Aber eben dieses hatte mich früher fasziniert, es war meine Kunst. Das ist heute für mich verloren gegangen. Das ist einerseits schade, aber andererseits auch gut so.
Heute geht vieles einfacher dank moderner Technik, ich finde das ganz angenehm. Faszininierend ist auch das, auf andere Art. Ich habe vor 35 Jahren schon davon geträumt, meine ganze Musik mal in der Hosentasche mitnehmen zu können - obwohl damals eigentlich im Traum nicht dran zu denken gewesen wäre. Und es war auch noch gar nicht soviel Musik wie heute
Jetzt geht's - und es ist mehr, als ich jemals anhören werde können... Hinzugekommen ist die Qual der Wahl - in jedem Moment Zugriff auf tausende Hörmöglichkeiten.
Damals hat man eben das Beste aus den verfügbaren Möglichkeiten rausgeholt. Da führte kein Weg an der MW vorbei, wenn man Musikliebhaber war. Ich hatte IMMER ein robustes MW/FM-Batterieradio dabei, eingestellt wurden vor allem Hilversum 3 manchmal auf 91.8, ansonsten auf MW 675. BBC R1 auf 1053/1089, AFN Bremerhaven mit tagsüber Bombensignal auf 1143 (nachts unbrauchbar, dafür aber 873 einigermaßen brauchbar), natürlich 2-0-8 in der Nacht (RTL tagsüber war nicht so meins... abgesehen von der Sendung mit Desiree Nosbusch, die aber vermutlich auch nur aus Gründen...
), wenn vorhanden auch Seepiraten wie Caroline 963, irgendeiner auf 1566 (Mi Amigo?), sonntagvormittags oft der Landpirat Radio Nolan auf 1125 mit handfester Hardrockmucke. Bei Dänemark 1062 gab es zeitweise auch gute Musik. Irgendwas fand sich eigentlich immer, mein deichnaher Standort dürfte auch vorteilhaft gewesen sein. Nachteilig dagegen waren die Durchschläge von Norddeich Radio... Diese ganzen privaten Telefongespräche via Norddeich Radio auf "Grenzwelle" konnte man eigentlich auf jedem Mittelwellenradio in der ganzen Stadt mithören, wenn man wollte. Wenn nicht, stolperte man trotzdem drüber...
Mit dem kleinen Radiogerät wurden damals eine Menge "Outdoor-Aktivitäten" im Freundeskreis zufriedenstellend beschallt, ich war damals der Mann für die Musik...
Aber eben Outdoor. Drinnen, sobald man Zugriff auf Plattenspieler oder Kassettendeck hatte, lief nie das Radio. Denn auch damals waren die eingeschalteten Sender musikalisch oft nur das kleinere Übel, es wurde eben auch nur mit Pop gekocht. Was auf unseren Plattentellern lag oder in den Kassettendecks steckte, waren Sachen, die man auch nie im Radio hörte (allerhöchstens mal bei der VPRO). Musikalisch auf dem Laufenden hielt uns unsere örtliche v.a.ProgRock-Discothek, eine der ersten, besten und ältesten Norddeutschlands (immer noch existierend). Da hörten wir dann die Platten, die es im örtlichen Plattenladen auch nicht zu kaufen gab... Heute kann man sich jegliche Musik bequem per Klick vom Sessel aus besorgen, damals musste man für Musik tatsächlich auf Reisen gehen, mindestens bis zur nächsten 120000-Einwohner-Stadt, oder gar ganz nach London! Ich selber hab damals ne Menge in Hannover bei Saturn Hansa gefunden, wo ich jede sich bietende Gelegenheit (Kurierfahrten) zum Einkauf genutzt habe. Groningen war auch ein Plattenparadies. Und in Oldenburg konnte man auch Suchaufträge hinterlassen.
Neben der Musikversorgung via Mittelwelle gab es aber auch damals schon das eher nächtliche DX. So mancher frühe Morgen wurde vor dem Radio verbracht, herein kamen ferne Klänge aus den USA, Kanada, Venezuela, oft Radio Globo 1220 aus Brasilien. Meine Highlight waren die 10500km-Empfänge von Radio El Mundo 1050 aus Buenos Aires und Radio Monte Carlo 930 aus Montevideo an einem Januarmorgen. Daneben gab es sehr vieles aus UK an der Küste zu hören, wo man dann auch die Sprache verstand...
Grad für das TA-DX bieten sich jetzt natürlich gute Bedingungen nach den ganzen Abschaltungen in Europa.
Ansonsten bleibt mir aber angebotsbedingt eigentlich gar keine Zeit, der MW hinterherzutrauern....