Aber das Ausgangthema waren peinlich-lustige Moderationen von Web-Radio Modis...
In diese Kerbe wollte ich bei Gelegenheit auch wieder schlagen (danke, dass Du darauf aufmerksam gemacht hast); andererseits habe ich diese Diskussion ja auch in diese Bahn gelenkt. Dann sollte ich jetzt mal wieder - vorsichtig - versuchen, etwas gegenzusteuern.
Ich finde die hier zuletzt geführte Diskussion hoch spannend. Selbst wenn die Empfehlung irgendwann zur (Quasi?) Pflicht im Broadcast wird, so kann ich mir das im Webradio-Bereich (leider) nicht vorstellen. Zumal es dann noch einige geben wird, die ohnehin darauf pfeifen.
Andererseits, und damit versuche ich die Kurve zu kriegen, habe ich seit Jahren getrommelt und gepfiffen: Webradio kann in Nischen eben genau das, was UKW entweder nicht mehr kann oder will. Dort liegt seine Chance. Diese Nische kann in einer Zielgruppe definiert sein, in einem Thema, in einer bestimmten Musikfarbe oder auch in speziellen Formaten. Regionalem Webradio (ein Widerspruch in sich?) gebe ich weniger Chancen, ebenso den "Wir spielen alles für jeden"-Stationen. Bei bestimmten Spezialsendungen mit Einschaltimpulscharakter (was für 'n Wort!) bin ich unsicher, um ehrlich zu sein.
Auch ein Radio mit einer technisch guten Qualität und einem Hörvergnügen kann eben diese Nische besetzen. Blöderweise gibt es aber kein "offizielles", unabhängiges, verlässliches
Prüfsiegel "gecheckt auf EBU R128". Denn genau das ist, so albern es klingt, die Motivation für die kleineren Radios, sich so einen Pseudo-Orden an die Brust heften zu wollen. Die Webseiten dieser Stationen legen da ein ganz merkwürdiges Zeugnis darüber ab.
Es wäre also illusorisch, auf eine Vereinheitlichung der Szene an sich zu hoffen.
Allerdings habe ich die Hoffnung - und nicht zuletzt auch den Wunsch -, dass ein Sender einfach mal genug Arsch in der Hose hat und verbindlich allen Mitmachern sagt: "Ab sofort ist unser / euer ganzes Material im [
Zielwert ±1], und genau auf dieser Schiene wird auch ausgesendet". Dazu gehört nicht zuletzt auch die Überwachung der einzelnen Sendungen verschiedener Moderatoren (hach, EP getroffen!
) und ggf. nötige Korrekturen.
Hier setzt jetzt das Wunschdenken ein: Moderatoren können ziemliche Sturköpfe sein, und ein vermeintlich harter Besen greift ob des latenten Moderatorenmangels nicht. Die kleineren Stationen sind über diesen Hebel ja auch erpressbar; da wedelt schnell der Schwanz mit dem Hund.
Auch in so genannten Teamsitzungen wird eine stimmige Übereinkunft auf die R128 - oder einen davon abweichenden Zielwert - kaum erfolgen.
Es gibt dennoch Hoffnung: Im Forum der Software mAirList finden sich erste Ansätze, in diese Richtung zu entwickeln:
Torben im mAirList-Forum schrieb:
So richtig viel kann man mit dem LUFS-Wert aktuell noch nicht anfangen. Meine Überlegung geht in eine Richtung, wo die Player automatisch anhand der ermittelten Pegelwerte normalisieren. Also dass man nicht mehr bei jedem einzelnen Titel die Verstärkung vorgibt, sondern der Player den Zielpegel (Peak oder LUFS) kennt und entsprechend verstärkt.
Mir war es aber wichtig, den Scanner und die entsprechenden Felder in der DB schon in der 6.0 zu haben.
(Quelle:
https://www.mairlist.com/forum/index.php/topic,8941.msg59316.html#msg59316)
In der aktuellen Version 6.1.3 ist das auch sauber implementiert und wartet auf seine weitere Entwicklung.
Das ist dahingehend äußerst spannend. als es dem Selbstfahrer - so der Plan funktioniert - viel Arbeit abnimmt. Nur für die mit den externen Zuspielern - LP, CD - und den echten DJs mit Live-Sets
on the web wäre damit noch nicht geholfen. Aber Torben hat da bislang noch immer eine Lösung gefunden und für die Radios mit einem hohen Automationsanteil wäre das in der Tat ein sensationeller Fortschritt.
Außerdem, das nur als Randbemerkung, ist mAirList ja eine Software für professionelle Produktions- und Sendeumgebungen, die Privatnutzer in einem abgespecktem Umfang mitbenutzen dürfen. Von daher bin ich zuversichtlich.
- Über den Entwicklungsstand anderer Software bin ich allerdings nicht so gut informiert. -
Die von mir in
#74 dargestellten Briketts sind jedenfalls keine keline "Webradingens", sondern gut aufgestellte Stationen mit einer vermutlich nicht gerade kleinen Zuhörerschaft.
Im Grunde sollten
sie es sein, die die R128 a) umsetzen und b) in die Webradiowelt tragen. Ja, man wird seine Zuhörer erziehen müssen. Und sowohl den Hörer wie auch den Sender wechselnde Moderatoren zu Multiplikatoren machen: Fett aufs Ohr ist out - dann geh doch in die Disco (wo hoffentlich auch schon die DIN 15905 Teil 5 greift, aber das nur so nebenbei)!
Und wie bekomme ich jetzt die Kurve zu den miserablen Moderatoren aus der #1?
Die werden wir nie aus der Welt bekommen - ob mit oder ohne hochwertige und gut hörbare Streams. Aber über das Bewusstsein, die Qualität für den Hörer stärker in den Fokus zu rücken, können wir (zumindest die guten) Webradiobetreiber davon überzeugen, stärker zu sieben - und der Rest ist dann halt ein Fall für den Sumpf, in dem Zwergs Kumpel gefischt hat.
Für die mittelklassigen Radios wird es eine spannende Zeit werden, weil sie sich irgendwann mal zwischen "ich lasse mich von Moderatoren und (!) Zuhörern erpressen" und "ich setze Maßstäbe" entscheiden müssen. Hierzu verfolge ich aktuell eine spannende Diskussion an anderer Stelle.
Die R128 könnte einer der Eckpfeiler dazu werden - wenn auch nicht sofort.