Der Amoklauf und die Medien

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Sehe ich anders Kobold. Wer selbstbestimmt lebt verstößt als Journalist nicht gegen ethische Grenzen und wird seine Position auch verteidigen können.
Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
Der lebt fremdbestimmt.
Ist eine Möglichkeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber kein Vorbild.
Für mich nicht.
 
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Ich gebe Kobold recht,

hat denn der "kleine" Reporter vor Ort die Wahl? Ich kann mir vorstellen, dass die Reporter einiger Magazine und Sender angehalten werden, alles "einzufangen" was sie bekommen können. Die Redaktion entscheidet am Ende was gesendet wird und was man sich besser spart.

Dass einige mit härteren Bandagen recherchieren als andere, wissen wir seit Günther Wallraff´s "Der Aufmacher". Im aktuellen Stern übrigens wird das Thema Amoklauf natürlich auch beleuchtet, allerdings wegen der Veröffentlichung am Donnerstag zeitverzögert. Inklusive eines Interviews des entführten Sharan-Fahrers. Ob dessen Aussagen korrekt sind, weiß ich nicht. Er dürfte ein nettes Sümmchen vom Stern erhalten haben.

Glaubt jemand hier, dass sich künftig etwas an der Art der Berichterstattungen ändert? Ich nicht.
 
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Mal ehrlich...

"Die Medien" stehen doch auf "sowas". Das ist nunmal ein Wachrüttler.

Was wäre eigentlich, wenn sowohl Medien als auch "Experten" und Politiker bei solchen Ereignissen mehr zurückhalten würden? Ich verstehe überhaupt nicht warum jeder hochrangige Politkopf bis hin zur Bundeskanzlerin dazu ein persönliches Betroffenheits-Statement abgeben muß. Das ist doch GENAU die Art von PR die diese verwirrten Köpfe wollen. Einmal im Leben ( oder kurz danach, Ironie... ) sowas von im Mittelpunkt stehen, von den Teamleadern dieses Landes als enorm gefährlich und wichtig wahrgenommen zu werden.

Warum kann man nicht halbwegs erwachsen den Kopf schütteln, so etwas sagen wie "was für ein Dummkopf" und es dabei belassen? Damit meine ich nicht nur "die Politiker", sondern auch "die Medien".

Ich halte es für eine Unsitte, statt Informationen zu einem Thema zu sammeln, aufzubereiten, zusammenzufassen und klar getrennt zwischen Fakten, Vermutungen und Meinungen/Interpretationen darzustellen lieber irgendwelche "Augenzeugen" vor die Linse oder das Mikrofon zu stellen, die dann möglichst betroffen ihr persönliches Erlebnis schildern, oder das nacherzählen was andere ihnen erzählt haben oder...

Klar, wer die buntesten Bilder hat bekommt auch die meiste Quote, aber könnte man nicht hoffen, daß irgendwann ein Umdenken einsetzt und man sich der Macht der Bilder ( wieder ) bewußt wird? Und diese Macht auch bewußt so einsetzt, daß potentielle Nachahmer eher abgeschreckt werden, als Deppen der Nation abgestempelt zu werden statt zu irgendwelchen hochstilisierten Klingeltonhelden?

Utopische Grüße aus der Irrenanstalt:cool:
 
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Radiokult schrieb:
Ausgerechnet die "Junge Welt", einst pateikonformes Propaganda-Blättchen der FDJ, bringt es zwar leicht polemisch, dafür aber ziemlich genau auf den Punkt
Das finde ich nun gar nicht. Da schwadroniert einer von der bösen Welt und dem noch böseren Leistungsdruck und überhaupt, wenn irgendwo ein Krieg stattfindet, darf man sich nicht wundern, bla bla bla.

Das ist nicht "leicht polemisch" und schon gar nicht pointiert, da lebt lediglich mal wieder einer seinen Haß auf das System im allgemeinen aus und hat mit Winnenden etwas neues gefunden, für das er eben diesem System die Schuld zuschieben kann.

*Gähn!*
 
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Tut mir wirklich leid, aber an dieser Stelle muß ich dir dann leider unterstellen, das du fernab jeder Bildungsrealität lebst und augenscheinlich nicht den leisesten Schimmer davon hast, was in Bildungseinrichtungen dieser Republik so alles abgeht. Es gibt da sicherlich Unterschiede von Einrichtung zu Einrichtung. Im Großem und Ganzen hat der Schreiberling allerdings Recht!
 
