Beispiel dafür, daß es geht: Nehmen wir Absolut Radio: Die machen für einen Privatsender ein sehr unaufgeregtes Programm, keine nervigen Gewinnspiele, Moderation nur, wenn der Moderator wirklich was zu sagen hat, gute Musik und nicht die übliche 08/15-Rotation.
Dann müsste der Sender, basierend auf Aussagen in diesem Fachforum, eigentlich ein erfolgreicher und Top-Sender im Land sein. Ist er das? Will das im Jahr 2012 die breite Masse? 80% aller Beiträge hier drehen sich im Prinzip um dieses Thema. Wir schreiben Protesttexte gegen die heutige Art des Radios und der Programmgestaltung, es wird aber stoisch weitergesendet, als wäre alles prima. In der Not frisst der Teufel Fliegen, der Hörer schluckt die Kröte, die ihm ins Ohr gedrückt wird. Was will man machen?
Nehmen wir an, wir basteln uns einen Pop-Radiosender ganz nach dem Radioforen-Geschmack: wir benötigen: entsprechende Technik. Wird gekauft. Räumlichkeiten: gemietet/gepachtet. Sendelizenz: ergaunern wir uns mal irgendwie
. Aber jetzt kommen wir zum Personalstamm: Büroleute und Buchhaltung ist schnell besetzt, Webdesign und Promotion erledigen externe Firmen. Dann geht es ans Eingemachte: die Suche nach vernünftigen Redakteuren und Moderatoren geht los und da fängt das Problem an. Zeitreise:
Gute Moderatoren, am besten mit hohem Bekanntheitsgrad, sind entweder unbezahlbar oder haben sich im ÖR eingenistet. Oder gar beides. Aus der Not heraus besorge ich mir abgehalfterte Ex-DSDS-Sternchen oder Y-Klasse Promis. Die beherrschen das Handwerk zwar nicht, aber man könnte Aufmerksamkeit und Interesse der künftigen Hörer erhaschen. Damit wäre die Moderationsschiene besetzt, aber leider schlecht. Egal.
Musikredakteure die mir für eine Woche im voraus Playlisten erstellen: gute Musikspezies kennen neben den aktuellen Dudlern auch echte Perlen der letzten 40 Jahre, mit denen man z.B. abends oder am Wochenende 1 oder 2 Programmstunden füllen könnte. Leider sind diese Spezialisten wiederum teuer und verdienen vermutlich viel Geld in der Musikbranche oder bei großen Sendern. Ergo erstelle ich das Musikprogramm mit meinen Y-Promi-Moderatoren selbst. Mal nebenher hören, was die Konkurrenz so macht. Aha, alle 3 Stunden die immergleichen Titel, nur in unterschiedlichen Reihenfolgen. Das ist ja einfach! Im Augenwinkel auch auf die iTunes-Charts schielen, um die neuen Songs nicht zu verpassen. Super, die 0/8/15-Playlist steht auch!
Die Nachrichten kommen jede volle Stunde vom Band, die lassen wir uns extern einlesen.
Jetzt noch 1200€ in nen Jura-Kaffevollautomat investiert, Klopapier und Keith Haring-Bilder besorgt und fast ist der Bausatz Radio fertig.
Ich entscheide mich für krawallige Werbung in Printmedien und Plakaten, am besten etwas worüber sich die Spießer empören. So kommen wir ins Gespräch und werden bekannt. Carglass, ATU und Poco-Domäne sind die ersten, die Werbeblöcke bei uns buchen. Prima, es läuft.
Eine Woche Sendebetrieb. Ein neuer Thread bei Radioforen.de wird eröffnet: "Eure Meinung zum neuen Sender Radio Kaka?" Die ersten vernichtenden Kommentare werden in Minutenabständen gepostet. Jetzt sind wir dabei im Haifischbecken Radio.
6 Monate später: es läuft gut, uns wird vorgeworfen eine schlechte Kopie aus der Mischung RPR und SWR3 zu sein. Ein Ritterschlag! Wir nehmen Daniela Katzenberger als neue Star-Moderatorin auf. Kostet uns 120.000€/Anno. Sie versaut zwar jede Ramp, kennt nur insgesamt 30 Songs, kann kein Hochdeutsch und die Sendetechnik beherrscht die überhaupt nicht. Aber wurscht, wenn sie on Air ist, bricht jedes Mal der Server zusammen, wenn die Webcam Livebilder streamt. Wahnsinn! Auch die aktuellen MA-Zahlen zeigen, dass unser Konzept aufgeht. 6 monatige Zuwachsraten von 10-20%. Die ersten Radioforen.de-User drehen durch, weil der schlechteste Sender des Landes so erfolgreich ist.
Der Versuch der Konkurrenz, ein Radioformat erfolgreich aufzuziehen das an alte Zeiten von SWF3 erinnert, scheitert nach 9 Monaten wegen Erfolglosigkeit. Die MA-Zahlen fallen ins Bodenlose.
Der Deutsche Radiopreis steht an. Unsere Nominierung für den besten Radiosender Deutschlands und für das schärfste Dekolleté vor einem Radiomikro macht uns stolz! Ein paar Tage später halten wir die Preise in der Hand, das Publikum wird wach und jubelt uns zu.
Warum wir erfolgreich mit diesem Schrott sind, wissen wir nicht. Aber es bringt Geld, und das zählt am Ende.