunknachrichten in Baden-Baden eingehen und den Anspruch, Doppelstrukturen abzubauen und Reibungsverluste zu verringern.
Gniffkes Beispiel, das er auch im DWDL-Interview bringt, ist die, dass eine Meldung zu Aleppo heute im SWR dreimal
geschrieben würde, jeweils einmal in jedem der drei Hauptstandorte. Meiner Erfahrung und meines Wissens würde eine solche Meldung im SWR heute tatsächlich dreimal geschrieben, aber alle drei Versionen in Baden-Baden. Nämlich die Version für die Zentralnachrichten, die dann auch von den Landesnachrichten in Stuttgart und Mainz übernommen wird (auch wenn sie dort von jeweils eigenen Sprechern
vorgelesen wird), und dann jeweils vereinfachte Fassungen für SWR3 und Dasding (sofern sie dort überhaupt vorkommt). An diesem Stand würde sich durch die Zentralisierung überhaupt nichts ändern, bis auf den Standort der jeweils Sprechenden. (Die Landesnachrichten als solche für 1 und 4 sollen ja erklärtermaßen bleiben, nur eben aus Baden-Baden kommen.) Es wurde folglich auch nichts eingespart werden.
Würde sich denn dann wenigstens Synergieeffekte geben, die zu besserer Qualität führten? Bislang sind die Landesnachrichten eingebunden in die jeweiligen Landessender und redaktionell vor allem mit den jeweiligen 1er-Wellen verbunden. Dazu muss man wissen, dass im SWR ein Großteil der Informationskompetenz bei den Landessendern liegt. (Vor der Boudgoust'schen Reform 2017 hatte die Fernsehdirektion gar keine aktuelle Informationskompetenz, die Hörfunkdirektion nur diejenige, die sich aus der Zuständigkeit für die zentralen Hörfunkprogramme ergab. Seit der Reform würde selbst dieses bisschen noch aufgeteilt, mit Zentralnachrichten/SWR-aktuell bei der Informationsdirektion; SWR3-Aktuell bei der Kulturdirektion.) Als man in Stuttgart vor ein paar Jahren neu gebaut hatte, hatte man sogar groß erklärt, dass man damit die in Stuttgart liegenden Informationskompetenzen besser nutzen wolle. Durch einen Umzug der Radionachrichten nach Baden-Baden wird nun diese Verbindung zwischen Radio-Landeswellen, Fernseh-Landesmagazinen und den Redakteuren (die vor Ort tatsächlich die Arbeit machen) einerseits, und Radio-Landesnachrichten andererseits gekappt. Umgekehrt sehe ich kaum Synergien durch die neue Struktur; allenfalls kann man Sprecher dann leichter auf einer anderen als der üblichen Welle einsetzen.
Ich sehe also soweit weder Einsparungen noch Verbesserungen durch die neue Struktur, dafür aber erhebliche Probleme. Nun könnte die neue Struktur unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem Sinn ergeben, nämlich dann, falls man vorhätte, die bislang äußerst peinliche Veranstaltung, die man im SWR-aktuell-Radioprogramm veranstaltet, aufzubohren, und der Infowelle endlich die nötigen Ressourcen bereitzustellen, um ein Programm auf Augenhöhe etwa mit hr-info oder B5 aktuell herzustellen. Nur ist das offensichtlich nicht geplant; im Gegenteil soll am Programm weiter gespart werden. Gniffkes letzte Äußerung kann man sogar so verstehen, dass das Programm insgesamt auf der Kippe steht.
Insgesamt also eine Reform, die auf falschen Voraussetzungen aufbaut, mehr Schaden als Nutzen anrichtet, und dessen einziger möglicher Nutzen an anderer Stelle wieder konterkariert würde.
Sollte man also den Status Quo auf ewig weiterschreiben? Nein, die Reibungsverluste zwischen den Standorten sind ja real, und den Ist-Zustand vor allem in der Radioinformation beklagenswert. Eine sinnvollere Reform sähe für mich aber beispielsweise so aus:
- In Stuttgart wird eine "zentrale Information" geschaffen. Hier werden neben den Landesnachrichten für Baden-Württemberg auch die Zentralnachrichten produziert, sowie ein komplett neu konzipiertes "SWR Aktuell"-Radioprogramm angesiedelt. Auch die Zuständigkeit für "SWR2 Aktuell" kommt hierhin.
- SWR3-aktuell einschl. Nachrichten für die Pop-Unit verbleibt in Baden-Baden, da man gegenüber der regulären SWR-Information weitgehend eigenständig arbeitet, aber die Einbindung in die reguläre Programmstruktur so erhalten bleibt.
Und für das Oberziel, das Gegeneinander der Standorte und der Standorte einzugehen, hätte ich noch diese Vorschläge
- Das geplante Innovationszentrum kommt nicht nach Baden-Baden, sondern nach Mainz. Hier wird ein Kompetenzzentrum Jugend geschaffen, dass neben Funk (was heute schon in Mainz sitzt) auch Dasding (bislang Baden-Baden) bekommt. Ein weiterer Nebeneffekt, wenn Dasding nach Mainz zöge, wäre, dass dann gewissenmaßen ein Ausgleich für die Ansiedlung von SWR-Aktuell in Stuttgart geschaffen würde.
Desweiteren würde ich die Direktionsreform von 2017 nochmal umkrempeln. Damals hat ja der SWR versucht, die entsprechende MDR-Reform möglichst 1:1 zu übertragen, was aber schon allein deswegen in der Sache nur schwer umzusetzen war, weil die Voraussetzungen beim SWR ganz andere waren, insbesondere die Informationskompetenz, siehe oben. In der Praxis ist der "Informationsdirektor" immer noch der Fernsehdirektor, und der "Kulturdirektor" der Hörfunkdirektor, mit fast vernachlässigbaren Ausnahmen. Ich würde daher stattdessen vorschlagen:
- entweder (Szenario 1): die Zuständigkeit für die zentrale Information wird dem Landessender Baden-Württemberg übertragen. Das würde die Reibungsverluste in der SWR-Information deutlich verringern und tatsächlich eine starke Informationseinheit in Stuttgart ermöglichen. Analog würde man in diesem Fall dann die Zuständigkeit für die Jugend dem Landessender Rheinland-Pfalz übertragen.
- oder (Szenario 2): Es wird eine tatsächliche Informationsdirektion in Stuttgart geschaffen, die dann für alle Nachrichtenformate zuständig ist. Sie ist daneben auch für den Bereich Wissen zuständig.
- die beiden Programmdirektionen, die von ihren bisher acht Abteilungen haben ("Information": Information, Sport, Film, Service, Unterhaltung); "Kultur": Kultur, Wissen, Jugend"), die in beiden Szenarien jeweils zwei Programmbereiche abgeben müssten, werden zu einer SWR-Programmdirektion zusammengefasst: Kultur, Film, Service, Unterhaltung, Sport, sowie Jugend (nur Szenario 2) oder Wissen (nur Szenario 1)