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Dazu nur soviel: Meine Gymnasialklasse hatte über mehrere Jahre hinweg auch 36 Schüler und der Leistungsdruck auf dieser Schule war ganz sicher kein geringer. Amok gelaufen ist dennoch keiner.

Insofern halte ich die von dem Autoren geschmiedete Kausalkette für schlichten ideologiegeleiteten Blödsinn und seine Analyse für eine, bei der zuerst das Ergebnis feststand und erst dann die dazu passenden Umstände herangezogen wurden - selbst wenn er in einigen Punkten seiner Zustandsbeschreibung recht haben mag.
 
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Dazu nur soviel: Meine Gymnasialklasse hatte über mehrere Jahre hinweg auch 36 Schüler und der Leistungsdruck auf dieser Schule war ganz sicher kein geringer. Amok gelaufen ist dennoch keiner.

Insofern halte ich die von dem Autoren geschmiedete Kausalkette für schlichten ideologiegeleiteten Blödsinn und seine Analyse für eine, bei der zuerst das Ergebnis feststand und erst dann die dazu passenden Umstände herangezogen wurden - selbst wenn er in einigen Punkten seiner Zustandsbeschreibung recht haben mag.
Wenn also 100 Autofahrer zu schnell unterwegs sind, und 99 davon trotzdem keinen Unfall bauen, ist das also der ultimative Beweis dafür, dass die Behauptung, dass Unfälle auch etwas mit überhöhter Geschwindigkeit zu tun haben können, "ideologischer Blödsinn" ist?
 
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Insofern halte ich die von dem Autoren geschmiedete Kausalkette für schlichten ideologiegeleiteten Blödsinn und seine Analyse für eine, bei der zuerst das Ergebnis feststand und erst dann die dazu passenden Umstände herangezogen wurden
Das jemanden zu unterstellen, der 40 Jahre lang mit Jugendlichen zu tun hatte und nebenbei auch noch Lehrer war, halte ich für äußerst gewagt. Aber irgendwie paßt deine Aussage dafür sehr gut in den Kontext heutiger Politik, die leider viel zu oft ebenfalls fernab der Realität agiert. Schließlich ist es ja auch einfacher und billiger mit Schußwaffengesetzen und Ballerspielen zu argumentieren, als sich eingestehen zu müssen, dass an diesem Bildungssystem, gepaart mit so manchem anderen Umstand, eine ganze Menge gewaltig krankt.
Und mit Verlaub, geschätzter Makeitso, deine Schulzeit ist nun doch schon ein paar Jährchen her. Insofern kann man das nur bedingt miteinander vergleichen. Ich möchte lieber gar nicht ausrechnen können und wollen, wieviel seit deiner Schulzeit an Sozial- und Jugendarbeit in deiner Heimatstadt eingespart wurde. Aber warum sollten Medien solche heißen Eisen auch anfassen wollen. Dafür interessiert sich doch eh keiner...
 
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Es bringt nichts an Informationswert. Es schadet den Betroffenen. Und es bringt mir als zusehenden Menschen Entsetzen, da ich nur wählen kann zwischen Abstumpfen, indem mich solche Bilder (und Radio ist Kino im Kopf!) nicht mehr berühren, und tiefer Verzweiflung, indem ich mich in die Situation hineinversetze.

Ich möchte weder das eine noch das andere wählen müssen.

Sind das jetzt moralische Skrupel, sich außerhalb unserer Gesellschaft zu stellen, wenn man den ganzen Mist mit dem Zeigefinger wegschnipst (was man auch beim Radio machen kann, es muß sich nur in Reichweite befinden)?

Dann werfe ich nur mal beispielhaft eine Frage in den Raum: Wo waren denn die ganzen Sondersendungen über Darfur? Die ganzen Augenzeugenberichte darüber, wie dort eine sechsstellige Anzahl Leute abgeschlachtet wurde? Häää?!
 
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Die Aussage, das in Makeitsos Gymnasialklasse niemand Amok gelaufen ist, hat genau den gleichen Aussagewert wie die, daß aus der Abschlußklasse der Albertville-Realschule 2008 in Winnenden ein Schüler Amok gelaufen ist: nämlich gar keinen. Hier handelt es sich um zwei konträr aufgestellte Einzelfälle.

