...Tatsächlich ist alles in Westberliner Zeiten fundamentiert und seitdem mit voller Absicht mitgeschleppt worden...
Ich hätte das, sicher nur aus dem Bauch heraus, zunächst nicht so hart formuliert. Ich hätte hier eher (auch) die Dynamik der 1990er und 2000er prägend gesehen, die im Grunde (erst) mit der RBB-Gründung eskalierte.
Der Reihe nach: einige, sicherlich beliebige, Fundstücke aus dieser Zeit zeichnen zwar ein tristes, aber kein skandalaffines Bild vom SFB.
Martin Recke, 1996:
https://userpage.fu-berlin.de/mr94/epd/SFB-Intendant-Juni-96.html
Tobias Jaecker, 2001, FU-Hausarbeit:
https://www.jaecker.com/2001/04/der-sender-freies-berlin-auf-dem-weg-zur-zwei-lander-anstalt/
Die Welt, 9.3.2001, Interview mit V. Kähne:
https://www.welt.de/print-welt/arti...n-Ausbau-der-Kooperation-von-SFB-und-ORB.html
Tagesspiegel, 1.10.2002: Artikel im Vorfeld der Fusion (J. Huber)
Also kurz gesagt: Finanzen knapp aber nicht hoffnungslos, Sparwille mäßig bis mittel, Programme nicht unbedingt attraktiv, Techtelmechtel SFB/ORB, bedingter Fusionswille auf beiden Seiten - aber eigentlich keine größeren Skandale.
Den ersten richtigen Knall gab es dann wohl kurz nach der Fusion zum RBB ("Causa Lerch"):
Ein Jahr nach der Zusammenlegung von ORB und SFB soll der neue Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) verschlankt werden und sparen. Intendantin Dagmar Reim soll die Reform in Gang bringen, doch der Konflikt mit den freien Mitarbeitern um die Vergünstigungen der Vergangenheit eskaliert. Heute nimmt...
www.spiegel.de
Was auffällt, unabhängig davon wie ich mich als Gebührenzahler hier in der Sache positionieren würde, ist der extrem rüde und eigentlich unakzeptable Ton, folgt man den Spiegel-Details.
Das war aber schon nicht mehr der "alte" West-Berliner Mief, sondern eine neue Dimension. Eine, die auch in unangenehmer Weise von einem vermeintlich progressiven Milieu geprägt wurde. Und die sich bis heute noch stark ausgeweitet hat, wenn man nur mal ganz simples Diskursverhalten betrachtet (Stichwort "Speeddating" vs. "normale Erreichbarkeit"). Man hypt sich selbst in immer stärkerer Weise, mit der Rechtfertigung, dies sei so gewollt. Wer nicht mit-hypt, wird nicht ernst genommen. Das funktioniert gut, also ist es richtig. Gerade Schlesinger war eine Führungsperson des glamourösen Hypens, die sich auch mit "ihresgleichen" umgeben hat und ihren Stil bis weit nach unten geprägt hat.
Schlesinger, und darauf will ich hinaus, galt als Hoffnungsträgerin, völlig unverdächtig der Zugehörigkeit zum "alten West-Berliner-Baulöwen-/CDU-Mief".
Bei mir bspw. durch ihre Biografie, Enkelin eines gewissen Artur Schlesingers, mit kindlichen und jugendlichen Fahrten in den Südosten der DDR, was sie selbst auch recht bodenständig und respektvoll schilderte, sozialisiert in einer Bundesrepublik mit bürgerbewegten, grünen Veränderungswillen gegen starre, konservative Strukturen. Wenn so jemand im Verhalten "noch eine Schippe drauflegt" im Vergleich zu dem, wogegen man sich doch vermeintlich aufgelehnt hat, hört bei mir das Verständnis auf.
Die ORBler haben sich nicht gewehrt gegen diese Tischlein deck dich-Welt und sich widerstandslos eingruppiert. So ist eben fast alles bis heute so geblieben wie anno dazumal.
Warum fällt mir hier jetzt ausgerechnet ein Andreas Ulrich ein, der - je nachdem welche Fahne am Rathaus gerade hängt - entweder begeistert die Oberligaspiele von Dynamo verfolgt oder eben stets hochgradig euphorisiert die von Union in einer völlig kommerzialisierten Bundesliga....
[das mag jetzt viele völlig zu unrecht treffen, dafür sorry, aber es ist eben mein Bild bei solch einem Satz]
Wer es weniger polemisch mag, analysiert die Rolle von Hannelore Steer (siehe Spiegel-Artikel). Eine honorige Person, DDR-sozialisiert, Berufserfahrung bei RBI, dann im ORB Chefin von Antenne Brandenburg, später - nachdem SPD-Kader und Rosenbauer-Vertrauter Hirschfeld im Ruhestand war - Hörfunkdirektorin bei ORB und RBB. Wie mag sie sich 2004 gefühlt haben in Erinnerung an die Nalepastraße 1989/1990?