Guten Tag, "Raumschiff"!
Ich "kann", habe ich doch aus jener "Disco 17" meine damalige WDR 2-Sendung gefahren.
Zunächst einmal zu der Disco, an der Winfried Trenkler im Bild zu sehen ist: es handelt sich in der Tat um jenes "Studio 35" (3. Etage, WDR-Funkhaus Wallraffplatz), welches in den 1970er und 1980er Jahren DAS Selbstfahrer-Studio für die Musiksendungen auf WDR 2 war. Die 35 wurde, soweit ich mich erinnern kann, bis zur Reform am 3. Juni 1986 dafür genutzt. Als dann im Zuge der Reform manche Musiksendung von WDR 2 auf WDR 1 "umzog", wurden für diese zunächst (bis 1990) eine Discothek im Studio 14 (1. Etage, WDR-Funkhaus Wallraffplatz) genutzt. Später (ab ca. 1990/1991) sendete WDR 3 dann aus dem Studio 14, allerdings dann ohne Discothek. Ab 1990 zog WDR 1 dann in das Studio 11 um (auch 1. Etage, WDR-Funkhaus Wallraffplatz) in das dann auch eine Discothek in den "Aufnahmeraum" (dort, wo sich der Sprechertisch befindet) zusätzlich eingebaut wurde. Das war dann die "Disco 11" aus der bis zuletzt, also bis zum Umzug von EINS LIVE in den Mediapark das, 1. Programm gesendet wurde.
Normalerweise wurde es im WDR (und in anderen Rundfunkanstalten) so gehandhabt, dass Du mit der Summe Deiner Discothek an einem Hochpegel-Kanalzug (Fader-Modul) am Regiepult des Sendetechnikers angeschlossen warst, d.h. der Techniker mit seinem Regiepult war permanent auf der Sendestraße aufgeschaltet und fuhr von dort alle "Kopf-Elemente" (Nachrichten, Werbung, Trailer, etc.) des Programms oder - im Fall einer Magazinsendung die komplette Sendung. Er hatte an seinem Regiepult logischerweise auch entsprechende Zuspielmaschinen angeschlossen (Bandmaschinen, CD-Player, Plattenspieler, Cart-Maschinen). Im Fall einer Magazinsendung setzte sich der Moderator im Aufnahmeraum an den Sprechertisch und ließ sich komplett vom Techniker fahren.
Standen allerdings Musiksendungen auf dem Programmplan, kamen wir DJs und setzten uns im Aufnahmeraum an die Discothek und fuhren von dort aus uns selbst, d.h. wir bedienten sowohl die an die Discothek angeschlossenen Zuspielmaschinen (CD-Player, Plattenspieler, Cart-Maschinen) und unser eigenes DJ-Mikrofon selbst. Das hatte den Vorteil, dass Du (als DJ) dich voll und ganz auf deine Performance konzentrieren konntest und Dich nicht um die "Kopf-Elemente" des Programms kümmern musstest, denn DAS tat ja der Techniker in der Regie. Der Beginn einer Sendung lief dann beispielsweise so ab:
1. Nachrichten-Jingle zur vollen Stunde aus der Regie.
2. Nachrichtensprecher (der ganz woanders im Haus saß und die zentralen Hörfunknachrichten für damals alle WDR-Wellen las) ebenfalls aus der Regie.
3. Im Fall von WDR 2: Verkehrshinweise (die damals aus dem Verkehrstudio kamen) ebenfalls aus der Regie.
Dann bekamst Du ein Handzeichen vom Techniker, er zog seinen Summenregler Deiner Discothek hoch, und Du musstest loslegen (im Fall von WDR 1 entfielen logischerweise die Verkehrshinweise, d.h. Du warst mit Deiner Discothek schon direkt nach den Nachrichten dran. Wenn der Nachrichtensprecher dann sagte: "...soweit die Meldungen, es ist 12.05 Uhr. Unser Programm: auf WDR 1 hören Sie jetzt die Sendung "Schlagerrallye", am Mikrofon ist 'Raumschiff'. Auf WDR 2 senden wir das Mittagsmagazin, auf WDR 3 "Kultur & Klassik brutal" und auf WDR 4 hören Sie den "Pop-Report" mit XY...", wurde es für Dich ernst!
