AW: Der Amoklauf und die Medien
K 6 hat schon in #62 darauf hingewiesen, daß es ein wenig blauäugig ist, zu denken, man könne den Nachnamen „wieder einsammeln“. Und wenn man die Parallele zu Erfurt bemühen will, dort wurde der Nachname des Täters auch recht bald genannt.
Hier muss man freilich das Land Baden-Württemberg verantwortlich machen. Es hat durch eine gestern öffentlich gemachte Traueranzeige die Namen sämtlicher Opfer bekannt gemacht. Idiotisches Vorgehen, so die Eltern nichts davon wussten. Die ausländischen Medien haben auch darauf gleich reagiert (Bisher waren nur ein paar Namen komplett bekannt.)
Ich stelle immer wieder fest, daß die englischen und amerikanischen Medien dies überhaupt nicht so halten. Ist zwar OT hier, aber vielleicht kann mir ja jemand mal kurz sagen, warum dort die Familien nicht geschützt werden müssen.
Ich kann nur über Großbritannien reden: Es liegt am Presserecht. Dort muss man als Ausländer erstmal etwa 100-Tausend Euro auf den Tisch legen, um eine Klage gegen eine Veröffentlichung einreichen zu können.
Deswegen kann es sich die "Sun" auch leisten, mit einem Foto-Team das wegen Vergabe einer neuen Identität öffentlich nicht bekannte Haus der Fritzl-Opfer zu stürmen und die Familie abzuschießen. Sie wurden vorher wochenlang in akribischer Kleinarbeit aufgetrieben, dank dieser Aktion der "Sun" sind alle Opfer ihres neuen Lebens enttarnt und angeblich wieder in einer Klinik. Die Bilder wurden dann nur in Großbritannien veröffentlicht und nicht in Deutschland und Österreich, weil hier schärfere Gesetze gelten. Der Vorfall und die Folgen sind hier geschildert.
http://www.oe24.at/oesterreich/chro...arazzi_stuermen_Elisbeths_Versteck_433401.ece
Zweiter Fall: FIA-Boss Max Mossley hat nach den Video-Bildern von seinen Nazi-Sex-Spielchen mit Nutten geklagt. Er hat im Spiegel unlängst geschildert, dass er zwar Schadensersatz bekam, aber die Prozesskosten viel höher waren. Es ging ihm nur ums Prinzip.
Das ist der wesentliche Unterschied: In Großbritannien gibt es keinen effektiven Opferschutz, weil das Presserecht so locker ist. Etwaige Schadensersatzforderungen zahlen die aus der Portokasse. Erstaunlich, dass dort kaum Opfer der Krawalljournalisten zu Selbstjustiz greifen.
Ich bin ein Freund freier Presse, hier sehe ich aber die Grenzen überschritten. Den verantwortlichen Witwenschüttlern sollte mit dem Strafrecht beigekommen werden, im Wiederholungsfall mit Gefängnisstrafe. Und für die Schreibtischtäter in den Redaktionen müssen ebenfalls die Strafen verschärft werden, so dass die Blätter wirtschaftlich ins Mark getroffen werden.
Ich kann den Journalistenverbänden nur raten, sich von dem Abschaum, der sich unter Unseresgleichen befindet, eindeutig zu distanzieren und durch eine Unterstützung schärferer Gesetze für Witwenschüttler einen Beitrag dafür zu leisten, dass der Opferschutz nicht für Storys verletzt wird, die bestenfalls am Rande ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit befriedigen - in Wahrheit aber rein kommerziell und voyeristisch motiviert sind.