Als drittes Beispiel könnte ich meine eigene Oberprima in's Feld führen: dort ist auch niemand Amok gelaufen. Aber mindestens einer hat schwere Probleme in seinem Leben und auch da haben die Eltern, Freunde und wer nicht sonst noch alles "alles versucht". Der springende Punkt ist, daß die angeprangerten Mißststände im Bildungswesen (und ja, ich sehe sie durchaus als Mißstände) durchaus die Entwicklung solcher Fälle begünstigen können. Aber sie sind genausowenig allein dafür verantwortlich wie die Lehrer, die Eltern, die hänselnden Mitschüler, die Computerspiele, die Bundeswehr, die Politiker, die Medien noch das System, oder was man sonst in solchen Fällen gerne als den Buhmann hinstellt, an sich.

Auch wenn es toll wäre, eine einzige Ursache für solche Gewaltausbrüche dingfest machen zu können und fürderhin einfach zu verbieten, so ist das genauso illusorisch, wie der Satz "alle Menschen sind gleich". Denn genau diese Fehlannahme führt in der Folge zu vielen Mißverständnissen. Denn alle Menschen sind eben nicht gleich. Ich bin nicht Makeitso, ich bin nicht freiwild, bin nicht Radiokult - ich bin ich. Und Du bist Du. Der Satz bekommt erst dann seine richtige Bedeutung wenn man ihn umformuliert: "Alle Menschen haben grundsätzlich die gleichen Rechte".

Vielleicht wird es etwas verständlicher, wenn ich den Rousseau'schen Freiheitsbegriff hier einführe: "Der Gehorsam gegenüber dem Gesetz, das man sich vorgeschrieben hat, ist Freiheit". Dieser kleine Satz enthält viele Wahrheiten, die erst bei näherer Betrachtung offenbar werden. Wer Freiheit so definiert, tun und lassen zu können, was ihm gefällt, landet in der Anarchie. Ich habe in meinem vorherigen Beitrag schon auf das "Recht des Stärkeren" verwiesen, welches die ultima ratio ebendieser Anarchie ist. Folglich muß in einer Gesellschaft, die friedlich zusammenleben will, diese Freiheit eingeschränkt werden. Am einfachsten ginge das, wenn sich jeder bewußt wäre, daß die eigene Freiheit genau dort aufhört, wo die eines anderen beginnt.

Daß dies sehr idealistisch gesehen ist und daher vermutlich unpraktikabel (siehe meine früheren Ausführungen zum Thema "Vernunftbegabung"), ist mir sehr wohl bewußt. Nur welchen Ausweg gibt es? Ich sehe für mich nur den, den schon Rousseau vorgezeichnet hat: die Volkssouveränität. Die Bevölkerung ist niemand anderem als sich selbst Rechenschaft schuldig und erläßt die Gesetze, die ihr Zusammenleben regeln. Diesen gehorcht sie aus freien Stücken und respektiert, daß die eigene Freiheit nicht absolut zu sehen ist, sondern innerhalb der selbst gewählten Grenzen. Dies dürfte meiner Idealvorstellung ziemlich am nächsten kommen.

Technisch gesehen haben wir jetzt schon so ein System. Das Volk bestimmt seine Politiker und diese erlassen die Gesetze im Sinne des Volkes. Erlassen Sie Gesetze, die dem Volkeswillen zuwider gehen, könnte dieses als Souverän die verantwortlichen Politiker jederzeit ihres Amtes entheben und durch geeignetere Vertreter ersetzen - und exakt hier liegt der Hase im Pfeffer: die meisten Menschen sind sich ihrer "Macht" - und daraus direkt folgernd ihrer Rechte *und* ihrer Pflichten! - überhaupt nicht bewußt! Der Teil der Bevölkerung, die sich aktiv am Geschick des Staates beteiligen ist verschwindend gering und zu allem Überfluß auch noch von *Menschen* besetzt, also Wesen, die durchaus Versuchungen, Egoismus und anderen Übeln zugänglich sind. "Quis custodiet ipsos custodes" (Wer bewacht die Wächter) fragten schon die Lateiner und wenn wir als Bevölkerung unsere Politiker nicht überwachen und ihnen unseren Auftrag so formulieren, daß sie ihn auch verstehen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich die Dinge sich nicht wirklich in unserem Sinne entwickeln.

