AW: Computersprecher statt Nachrichtensprecher - wann?
Man kann Radio als Kunstform auffassen. Das wird zwar der Wirklichkeit nicht gerecht, aber es klingt schön intellektuell, um es mal sarkastisch auszudrücken. Bisher rangiert Radio noch in einer Reihe mit dem Fernsehen und der Zeitung und ist so als Medium zu betrachten, das sich über einen Nutzwert für den Rezipienten definiert. Dieser Rezipient ist kein Besucher einer Audio-Ausstellung.
Natürlich kann man ungeachtet dessen Radio als Kunst betreiben. Nichts spricht dagegen. Wer Kunst betreibt, betreibt ja in erster Linie eine rezipientenunabhängige kreative, intellektuelle Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit oder was er dafür hält. Daraus folgt, dass der Hörer in einer völlig anderen Rolle ist als bisher. Fragt sich, ob der Hörer diese Rolle einnehmen möchte.
Außerdem ist Radio dann nicht mehr Medium im klassischen Sinne, journalistisches Medium, im Sinne einer Inhalte vermittelnden Einrichtung. Das kann man sicherlich alles machen. Die "Angst", die Du vermutest, Padina, ist aber keine Angst vor dem Neuen. Es handelt sich bei der Dir entgegen schlagenden Ablehnung vielmehr um eine Abwehr Deiner Umkodierung des Mediums Radio zu einer Kunstform. Vielleicht möchte auf der anderen Seite der Hörer auch nicht die Rolle des Audio-Austellungsbesuchers einnehmen. Vielleicht möchte er informiert und unterhalten werden. Das hat sicherlich auch mit Gewohnheit zu tun, in erster Linie aber damit, etwas Nützliches zu haben. Inwiefern Radio als Kunstform einen Nutzwert bietet, müsste geklärt werden.
Ansonsten sei die Frage erlaubt, inwiefern eine Computerstimme als Kunstform im Radio eingesetzt werden soll/kann. Was ist an einer solchen Stimme Kunst? Dass sie künstlich ist - als Gegensatz zum Natürlichen? Wo ist die kreative Gestaltungsform, die auf einer intellektuellen Auseinandersetzung basiert, dass der Begriff "Kunst" darauf aunzuwenden ist?
Wer sich einmal etwas tiefergehend mit dem Zusammenhang von Syntax und Semantik befasst hat, wird um entscheidende Zusammenhänge so wenig herumkommen wie um die Erkenntnis, dass Betonungen vor allem und in erster Linie semantisch und nicht grammatisch bedingt sind. Dazu bedarf es keiner angedeuteten Wahrscheinlichkeiten, es reicht, sich mit ein wenig Fachliteratur auseinanderzusetzen, die seit dem Aufstreben der Psycholinguistik ausreichend vorhanden ist.