Ich hab mir die N****-/Schaumkuss-Sendung auch gerade angehört. Zumindest on air war da nichts zu hören, was ein so großes Zerwürfnis deutlich gemacht hätte. Wenn, dann hat sich da was über längere Zeit angestaut.
Wosch, der andere sonst gerne beleidigt und nur sich für den einzig tollen Menschen auf dieser Welt hält, hat bei dem Thema erstaunlich klar und humorlos seine Meinung gesagt. Aber auch sehr intolerant. Indirekt war zwischen den Zeilen schon deutlich zu vernehmen, dass er jeden für einen Rassisten hält, der hierbei nicht zu 100% seiner Meinung ist. So also auch Gotti. Ich kann mir gut folgenden Dialog nach der Sendung vorstellen:
Gotti: „Hälst Du mich etwa auch für einen Rassisten?“
Wosch: „Wenn Du solchen Scheiß von Dir gibst, natürlich. Du bist sogar der Oberrassist, wenn Du solchen Arschgeigen auch noch die Chance gibst, darüber zu diskutieren. Da gibt’s nichts zu diskutieren.“
Gotti kam in der Sendung ja nicht mal ansatzweise dazu, das hinterfragen zu können. So intolerant echauffierte Wosch sich über jeden, der auch nur ansatzweise anders denkt. Leider wurden von den Anrufern auch nur blöde „Argumente“ eingebracht, die Wosch in die Karten spielten. So konnte er leicht alles abbügeln.
Gottis Argument, dass das Wort zu einem Eigennamen für die heutigen Sprecher wurde und keine Assoziation zu Menschen mit dunkler Haut beabsichtigt ist und auch nicht mehr verstanden wird, griff er argumentativ nicht auf. Er kann ja anderer Meinung sein und dieses Argument entkräften, aber er blieb auf seinem hohen moralischen Ross und antwortete nicht einmal darauf.
Auch das Argument, dass vielleicht nur Politischkorrekte sich aufregen und kein einziger Mensch dunkler Hautfarbe sich bei ihm jemals über das Wort beschwerte, griff er nicht auf. Auch hier würden sich ja leicht Argumente finden lassen.
Und dass es ein Unterschied ist, eine Süßspeise mit einem zweifelhaften historischen Wort zu bezeichnen oder einen Menschen wegen seiner Hautfarbe zu beleidigen, wurde auch nicht diskutiert. Insgesamt eine vertane Chance, das Thema mal tiefgründiger zu diskutieren.
Ich selbst habe in meinem Leben die Wandlung der Wörter mit Verwunderung erlebt. Als ich Kind war, war Nigger das Schimpfwort und N**** bzw. Schwarze die Bezeichnung für dunkelhäutige Menschen. Abgeleitet vom lateinischen Wort für schwarz. Das war nicht als Beleidigung gemeint, so wie wir „Weiße“ nicht als Beleidigung auffassten, obwohl wir rosa sind. Dann später wurde behauptet, N**** sei genauso ein Schimpfwort und auch Schwarze dürfe man sie nicht nennen. Man müsse Farbige sagen. Fiel mir nicht schwer, machte ich seither so. Dennoch sehe ich im Wort Schwarze noch immer keine Beleidigung.
Später dann sollte man Behinderte plötzlich nicht mehr so nennen. Viele verrückte Worte dachten sich Gutmeinende aus. Vor allem englische, die aber teils bedeutungsgleich sind. Da ich selbst eine Behinderung habe und manchmal behindert werde, erlaube ich mir weiterhin Behinderte zu sagen. Das Wort passt perfekt und ist keine Beleidigung. Hier lasse ich mich nicht von gutmeinenden selbsternannten Moralaposteln vom Gegenteil überzeugen.
Und dann der jüngste Trend, Literatur umzuschreiben. Politisch korrekte Märchen. Und auch Klassiker der Weltliteratur. Der nächste Schritt ist dann das Umschreiben von Geschichtsbüchern? Selbstverständlich regt sich da Widerstand. Und nein, das sind nicht alles Rassisten. Und auch hier irrt Wosch, nicht 50% seiner Mitmenschen sind Rassisten. Abgesehen davon, dass es eh keine menschlichen Rassen gibt und das Wort Blödsinn ist. Die Diskriminierung von Ostdeutschen ist kein Rassismus, die Diskriminierung von Polen schon. Welch ein Schwachsinn! Diskriminierung ist Diskriminierung und Rassen gibt es nicht!
Wer Andersdenkende pauschal als Rassisten bezeichnet, ist selbst sehr dicht am faschistoiden Gedankengut. Das ist weder tolerant noch humanistisch.
Ich denke, die Grenze, wo etwas gut gemeint und etwas gut gemacht ist, verläuft für jeden etwas anders. Das ist eine gesellschaftlich notwendige Diskussion, die aber durch Totschlagargumente wie „Rassist“ und „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ unnötig vergiftet wird. Dass Wosch jetzt von Leuten beklatscht wird, die seiner Meinung sind, ist erwartbar. Jeder lobt die, die die eigene Meinung unterstützen. Verwunderlich ist es eher deshalb, weil Wosch ja eigentlich eher die Intoleranz und Selbstverliebtheit in persona darstellt. Toleranz wird von vielen als „der hat meine Meinung“ und Intoleranz mit „der hat eine andere Meinung“ missverstanden. Auch von Wosch.
In der Sache hat die Sendung das Thema leider nicht sinnvoll aufgegriffen. Das finde ich schade. Und wenn die Einstellung der Sendung jetzt auch noch aus diesem Grund erfolgte, ist das umso bitterer.