Ab DIESEM Zeitpunkt fuhrst Du Deine Sendung selbst. Also, Jingles & Vorspann von den drei Cart-Maschinen selbst abfeuern, DJ-Mikro selbst aufmachen und moderieren, dann startest Du Deine erste Platte (von CD oder von Vinyl). Der Techniker konnte EIGENTLICH einen Kaffee trinken gehen, denn wenn Du ihn in Deiner Sendung nicht für irgendwelche zusätzlichen "Zuspieldienste" (Bänder abfahren, die Du beispielsweise mitgebracht hattest, oder Telefonanrufer mit denen Du live on air sprechen möchtest, in Deine Sendung "durchstellen", also über das Regiepult ins laufende Programm einblenden) benötigt hast, hatte er nichts zu tun. Bis zur nächsten vollen Stunde, wo er wieder die "Kopf-Elemente" (ggf. Werbung, dann Nachrichten-Jingle, Nachrichten & im Fall von WDR 2 dann noch die Verkehrshinweise) fahren musste, um Dich mit Deiner Discothek danach wieder "aufzuschalten". Okay, wenn Du Deinen Programmanteil an der Disco zu hoch ausgesteuert hättest, wäre es Aufgabe des Sendetechnikers gewesen, entsprechend den Pegel zu korrigieren, damit keine nennenswerten Übersteuerungen stattfinden. Den Rest regelten dann Limiter im Sendeweg.
1990 wurde diese Vorgehensweise auf WDR 1 dann zunächst versuchsweise geändert, denn die Disco 11 wurde als sog. "Autark-Studio" ausgestattet, d.h. dass der Techniker Dich mit Deiner Discothek per Knopfdruck SELBST als Senderegie aufschalten konnte (später wurde das Selbstfahrerpult in der 11 technisch modifiziert, dass Du Dich selbst autark aufschalten konntest). Seine Senderegie war in einem solchen Fall dann "arbeitslos", d.h. nicht mehr auf der Sendestraße aufgeschaltet, denn dort warst Du ja jetzt mit Deiner Discothek "angemeldet". Im WDR kann pro Hörfunkwelle immer nur EIN Studio (egal, ob Discothek oder Regie) als Senderegie auf die jeweilige Sendestraße aufgeschaltet werden - was auch Sinn macht, denn sonst könnten sich ja zwei Studios "in die Quere kommen" und zwei sich überlagernde Audiosignale auf die Sendestraße "verirren". Bevor Du Dich mit Deiner Discothek (im Autark-Betrieb!) aufschalten kannst, muss das sich vorher auf der Sendestraße befindliche Studio von dieser per Knopfdruck abgemeldet haben. Sonst kommst Du nicht rein...!
DIES hatte zur Folge (kommen wir jetzt auf die Disco 17 zu sprechen!)...
...dass der WDR entschied, dass alle Discotheken AUCH autark betrieben werden können sollten (??? Was für eine Formulierung!
)
Die Disco 14 wurde abgebaut und WDR 3 zog dort ein. Existierten ab ca. 1991 somit nur noch die Disco 11 und die Disco 17 (auch auf der 1. Etage im WDR-Funkhaus Wallraffplatz). Die 11 für WDR 1 und die 17 für WDR 2. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde die Disco 17 zunächst noch "halb-autark", d.h. mit Regie betrieben (obwohl es keine "Senderegie 17" gab. Ich meine, die Disco 17 hing zu diesem Zeitpunkt an der Senderegie 15 (die sich allerdings auf der ganz anderen Seite der Etage befand - Sichtkontakt zwischen der Disco 17 und der Senderegie 15 bestand also nicht, aber es existiert ja schließlich Intercom/"Talkback"), die zu diesem Zeitpunkt das EIGENTLICHE WDR 2-Studio war, aus dem die ganzen Magazinsendungen kamen). Aus der Disco 17 kamen die ganzen Musiksendungen auf WDR 2. Ab 1994, als die Sendeablaufsteuerung "RadioMax" Einzug in den WDR-Hörfunk erhielt, wurde die Disco 17 dann auch auf Autark-Betrieb umgerüstet. Als wir im Zuge der Programmreform 1995 mit den Musiksendungen "Roxy" und "WDR-Nachtschicht (ARD Popnacht)" auf WDR 2 begannen, wurde die Disco 17 nur noch autark betrieben. Und DESHALB gab es VOR und NACH den Musiksendungen oftmals "Löcher", weil Du Dich mit Deiner Discothek ja per Knopdruck selbst auf die Sendestraße aufschalten musstet.
