Ihr sagt selber, dass Euch teilweise der Einblick in die Redaktionen fehlt. Daher würde ich, Musikredakteur (nicht "gelernter", denn das ist kein Ausbildungsberuf, aber seit mehr als 20 Jahren in der Branche), gerne aufklären.
Falsch ist:
1. "Als Opener dürfen keine Balladen laufen."
2. "Eine Musikstrecke muss einen musikalischen Fluss haben, es darf keine Brüche geben."
3. "Alte Titel dürfen nicht neben neuen laufen, Rock nicht neben Weihnachtsmusik."
4. "Der beste Sender ist der mit der größten Titelauswahl."
... und viel mehr.
Falsch für wen? Für die Hörer. Und nur für die machen wir Programm. Jeden Tag, mit viele Leidenschaft, Herzblut und Sachverstand.
Falsch ist übrigens auch: "Bei den meisten Sendern sitzen keine fähigen Leute mehr in der Musikredaktion." Glaubt mir, ich kenne sie. Die großen Sender und die kleinen, die Erfolgskinder und die Verlierer. Und ich kenne ihre Macher, das habe ich einigen von Euch vorraus. Geheimnis: Es gibt in Deutschland kaum erfolgreiche Sender ohne eine gute Musikredaktion, ob privat oder gebührenfinanziert.
Und jetzt werde ich Euch etwas weh tun. Radio wird in Deutschland nicht für die Leser oder Autoren von Radioforen gemacht. Wir sind hier eine freakige Minderheit. Radio ist ein Massenmedium und jeder Sender möchte in seiner Ecke möglichst viele Menschen erreichen. Das schafft er, indem er die Hits aus seinem Format spielt. So ergibt sich übrigens für einige Sender eine tolle Strecke: Als Opener "One moment in time", dann die neue Single der Toten Hosen, danach Last Christmas. Super! Alles extrem beliebte Songs, keiner schaltet ab.
Und da habt Ihr das Geheimnis: Kenne Deine Hörer, kenne Deinen Markt, kenne Dein Format (!) und spiel die Hits.
Kurz zu zwei der vier Punkte von oben:
1. Keine Balladen als Opener. Warum? Soll ich einen unbeliebteren Titel spielen, damit der Moderator das Gefühl hat, dass seine Sendung mit "Speed" startet? Ihr müsstet mal sehen, was die Hörer bei den ersten Takten von "Have you ever really loved a woman" machen. Lauter drehen! Obwohl davor Nachrichten liefen.
4. Die Anzahl der Titel im Programm. Einfachster Punkt: Je mehr Titel Du spielst, desto mehr unbeliebte Titel spielst Du auch. Bedeutet das, dass man die unter Umständen wenigen extrem beliebten Titel, bei denen alle Hörer lauter drehen, ruhig öfter spielen sollte? Ja. Wie oft? So oft wie möglich. Werden die Titel dann nicht unbeliebter? Nein, und das ist psychologisch erklärbar. Welchen Eindruck haben die Hörer, wenn man das tut? Sie werden den Sender als den mit der besten Musik empfinden. Steigt die Quote? Ja.