Daher sehe ich systemkritische Beiträge wie den verlinkten durchaus als wichtig an, und sei es nur zum Anregen einer Diskussion. Wir alle müssen uns für uns selbst klar werden, was wir wollen. Wir müssen uns klar werden, daß wir zum friedlichen Zusammenleben Grenzen brauchen, an denen wir unser tägliches Handeln orientieren können. Wir müssen uns mit unseren Nächsten darüber austauschen, wie man diese Grenzen stecken kann, um möglichst vielen (aus mathematischen Gründen verwende ich an dieser Stelle absichtlich nicht das Wort "allen", welches eine mathematische Besonderheit des Wortes "vielen" darstellt) Menschen ein möglichst freies, friedvolles Leben zu ermöglichen. Danach müssen wir dann die Vertreter aus unserer Mitte bestimmen, die diesen Willen in Gesetze fassen und ganz zuletzt - wieder jeder für sich allein - den Entschluß fassen, diesen Gesetzen Gehorsam zu leisten. Dann haben wir die Freiheit, die Rousseau schon beschrieben hat, erlangt.

Bis wir an diese Stelle gelangen (und ob wir das überhaupt jemals schaffen, steht in den Sternen, immerhin dürfen wir unsere Schwächen nicht vergessen), operieren wir mit all unseren Diskussionen, Forderungen und Kritiken an den Symptomen herum und verstellen uns dadurch den Blick auf das große Ganze. Es spielt keine Rolle, ob aus einer Klasse von 23 oder 36 Schülern 0, einer oder viele Amokläufer hervorgehen. Es spielt keine Rolle, ob es eine Bundeswehr gibt und internationale Konflikte mit Waffengewalt gelöst werden. Es spielt keine Rolle, ob einzelne Menschen nicht die geistige Abstraktionsfähigkeit besitzen, um ein Computerspiel von der Realität unterscheiden zu können. Es spielt eine Rolle, daß jeder Mensch anders ist und nicht gleich. Es spielt eine Rolle, diese vielen unterschiedlichen Menschen dennoch in *einer* Gemeinschaft zusammenleben. Und deshalb ist die Erkennung seiner selbst als Individuum und die Erkennung seines Nächsten als gleichberechtigtes Individuum die unabdingbare Voraussetzung für ein friedvolles Zusammenleben. Du bist Du. Ich bin ich. Ich erkenne Dich als gleichberechtigtes Individuum an, das seinen kleinen Teil in dieser Welt hat und ich hoffe, Du erkennst mich als gleichberechtigtes Individuum an, dem mein kleiner Teil an dieser Welt zusteht. Zum friedvollen Zusammenleben müssen wir uns gegenseitig respektieren und gemeinsam die Regeln erstellen und achten, nach denen wir zusammenleben wollen.

Das wäre der Idealzustand, den zu erreichen ich mir von der Menschheit wünschen würde. Er versetzte uns in die einmalige Lage, viele der Probleme, die uns heute plagen, ein für allemal im Dunkel der Geschichte versinken und allenfalls noch als Mahnmal uns eine Lehre sein zu lassen. Doch sind wir alle nur Menschen...

LG

McCavity
 
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Nicht nur Darfur, sondern auch Guantanamo oder viele hunderte Zwangsarbeiter in Asien, die für Hungerlöhne schuften, nur damit man bei kik! für 0,99 € seine Unterhemden kaufen kann.

Für mich stellt sich die Frage wie folgt dar:

1. Die offensiver gewordene Berichterstattung der beiden großen Nachrichtensender n-tv und N24 ähnelt mehr und mehr der Methodik der BILD-Zeitung
2. Ich bemängle daneben Sender, die pausenlos entweder über andere Gemeinheiten ausstrahlen oder aber sich pausenlos mit Gewaltfilmen produzieren müssen.
3. Die Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Sender, bzw. deren Herangehensweise an manche Themen, hat oftmals mehr Pietät als die der Privatsender, die nur auf Kohle und Quote ausschauen.
4. Oftmals halte ich manche Journalisten für offenkundig gesprochene Bild-Paparazzis, die geil auf das Schicksal von trauernden Angehörigen sind, und die dann ihnen das Mikro unter die Schnauze halten mit Fragen: "Was meinen Sie dazu?"
Könnte man dieses Pack nicht einfach entfernen, damit die Angehörigen, die einen lieben Mitmenschen verloren haben, einfach trauern können, ohne, dass ständig sie belauert werden von irgendwelchen Reportern?
5. Gerade in einem Medienzeitalter mit ihren gelegentlichen Auswüchsen sollte man in der Ausbildung von Journalisten auch auf die Würde des Menschen eingehen, der in Krisenfällen trauert und der dann keine Reporter benötigt.
(Art 1,1 GG: "Die Würde des Menschen ist unantastbar!")
6. Neben diesen TV-Journalisten mischen sich auch manche Zeitungsschmierer drunter, die auch nichts besseres zu tun haben, um von Angehörigen Bilder zu machen, die gerade Kerzen an die Schulen oder den Ort des Unglücks stellen. Gelegentlich höre ich, dass Journalisten sogar von Trauernden Bilder erpressen.
7. Die Pietätlosigkeit mancher dieser Journalisten lässt mich wirklich erschauern.
 
