NRJ/Radio Energy : "Kritische Größe in Deutschland erreichen"
Christophe Montague, Chef von Radio Energy, will mit Zukäufen und Partnerschaften das stagnierende Geschäft hierzulande ausbauen
Im dritten Anlauf muss es endlich klappen. Das hofft zumindest Christophe Montague, 46, der in der Vergangenheit schon zweimal in verschiedenen Funktionen bei dem französischen Radiokonzern NRJ (sprich: Energy) einen Blick auf den deutschen Markt geworfen hat. Nach einem Ausflug ins Verlagswesen ist er jetzt wieder zu seiner alten Wirkungsstätte zurückgekehrt und hat als CEO von NRJ International GmbH und CEO der deutschen Energy-Mutter NRJ GmbH seinen alten Plan aus der Schublade geholt, die Senderkette in Deutschland auf stärkere Beine zu stellen.
Deutschland ist mit einem Umsatzanteil von knapp 50% am internationalen Geschäft zwar der dickste Auslandsbrocken von NRJ. So richtig vorangekommen sind die Franzosen aber nicht in den vergangenen Jahren auf der anderen Seite des Rheins. Während NRJ in seinem Heimatland flächendeckend zu hören ist und zu den Marktführern im dortigen Radio-Geschäft zählt, muss sich der Sender hierzulande auf einige Großstädte wie Berlin, Hamburg, München und Bremen sowie Sachsen beschränken. Dabei hatte Montagues Vorgänger Mathieu Sibille 2005 das Ziel ausgerufen, in Deutschland genauso stark zu werden wie in Frankreich. Das hat er um Wellenlängen verfehlt. Die Rendite der deutschen Beteiligungen lässt dem Vernehmen nach zu wünschen übrig.
Vorankommen kann der Sender denn auch nur, wenn er die vielen weißen Flecken auf der Deutschlandkarte über Beteiligungen und Kooperationen beseitigt. Was sich bisher schon trotz regelmäßiger Ankündigungen angesichts des föderal aufgebauten Privatfunks und komplexer Beteiligungsverhältnisse bei den einzelnen Sendern als sehr schwierig erwiesen hat. Kein Wunder, dass Energy von manch einem Branchenbeobachter auch schon mal selbst als Übernahmekandidat gesehen wurde.
Wenn überhaupt mal Anteile an Sendern zu verkaufen sind, schlagen meist die Mitgesellschafter zu, die dank Vorkaufsrecht neue Mitgesellschafter vor der Tür stehen lassen können. Selbst bei bestehenden Beteiligungen kommt es selten vor, dass Energy seinen Einflus ausbauen kann. Im vergangenen Sommer konnten die Franzosen ihren Münchner Sender wenigstens komplett schlucken. Bis dahin hatten sie sich lange Zeit mit 60% begnügen müssen; jeweils 20 % hatten die Radio Sound Track Programmanbietergesellschaft für Neue Medien und die Radio Xanadu Mediengesellschaft mbH gehalten.
Montague kennt die Hürden und will sich dennoch nicht vor einem dritten Anlauf in seiner Biographie abschrecken lassen. Denn als Chef der internationalen Geschäfts von Energy, das Montague von Deutschland aus steuert, weiß er: Die Marke Energy kann er in Europa nur erfolgreichen etablieren, wenn der Sender im wichtigen deutschen Markt ausreichend präsent ist. "Nach dem Vorbild von Coca-Cola, Mövenpick oder H&M wollen wir NRJ mit einer Lizenzstrategie als weltweite Marke etablieren", sagt Montague.
Am Kapital soll es zumindest nicht scheitern. "Geld für Investitionen ist ausreichend da, unsere Bilanz weist einen Cash-Bestand in dreistelliger Mio.-Höhe aus", sagt Montague, um gleich mal mögliche Zweifel über die Ernsthaftigkeit seiner Pläne zu zerstreuen. Dabei geht es ihm nicht nur um die internationale Etablierung der Radio-Marke Energy, sondern auch um die Profitabilität in Deutschland. "Wir brauchen eine kritische Größe in den Massenmärkten, um profitabel zu werden", sagt Montague, "in Deutschland müssen wir noch wachsen, um diese kritische Größe zu erreichen". Dass das möglich ist, zeigen ihm die Beteiligungen in Finnland und Belgien, wo der Konzern längst Geld verdient.
"Wenn es interessante Beteiligungen an deutschen Radiosendern gibt, werden wir zugreifen", kündigt Montague entschlossen an und dementiert damit Branchengerüchte, der Konzern wolle mangels Rentabilität den deutschen Markt ganz verlassen. Von manch einem Wettbewerber war der Aufruf von Energy vor zwei Jahren, man wolle mit anderen Radio-Gesellschaftern Partnerschaften eingehen, als erster Schritt eines Rückzugs gedeutet worden. Doch laut Montague war das ein ernst gemeintes, strategisches Vorgehen - mit dem Ziel, über Kooperationen die jeweilige Marktführerschaft zu erlangen, wenn denn schon der Kauf weiterer Sender nicht möglich ist.
