AW: Gesetzl. garantiert: Kath. Kirche im Radio - Fortführung der Deutungshoheit?
@ XXLFunk:
Zu Galilei einen kleinen Auszug aus dem „Lexikon der populären Irrtümer“*:
„Anders als der unglückliche, nur wenige Jahrzehnte vorher auf dem Scheiterhaufen verbrannte Giordano Bruno befand sich Galilei Zeit seines Lebens mit den Mächtigen von Staat und Kirche in durchaus gutem Einvernehmen. Auch wenn er von letzterer, wie Papst Johannes Paul II. 1979 formulierte, 'viel zu leiden“ hatte: Galileis größten Feinde waren seine weltlichen Kollegen, die Professoren auf den Universitätskathedern, nicht die Mönche auf den Kirchenkanzeln […] als er die Monde des Jupiters entdeckte, lehnten es die Physiker-Kollegen ab, zum Beweis durch Galileis Teleskop zu sehen – nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, erschienen Experimente und Naturbeobachtungen den meisten Gelehrten des frühen 17. Jahrhunderts reichlich überflüssig.
Die Kirche dagegen behandelte den unkonventionellen Physikprofessor aus der Toskana mit bemerkenswerter Toleranz; er wurde vom Papst zur Audienz empfangen, von den Jesuiten sogar für seine wissenschaftlichen Verdienste ausgezeichnet, und anders als die weltlichen Gelehrten ließen sich die Jesuiten auch durch Fakten […] überzeugen, dass das ptolemäische Weltbild nicht zu halten war.
Erst als Galilei nicht nur das ptolemäische Weltbild als falsch, sondern darüber hinaus sein eigens als das einzig richtige bezeichnete […] wurde diese Toleranz der Kirch auf eine Probe gestellt. Denn als Arbeitshypothese hätte man Galileis Thesen durchaus gelten lassen, aber als endgültige Wahrheit nicht. Hier sah die Kirche ihren Monopolanspruch verletzt, und als Galilei trotz Abmahnung immer dezidierter von dem System des Kopernikus als einer 'bewiesenen Wahrheit' sprach, den Beweis aber nicht beibringen konnte (was auch gar nicht geht, denn wissenschaftliche Theorien lassen sich nur widerlegen, aber nicht beweisen), reagierte die Kirche auch ihrerseits recht überzogen...
[…]
Hätte er hinfort von seinen Thesen als Theorien und nicht letzten Wahrheiten gesprochen, wäre es wohl nie zu der berühmten Vorladung vor die Inquisition nach Rom gekommen.
[…]
Das Urteil lautete auf Ungehorsam. Die Strafen waren sieben Bußpsalmen jede Woche für drei Jahre, plus eine Kerkerstrafe, die Galilei aber niemals anzutreten brauchte. Nach dem Verfahren lebte er als Gast beim Großherzog der Toskana , dann beim Erzbischof von Siena, dann als Staatsrentner […] wo er unbelästigt seine Forschungen weiterführte und 1642 starb.“
Urteile der Heiligen Inquisition (die Nachfolgeorganisation leitete ja der jetzige Papst) stellt man sich landläufig anders vor.
Aber ich stimme dir zu, eine Organisation, auch wenn sie in Äonen denkt, sollte in manchen Dingen etwas schneller auf die Entwicklung der Gesellschaft reagieren, wobei ich jetzt nicht meine, dass sie dem jeweiligen Zeitgeist hinterher hecheln muss. - Die Auslegung der Bibel gibt da einige Möglichkeiten her, es muss also nicht vom Glauben abgewichen werden.
Machen wir uns aber nichts vor, denn es gibt mindestens drei Ereignisse in den letzten 2000 Jahren, die bei einem anderen Verlauf die heutige Welt bzw. das Christentum anders hätte aussehen lassen:
- Apostelkonzil (Saulus/Paulus von Tarsus gegen Jerusalemer Urgemeinde).
- Erhebung des Christentums zur Staatsreligion in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts.
- Verhinderung der Ausbreitung des Islams im 7. und 8. Jahrhundert.
Um aber einen Bezug zu den Medien zu schaffen: Sollte es nicht in heutiger Zeit so sein, dass allen anerkannten(!) Religionen entsprechend ihrer Verwurzelung in der Bevölkerung anteilig aus den geplanten „Kirchensendungen“ Sendezeit zur Verfügung stehen? Mit anderen Worten: Sollte nicht auch Muslimen oder Buddisten die Möglichkeit gegeben werden, „Gedanken zum Tag“ zu äußern?
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* Krämer, Walter; Trenkler, Götz: Lexikon der populären Irrtümer. 500 kapitale Missverständnisse, Vorurteile und Denkfehler von Abendrot bis Zeppelin. Frankfurt am Main: Vito von Eichborn 1996