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Quotenmeter.de im Gespräch mit N24-Chefredakteur Limbourg:

Um kurz nach 10 Uhr morgens erfuhr die Presse am Mittwoch vom Amoklauf in Winnenden – was passiert dann in den Sekunden nach dem Eintrudeln der Meldung bei Ihnen in der Redaktion?
Zunächst wird die Meldung nach den gängigen journalistischen Grundsätzen überprüft. Im Anschluss daran geschieht vieles parallel. Die Nachricht wird im Laufband und als Eilmeldung in den laufenden Nachrichten vermeldet. Gleichzeitig wird in weiteren Quellen recherchiert, Kamerateams und Übertragungswagen werden losgeschickt, zusätzliche Bildquellen geprüft, Experten für das Studiogespräche angefragt, Grafiker beauftragt und selbstverständlich die Redaktionsmannschaft so aufgeteilt, dass die unterschiedlichen Aspekte der Geschichte professionell aufgearbeitet werden können.

Wer entscheidet letztlich darüber, ob es eine Sondersendung gibt?
Da N24 als Nachrichtensender naturgemäß schon in der regulären Programmierung sehr lange Live-Nachrichten-Strecken sendet, sind wir nahezu ab der ersten Eilmeldung in einer Art Sonderprogrammierung. D.h. wir bilden für den Zuschauer sofort die Nachrichtenentwicklung in ihrer gesamten Dynamik ab. Je substantieller eine Geschichte ist, desto mehr Sendefläche nimmt eine Geschichte ein. Im konkreten Beispiel haben wir zirka 30 Minuten nach der ersten Meldung monothematisch über den Amoklauf und seine Auswirkungen berichtet.

Darüber hinaus informiert die Chefredaktion sehr zügig und dauerhaft die Geschäftsführung und gemeinsam wird über die Ausweitung der bestehenden Nachrichtenflächen entschieden.

Schauen Sie an solchen Tagen auch besonders darauf, wie die Konkurrenz aus RTL, n-tv und ARD reagiert?
Selbstverständlich beobachten wir auch die Arbeit der Kollegen. Wir nutzen die unterschiedlichen nationalen und internationalen TV-Sender, ebenso wie Hörfunk und Internet als aktuell berichtende Quellen, um unseren Informationsstand abzugleichen.

Ihre Reporter waren innerhalb kürzester Zeit in Baden-Württemberg. Wie ist es möglich, diese so schnell in den kleinen Ort zu bringen?
Jeden Tag berichten unsere Live-Reporter mit unseren Übertragungswagen von den unterschiedlichsten Orten in Deutschland. Unser Kollege Philipp Stelzner war an diesem Tag nicht weit entfernt von Winnenden für eine andere Geschichte im Einsatz und so war es möglich, dass er bereits knapp 90 Minuten nach der ersten Meldung unser Zuschauer mit Live-Berichten informieren konnte.

Wie sehen Sie die Rolle der Medien bei einem solchen Verbrechen? Sie transportieren die Tat und sorgen dafür, dass sie zum gefährlichen Gedankengut wird…
Glaubwürdigkeit ist für uns als Nachrichtensender das höchste Gut. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Zuschauer über die aktuelle Nachrichtenentwicklung zu informieren. Damit erzeugen wir notwendige Transparenz. Auch wenn wir über die Reden des Iranischen Präsidenten zu Israel berichten, sind wir gezwungen "gefährliches Gedankengut" zu transportieren. Damit muss man sich in einer Demokratie immer auseinandersetzen.