Allein - aus den Plänen hat sich laut Montague damals "nicht zuletzt aus finanziellen Gründen" nichts ergeben. Offenbar waren die preislichen Vorstellungen der Radio-Gesellschafter für NRJ zu hoch. Wenn sich damals überhaupt jemand von seinen Anteilen ernsthaft trennen wollte.
Heute schätzt er die Chancen aber wieder besser ein, zu vernünftigen Preisen den Fuß in die Tür zu bekommen: "Der eine oder andere Minderheitsgesellschafter überlegt sich derzeit, ob Radio für ihn noch Sinn macht und auch einige Verlage stellen ihre Radio-Beteiligungen auf den Prüfstand - da sehen wir schon Möglichkeiten für Zukäufe", orakelt Montague. Und wirbt mit einem Angebot, dass die Verhandlungspartner bisher noch nicht von ihm gehört haben dürften: "Wir können auch die Möglichkeit anbieten, Sender-Beteiligungen gegen Anteile an der NRJ-Holding zu tauschen - möglicherweise mit der Perspektive eines Börsengangs in 4 bis 5 Jahren."
Montague würde nicht nur an Standorten zugreifen, die ihm bisher auf der Senderkarte noch fehlen. Auch in den Städten, in denen er die Zuhörer schon mit einem Programm beschallt, kann er sich weitere Zukäufe vorstellen und neue Formate starten. Auf dem Wunschzettel ganz oben stehen aber vier Ballungsräume, die bisher noch weiße Flecken auf seiner Deutschlandkarte sind: Trier/Luxemburg, Hannover, Rhein-Ruhr und Rhein-Main.
Dass Energy in Deutschland noch nicht so weit ist, wie es Montague gerne sähe, liegt aber nicht nur an den äußeren Umständen. Ohne den Namen seines Vorgängers zu nennen, gibt er selbstkritisch zu, "dass wir zwischenzeitlich in Deutschland ein bisschen vergessen haben, Radio so zu machen, wie man es machen muss, um erfolgreich zu sein". In der Vergangenheit sei man im Markt als Teenie-Sender wahrgenommen worden, "tatsächlich haben aber unsere Hörer ein Durchschnittsalter von 30 Jahren", deutet Montague Fehler im Marketing an. Die Energy-Sender sprechen ein junges, städtisches Publikum an.
Auch bei der Vermarktung sieht er noch Steigerungspotenzial. So will er die Einnahmen jenseits der klassischen Werbespots erhöhen und forciert den Verkauf vonSonderwerbeformen. Weil die direkte Beziehung zum Kunden hier besonders wichtig sei, habe sich die Energy-Vermarktung in Frankfurt verstärkt und auch in Düsseldorf werde gerade gerade noch nach jemandem gesucht. "Auch nach einem nationalen Verkaufsleiter halten wir gerade Ausschau", sagt Montague.
Bei seinem jungen Publikum unverzichtbar sind die App-Angebote fürs iPhone. Montague will sie weiter ausbauen. Schon heute kooperiert der Sender mit Apple - die Nutzer bekommen als Willkommensgeschenk ein paar Songs kostenlos.
Das Jahr 2009 war auch für Energy schwierig. Während alle Radiosender zusammen von Januar bis November brutto um 1,2% gegenüber dem Vorjahr zugelegt haben, muss Energy an fast allen Standorten Verluste verschmerzen. In Berlin fehlen 6 % gegenüber dem Vorjahr, in Sachsen 7% und in Bremen 2,7%. Netto ist der Verlust noch drastischer. Nur Hamburg legt um 3,9% zu.
Der neue alte Chef geht dennoch optimistisch ins Jahr 2010, nicht zuletzt wegen der Reichweitengewinne an den meisten Standorten. Bis auf die Sender in Sachsen und Stuttgart haben die Energy-Sender in der Radio-MA 2009/II zum Teil deutlich zweistellig zugelegt. Nur Stuttgart (-25%) und Sachsen (-13,7%) stehen auf der Verlierer-Liste. In Stuttgart hat Montague einen neuen Programmchef verpflichtet, der schon seit September mit Änderungen im Programm entgegensteuert. In Sachsen hat er die Programmchefin Carola Jung installiert, die mit ihrer Erfahrung von Energy in Berlin die Verluste schnell wieder wettmachen soll. Nicht zuletzt, um bei potenziellen Partner die Kraft der Marke Energy in die Waagschale werfen zu können. Auf einen vierten Anlauf will es Christophe Montague schließlich nicht ankommen lassen