Der Artikel gibt die Situation nur teilweise korrekt wieder.
Daß Kabelnetze "undicht" sein können, ist bekannt. Die Freaks sprechen dann von "Kabellecks" und erfreuten sich einst und sicher auch des öfteren noch heute daran, z.B. weitab vom terrestrischen Sendegebiet von Sunshine Live das Programm im Autoradio empfangen zu können in bestimmten Ortschaften. Das sind Ausstrahlungen aus dem Kabelnetz.
Diese Ausstrahlungen können aber heute auch zur Anordnung von Sanierungsmaßnahmen oder gar zur Anordnung der Abschaltung dieses Netzbereiches führen. Die Bundesnetzagentur überwacht - zumindest an kritischen Stellen - mit Messfahrten die Abstrahlung aus Kabelnetzen. Stichpunkt: Flugfunk-Störungen. Es ist also davon auszugehen, daß die Zahl der "undichten" Kabelnetze sinkt.
Zweitens haben die Netzbetreiber selbst großes Interesse an dichten Netzen - gerade wegen des Internet/Telefonie-Angebotes im Netz. Ein von innen nach außen undichtes Netz ist auch von außen nach innen undicht, läßt also terrestrische Störer hinein. Vor allem im Rückkanal-Bereich der Kabelnetze, der derzeit noch bei 65 MHz zuende ist, können Störeinstrahlungen ("Ingress") zur Blockade ganzer Netzbereiche für Internetnutzung führen. Wenn die Empfangsstelle der Rückkanal-Daten (Uploads der Kunden, Senderichtung bei Telefonaten, aber auch alle Requests für Datenlieferungen) mit Müll-Signalen zugeschüttet wird, die irgendwo in undichte Netzbereiche eindringen, geht nichts mehr oder es stockt zumindest.
Die Fehlersuche ist sehr zeitaufwendig, weil ein Störeintrag irgendwo in diesem Netzcluster zur Störung bei allen Kunden führt, was in Ggegenrichtung (typische Empfangsrichtung in Kabelnetzen) nicht der Fall ist. Während man dort genau sehen kann, Straße x hat Empfang, Straße y ist gestört, also liegt dort ein Fehler vor, ists in Rückkanalrichtung komplett für alle gestört. Die Netzbetreiber bauen deshalb teilweise in den Linienverstärkern Rückkanal-Abschwächer ein, die sich einzeln adressierbar schalten lassen mit einem Kennfrequenz-Transponder in der Kopfstelle und dann 6 dB Dämpfung auf den Rückweg legen. Man schaltet nun die Teilbereiche einzeln "leise" und schaut in der Kopfstelle, nach welchem Schaltvorgang man einen Rückgang der Störungen hat. Der Netzbereich hinter dem gerade geschalteten RK-Verstärker ists dann vermutlich.
An Netzen mit ausgebautem Rückkanalbereich haben Endkunden i.d.R. auch keinerlei Recht mehr, z.B. ihre Hausverteilung / Hausverstärker etc. selbst zu installieren - dafür schickt der Netzbetreiber einen lizensierten Vertragskundendienst. Alles andere wäre zu heikel fürs gesamte Netz, falls z.B. RK-Verstärker falsch gepegelt werden oder schlampige Installation Ingress bringt.
Es gibt also auch von Seiten der Netzbetreiber großes Interesse an "dichten" Netzen. Terrestrisches "Luft"-UKW durch Kabelabstrahlungen zu verzischeln ist damit zunehmend ein Auslaufmodell.
Die Gefahr für UKW droht im Kabel tatsächlich durch die Erweiterung des Rückkanalbereichs von 65 MHz durch den UKW-Bereich hindurch bis in Band III hinein. Dabei würden sogar die DAB-Blöcke dran glauben müssen (Diplexer-Frequenzbereich genau im Band III), also DAB im Kabel wäre damit auch etwas, das nicht zwingend die Lösung bringen muß.
Aber: alle (!) derzeit verbauten Linienverstärker in Kupfernetzen enden im Rückkanalbereich bei 65 MHz. Sie müßten alle getauscht werden, zumindest müßten neue Diplexer-Filter und neue Rückkanalverstärker eingebaut werden. Das halte ich für kurz- oder mittelfristig illusorisch. Wenn man bedenkt, daß heute noch überall in den Großnetzen die alten Erdabzweiger mit 470 MHz oberer Grenze verbuddelt sind, die mit extra vorverzerrten ("Schräglage") Signalen regelrecht "durchgefeuert" werden müssen, damit beim Kunden was ankommt, sehe ich da noch keine schnelle Bewegung.
Dazu vielleicht auch mal dieses hier lesen, aus dem Blog eines Herstellers von Beitband-Kommunikationstechnik (Kopfstellen, Kabelnetz-Zubehör, ...):
http://telesteblog.com/2015/09/09/fm-radio-meets-docsis-3-1-and-then-what/ - ok, 2 der 3 Kommentare darunter sind von mir. Paßt aber gerade perfekt hier her.
Die Datenraten im Kabelnetz kann man auch auf anderem Wege erhöhen. Alleine die Bereitstellung weiterer Downstream-Kanäle im bekannten und bislang schon genutzten Kabelfrequenzbereich erhöht die erreichbare Gesamt-Datenrate im Downstream des jeweiligen Netzclusters. Wo heute 8 Kanäle üblich sind, kann man auch 16 oder 24 Kanäle unterbringen und so die Datenrate verdreifachen. Voraussetzung dafür dürfte aber die Verabschiedung vom analogen PAL-Fernsehen sein - das ist eh überfällig. Die weitere Erhöhung des Frequenzbereiches von 862 auf 1002 MHz im Downstream ist kritisch - die Netze sind heute schon oft nur für 470 MHz ausgelegt und müssen mit brutalsten Schräglagen "durchstoßen" werden, um überhaupt 862 MHz zu erreichen. Das wird bis 1002 MHz nicht besser und vergrößert massiv die Verstärker-Last, so daß die Verstärker getauscht oder niedriger gepegelt werden müssen - letzteres verringert wieder die Signalqualität (MER) durch Rauschen.
DOCSIS 3.1 arbeitet auch nicht mehr mit 8 MHz breiten Kanälen (wie TV-Pakete in DVB-C), sondern in 192 MHz (!) breiten Blöcken, die sinnvollerweise wirklich oberhalb des bekannten BK-Spektrums platziert werden. Im Upstream-Bereich kann man skalierte DOCSIS 3.1-Blöcke und DOCSIS 3.0-Kanäle für eine Übergangszeit parallel betreiben und damit auch unterhalb des UKW-Bereiches bleiben.
Andere Möglichkeit: kleinteiligere Segmentierung des Netzes, also weniger Kunden je Segment und damit auch bei bestehender Technologie mehr Datenrate je Kunde. Hat auch den Vorteil kleinteiliger eingegrenzter Störungen.
Wofür sich die Netzbetreiber entscheiden werden, müssen wir abwarten. Auffällig ist, daß einige der umfangreichsten und modernsten Kabelnetze übervolles UKW-Angebot haben, z.B. WilhelmTel / WillyTel in Hamburg und Norderstedt oder S+K Servicekabel in Halle/Saale. Beide mit über 50 UKW-Programmen.
Weiterer Lesestoff:
www.rohde-schwarz.de/file/NEWS_211_DOCSIS_31_german.pdf
http://net-im-web.de/freedocs/1305_s28_ebbes_ruebenach_docsis.pdf