Welches Feedback bekommen Sie von den Reportern vor Ort. Ich könnte mir vorstellen, dass die Presse dort nicht unbedingt gern gesehen ist, denn sie stellt Fragen in Momenten, in denen viele Leute vielleicht gar nichts sagen möchten.
Unabhängig von der jeweiligen Geschichte erhalten unsere Kollegen eigentlich immer das gleiche Feedback. Die meisten Menschen halten unsere Berichterstattung für ausgewogen und für notwendig. Aber unbestritten ist, dass die Menschen in Winnenden durch den Amoklauf in eine Extremsituation geraten sind. Die gefühlte Sicherheit in ihrer gewohnten Lebenssituation ist auch für viele nicht direkt Betroffene verloren gegangen. In dieser Situation sind viele froh, sich an die öffenlichkeit zu wenden. Andere wollen nicht reden. Unsere N24 Kollegen respektieren das. Leider gibt es aber immer wieder, einige Journalisten, die die Grenzen des Anstandes überschreiten. Aber die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung erkennt unser Bemühen an, eine gute Berichterstattung zu gewährleisten.

Gut gebrüllt, Löwe.
 
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Sind das jetzt moralische Skrupel, sich außerhalb unserer Gesellschaft zu stellen, wenn man den ganzen Mist mit dem Zeigefinger wegschnipst (was man auch beim Radio machen kann, es muß sich nur in Reichweite befinden)?

Wenn Du die Frage an mich als Person richtest, kann ich Dir darauf antworten, dass es nichts mit moralischen Skrupeln zu tun hat, sondern mit Erträglichkeit von Nachrichten und Bildern. Ob sie aus aus Darfur, Winnenden oder sonstwoher kommen. Ich kriege es ebenfalls nicht gewechselt, mir beim Abendessen die Aufnahmen aus Kriegsgebieten anzuschauen. Ich käme ja auch nicht auf die Idee, mir Freunde einzuladen, um bei Salzgebäck und Bier eine Dokumentation über die Konzentrationslager der Nationalsozialisten anzuschauen. So etwas betrachte ich im angemessenen Rahmen und mit Vorbereitung. Mir plumpsen zu viele Meldungen in einer epischen Breite unverhofft und ungefiltert ins Auto oder Wohnzimmer, die ich in meinem bescheidenen Alltag nicht verkrafte. Das hat an der Stelle dann gar nichts mit Moral zu tun.

Dass ich die Form der Berichterstattung auf einer anderen Ebene pietätlos finde, steht auf einem ganz anderen Blatt.
 
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hat denn der "kleine" Reporter vor Ort die Wahl? Ich kann mir vorstellen, dass die Reporter einiger Magazine und Sender angehalten werden, alles "einzufangen" was sie bekommen können.

Natürlich wird er eventuell angehalten, einzufangen, was er kriegen kann.

Aber gerade der "kleine" Reporter von heute hat oftmals die Wahl, genau das nicht zu tun.

Er ist nämlich in vielen Fällen ein freier Mitarbeiter.
Das heißt: Frei, Aufträge anzunehmen. Frei, sie abzulehnen. Ohne Angabe von Gründen. Er ist niemandem weisungsverpflichtet. Gerade, WEIL er nicht angestellt ist.

Und wer sich vor der Diskussion drücken will, dem könnte immerhin spontan übel werden (buchstäblich und attestiert, wenn nicht eh schon).

Und weil ich die empörten Einwürfe schon höre:

Nein, ich glaube nicht, dass alle freien Mitarbeiter so sehr am Hungertuch nagen, dass sie die Kinderlein nur ernähren können, wenn Sie jeden Drecksjob annehmen (oder würden sie auch gegen Bezahlung ins Güllefass hüpfen?).

Und nein, ich glaube nicht, dass ein Rückzug von so einem Auftrag automatisch, weitere Aufträge verhindert.

Ich kenne glücklicherweise Kollegen, die es gewagt haben, ihrem eigenen Gewissen zu folgen, und dann zwar vielleicht weniger Geld aber ein reines Gewissen hatten.

Auch lohnt es sich, über solche Beweggründe zu sprechen. Häufig finden sich mehr Kollegen als man denkt, die ähnlich ticken.

