AW: Mit Ö3 ist das Leben kein Hit!
Diesen Thread hol ich doch mit meinem ersten Beitrag mal aus der Versenkung, da er sehr informativ und unterhaltsam ist. Zum TE: wer es bis 2003 ausgehalten hat mit Ö3, dem muss man sowieso gratulieren. Ich bin Ende der 80er ausgestiegen, habe seitdem Blue Danube Radio, Radio Energy Münschen (via DSR), Bayern 3 gehört und bin seit 1998 Stammhörer von FM4.
Was ist die Aufgabe von Ö3? Die Hörer zwischen den Werbeblöcken zu animieren, dass sie nicht wegschalten. Und das gelingt natürlich überwiegend.
Ich habe das eine oder andere Mal von Schauergeschichten gehört, wie oft ein und derselbe Song am Tag gespielt wird, und wollte dem mal auf dem Grund gehen. Also hab ich mir den Spass gemacht, den Player runtergeladen und einmal ein paar Tage analysiert.
Auf den ersten Blick hab ich mir gedacht: gar nicht so schlimm – kein Song wurde mehr als 3 x gespielt, und das in der zielgruppenrelevanten Zeit von 7 bis 18 Uhr. Was lässt also die Wahrnehmung derer, die Ö3 hören müssen, so düster aussehen?
Sie spielen Lady Gagas aktuelle Single – und die davor, davor, davor und vor 2 Jahren und vor 3 Jahren, das gleiche machen sie mit Rihanna und den Red Hot Chili Peppers. Dazu werden die Hits gespielt, die nicht mehr ganz so aktuell sind und die Interpreten wie zB Grönemeyer oder Clapton, die schon nicht mehr so oft Hits produzieren. Und Nazareth – die schon lange keinen Hit mehr hatten. Abgeschmeckt wird das dann noch durch One Hit Wonders und solche, die OHWs wurde, weil die Radiostationen immer nur den einen Titel spielen. 80s und Klassiker dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Davor und danach hat man das Gefühl, dass immer irgendwie Bon Jovi kommt – eine ehemals coole Rockband, die mittlerweile knapp davor ist, beim Musikantenstadl aufzutreten. Erste Gespräche laufen bestimmt schon
Das Einstreuen der Hitfabriken (Bon Jovi, Madonna etc) übernimmt offensichtlich der Selector, da man das Gefühl hat, die einzelnen Titel der Greatest Hits Alben werden per Zufallsgenerator über die Tage verteilt. Heute Material Girl, morgen Frozen, übermorgen Like A Virgin.
Jeden Hobby-DJ würde man auf der Bühne schlachten, wenn er Clapton auf Lady Gaga folgen liesse, danach die Red Hot Chili Peppers, Christl Stürmer und Van Halen. Zumindest einen Lynchversuch mit Lautsprecherkabeln hätte er zu befürchten.
Weil weiter oben der „Musikmix“ von Ö3 als positiv auffiel: Jay-Z und Alicia Keys läuft immer noch, und wir schreiben Mitte August!
Dazu habe ich immer das Gefühl, dass Winds of Change läuft, sobald ich mich einem Radioempfänger nähere, wo Ö3 dudelt...
Dabei ist das, was mich aggressiv macht, das Rezept, um andere bei der Stange zu halten. Neues wird so oft gespielt, bis sich ein angenehmes Grundgefühl einstellt, dazu hört man nur Sachen, die man eh schon kennt. Da muss man sich nicht anstrengen und es lenkt nicht von der Arbeit ab. Ist aber schlecht für die Ohren und ganz schlecht für´s Hirn
Wieso die privaten Radiostationen bloss versuchen, Ö3 zu kopieren, und dabei halt nur weniger professionell sind, verstehe ich nicht. Die mir bekannten (v.a. Life Radio) bieten auf keinen Fall das, was der GF damals angekündigt hatte, nämlich, dass „für jeden etwas dabei“ sei – was immer das auch geheissen hätte
Classic Rock, Westcoast Rock, Heavy Metal, Crossover, Country und Blues fehlen in unserer Radiolandschaft vollkommen – als Nischenprogramm würde sich hier einiges anbieten!
Zur Moderation:
Robert Kratky ist gut – gewesen, als er noch mit Doris Schretzmayer das Nachtprogramm gemacht hat, gefühlte 50 Jahre ist das aus, wenn man sich Ö3 heute anschaut. Der eingecoachte Sprach-Singsang, der alle Moderatoren verbindet, das dümmlich-aufgesetzt Fröhliche mit wenig Inhalt und die Kürze der Wortspenden ist kaum auszuhalten. Aber der Hörer ist schnellstens informiert – ich bin ja jeden Tag so gespannt, wie lange der Stau auf der Tangente ist (für Oberösterreicher wahnsinnig wichtig) – und geniesst den besten Mix. Diesen reklamieren aber auch alle anderen für sich, mit welchen dümmlich-hohlen Slogans auch immer („wir sind die meiste Musik“ - was für ein Satzbau).
Wieso wir jetzt immer mehr von diesen Ö3-Nasen im TV ertragen müssen, bleibt mir allerdings ein Rätsel. Ich kann einen Benny Hörtnagl einfach nicht ernst nehmen als Moderator des Pseudo-Talks „Contra“, wenn er nach dem Austria-Platzsturm fragen stellt, die ein Volksschüler so nicht in die Sendung mitgenommen hätte. Und den Austro-Geissen Andi Knoll muss ich auch nicht haben, die gleichen oberflächlich-lustigen Moderationen wie sein angecoachtes Vorbild. Dabei wäre eine Countdown-Show zum Thema Austropop grundsätzlich sehenswert.
Doris Tolpatschins Grinsen muss ich ehrlich gesagt auch nicht haben, noch weniger möchte ich sie allerdings reden hören, es ist einfach nur peinlich – und die kommt ursprünglich aus Oberösterreich...
Ich habe viele Sendungen gebraucht, um mir Oliver Baier zu sympathisieren – jahrelang „Mahlzeit“ hinterlässt Spuren.
Da lobe ich mir FM4 – richtige Moderatoren, die echt lachen, wenn ihnen etwas lustig ist, Musik abseits von Mainstream und Quote und Sendungen mit Inhalt, die sich mit Themen beschäftigen, die nicht unbedingt populär sind.
Da kommen wir zum einzig positiven Punkt, der für Ö3 spricht – Ö3 finanziert FM4, und das muss man dem ORF hoch anrechnen.
Vergleicht man übrigens die Radioreichweite mit den „Likes“ auf Facebook, fällt auf, dass Ö3 Musik zum Weghören macht, FM4 dagegen Radio zum Zuhören
Wer´s bis hierher ausgehalten hat: Reschpeckt!