War aber die Senderegie 15 dort noch angemeldet, weil der Techniker sich mit seiner Regie nicht schnell genug abgemeldet hatte, entstand ein "Loch" nach den Nachrichten bzw. nach dem Verkehrshinweis (als das Verkehrsstudio noch existierte). Und dieses Loch kam mir gefühlt oftmals minutenlang vor, wenn ich in der Disco 17 saß und den Finger schon auf der Aufschalttaste hatte, obwohl es sich vielleicht nur um zwei bis maximal fünf Sekunden handelte. Aber - mir ging es jedenfalls so - Du stehst in diesem Moment dann so unter Adrenalin, dass Dir solche Sekunden wie Minuten vorkommen. Wenn dann Deine Aufschalttaste aufleuchtet, dann ist das wie eine Erleichterung, denn DANN bist Du "ready to go"...!
Wenn ich dann die Jingles und den Vorspann abgefeuert habe und mit meiner Performance loslegen konnte, dann war das quasi ein orgasmus-ähnliches (ja, ein ÄHNLICHES, meine Herren!!!
) Gefühl, denn jetzt konnte nix großartiges mehr schiefgehen, denn Du warst ja autark und hattest alles in der Hand. Selbstverständlich musstest Du dann auch die "Kopf-Elemente" selbst fahren. Wenn dann Deine Sendung zu Ende war, blendeteste Du Deinen letzten Song "auf Zeit" aus, meldetest Dich SCHNELLSTMÖGLICH von der Sendestraße ab, die Senderegie 15 meldet sich dort an und spielte dann den Nachrichten-Jingle und fuhr die nachfolgende Nachrichtensendung.
Noch etwas zum Studio 35: dieses altehrwürdige WDR 2-Studio, in dem viele inzwischen historisch wertvolle Musiksendungen stattgefunden haben, war bereits nach dem Abbau der sich dort befindlichen Discothek zu einem schlichten Produktionsstudio degradiert worden. Es wurde dann in "Tonträger 35" (oder hieß es "Tonträgerbearbeitungsraum 35"? Ich kann mich an die korrekte Bezeichnung nicht mehr genau erinnern) umbenannt. In jenem "Tonträgerbearbeitungsraum 35" wurden dann Wortbeiträge u.ä. "zusammengebastelt". Schade, aber so kann es gehen, wenn Dinge ausgedient haben und anscheinend nicht mehr benötigt werden.
Ich hoffe, Dir einen Einblick in unsere damalige Arbeitsweise vermittelt zu haben und wünsche Dir einen schönen und erfolgreichen Rest-Tag.
Cheers,
- DV -
Nachtrag: Die Mischpulte der Discotheken 11 und 17 im WDR waren übrigens EELA-Pulte. Im Fall der Disco 17 handelte es sich um ein "EELA 340 Self-Operator" - ein geniales DJ-Pult, welches wir auch bei BFBS einsetzten. Weiss vielleicht noch jemand von Euch, welches EELA-Pult in der Disco 11 verwendet wurde? Es war jedenfalls KEIN "EELA 340 Self-Op", soviel ist klar. Es muss sich um einen Vorgänger gehandelt haben, aber wie lautete die Modell-Bezeichnung? Ich habe es leider vergessen. Also, wer weiss es noch und kann helfen?