Und selbst wenn nicht: Ich finde, es macht einen Unterschied, einen sehr großen sogar, ob ICH einer verzweifelten Mutter, das Mikro unter die Nase halte oder ein anderer.

Oder soll ausgerechnet im Journalimus gelten: "Eßt Scheiße, zehn Millionen Fliegen können nicht irren"?
 
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Nun, ich denke da sind viele Reporter vor Ort, die evtl. sogar noch in der Ausbildung sind, wie die "Kollegin" von RTL, die am ersten Tag wirr ins Mikro laberte. Da werden einige nicht in der Lage sein, ihr Handeln zu reflektieren. Schnell hin, live drauf, komme was wolle. Und wer.

Zu Kobolds Anmerkungen: Ich kann schon seit Jahren auch keine Meldungen aus Israel mehr aufnehmen. Dort wird jeder Pups gemeldet. Nur ändert sich dort nix. Der tägliche Kampf um Gebiete und Einflüsse. Kein anderes Thema ist so permanent in den Medien vertreten wie die Beziehungen zwischen Palästinensern und Israel. Ich zucke da nur noch die Schulter und frage mich: Welche Folgen hat das für MICH? Inwiefern bin ICH davon betroffen? Zum Bsp. vom Gezänk einer zweimal im Jahr statt findenden Regierungsbildung?
 
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Nun, ich denke da sind viele Reporter vor Ort, die evtl. sogar noch in der Ausbildung sind, wie die "Kollegin" von RTL, die am ersten Tag wirr ins Mikro laberte. Da werden einige nicht in der Lage sein, ihr Handeln zu reflektieren. Schnell hin, live drauf, komme was wolle. Und wer.

Eben - genau da liegt auch eines der Probleme. Egal, wer da was sagt: Hauptsache er sagt irgendwas. Einige Jugendliche aus den betreffenden Ortschaften nahmen die tragischen Ereignisse nämlich auch leider zum Anlass, sich vor den Kameras zu produzieren und den Journalisten die abenteuerlichsten Märchen über Tim K. zu erzählen. Die Kamera auf Trauernde draufzuhalten ist eine Sache. Ein Interview ist eine andere. Dazu gehören bekanntlich zwei, einen der es führt und einen der es gibt.
 
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...und dann kommt Peter Limbourg, streckt die Hand von sich und sagt: Natürlich gibt es schwarze Schafe. Aber wir werden immer für unsere Berichterstattung gelobt.
Man kann es sich einfach machen und sagen: Wir als Sender sind es nicht, es sind die Leute da draußen am Ort des Geschehens... und die sind ja nicht der "Sender", sondern freie Journalisten. Aber im Auftrag des Senders.
Selbstkritik gibt es nicht. Gar nicht. Und schon gar nicht von denen, die Kraft ihres Postens und der Bezahlung Verantwortung übernehmen sollten.
 
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Wie sagte schon Heinrich der Verschleimte zu Marie Antoinette: "Eigenlob stinkt." Und kurz darauf war in Paris Gasalarm.
 
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Hallo!

Hier wurde ja schon einiges über die Methoden, die Moral und den auf den Reportern lastenden Druck geschrieben.


Was mich interessiert, ist folgendes:

Im oben verlinkten ZAPP-Beitrag sind ab 6:34 min Bilder vom Presserummel vor dem Friedhof zu sehen. Dort herrschte Film- und Fotoverbot, die Reporter wurden auf Distanz gehalten. Trotzdem wurde dort offensichtlich gegen geltendes deutsches Recht verstoßen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Bildrechte#Privatsph.C3.A4re

(Siehe ganz allgemein auch "Panoramafreiheit")

Daß die Reporter "im Eifer des Gefechts" die Rechtsgrundlagen ihrer Arbeit vergessen, kann ich ja noch verstehen, meiner Meinung nach hätte aber spätestens die Polizei vor Ort handeln müssen. Interessiert dieser Punkt niemanden weiter oder kümmert sich evt. noch der Presserat o.ä. darum?


vg Zwerg#8
 
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@Zwerg: hatte mich weiter oben auch schon darüber aufgeregt, dass in den Medien erst die Plakate mit "Lasst uns in Ruhe trauern" und "Bitte keine Bilder" zeigen, aber sofort im Anschluss gibt es Bilder und Videos über die Trauerfeier.

Das ist in meinen Augen unterste Schublade und zeigt, dass mittlerweile viele Reporter keine Grenzen mehr kennen. Ich wollte schon anmerken, die gehen über ... Aber das ist unpassend.
 
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Ich habe dein Posting auf der letzten Seite gelesen. Ich wollte jetzt aber nicht die moralische Seite der Angelegenheit ansprechen.

Mir geht es um den "erhöhten Standpunkt" (Verkehrsschild, Ladefläche, Autodach) den einige eingenommen haben, um auf diese Weise doch über die Friedhofsmauer schauen zu können. Damit hat man zwar nicht (direkt) das Fotografierverbot auf dem Gelände des Fiedhofs mißachtet, sich aber trotzdem (und sicher auch wissentlich) über rechtliche Vorgaben hinweggesetzt.

Grüßle Zwerg#8
 
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Also jetzt reicht es endgültig! :wall:

Schaue gerade Beckmann. Zu Gast der "Amok-Taxi-ich-bin-Geisel-Fahrer". Er erklärt in gebrochenem Deutsch seine Gefühlswertewelten. Gegen das gebrochene Deutsch habe ich nichts. Das macht’s nur schwierig zum anhören und zäh, aber darum geht’s ja auch gar nicht.

Aber besagter Igor schildert in Details wo welche Route genommen wurde, wie er sich mit dem Amok-Schützen im Auto unterhält, über was für Themen, dass er in der russischen Armee gelernt hat. Daneben sitzt eine Psychologin die Ihn analysiert, Frau Alina Sims. Was soll diese Diskussion? Was bringt’s? Welchem Zuschauer bringt es einen Nutzen? Muss man wirklich noch jeden letzten Krümel aus dem letzten Eck des Themas Winnenden heraus ziehen? Solchen Menschen eine Plattform beiten?:wall:

Er beschwert sich vor laufender Kamera, dass er keine Ruhe mehr hat mit der Presse, die Kinder könnten nicht in die Schule... warum sitzt Du dann da in der ARD?! Weil der Herr dafür Geld kassiert, kostenlose Interviews hat er ja keine gegeben und die Geschichte verkauft. Das wurde ja schon diskutiert hier. Aber warum kauft die ARD von GEZ-Geldern das ein?:wall:

Er überlegt, ob er das Auto jetzt verkauft, weil er nicht mehr einsteigen kann, und der Beckmann spricht über Igors Medientrauma. Herr Beckmann eine Frage: "Ist die ARD kein Medium? Oder bezeichnet sich dir ARD mit ihren 3. Programmen inzwischen als höhere Instanz?! ":wall:

Ich arbeite seit 10 Jahren als Moderator beim Radio. Ich verstehe inzwischen die Menschen in Winnenden, die auf jegliche Art von Medien wegen genau dieser Art von Berichterstattung ihren Hass haben. Ich schäme mich fast, wie manche Kollegen mit diesem Thema umgehen. Das Verhalten manchen Mediums beschmutzt einen kompletten Berufsstand. Es ist traurig. Traurig was passiert ist, traurig was daraus gemacht wird, traurig, dass Menschen nicht Ihre Trauer leben, verarbeiten können. Mal abschließen können... Ich bin traurig.:(
 
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@Friedl:

Ich stimme dir zu. Das Problem ist, dass dieser Mann auch den letzten Cent vom Boden kratzt, den die Medien ihm hinwerfen. Ob er bald auch noch bei Stern-TV sitzt? Der Zeitschrift "Stern" hat er sich ja für die aktuelle Ausgabe schon hingegeben. Ich glaube dessen Aussagen auch nicht so ganz, dass der eifrig Konversation mit dem Amokläufer führte. Egal.

Die Menschen füttern die Medien, die Medien scheiden das Ergebnis aus. Die einen verdauen besser, manch andere eben nicht. Die Zuschauer sind die Fliegen... :D

Dass die ARD jetzt noch auf dem Thema herum eiert, ärgert mich enorm!
 
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Ich sage ja: Die ARD hat unter den Öffis das Augenmaß verloren. Von Anfang an. Außer der Tatsache, dass sie mit ihrem Ü-Wagen am Tag des Geschehens später als die andren da waren. Ich weiß nur nicht warum. Bei den vielen Gremien innerhalb des Senderverbundes - wie kann trotz dessen sowas passieren? Oder wagt sich kein Intendant oder Chefredakteur, die SWR-Kollegen zu düpieren?
 
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