AW: Internet kills the radio star?
It's the economy, stupid!
Es kommt darauf an, was der Zuschauer/Zuhörer möchte: "Berieselung" oder "Interaktion". Für viele Menschen scheint ja die (teure) Interaktion, welche Sender wie Neun Live bieten, schon ausreichend zu sein.
Sender, deren Konzept nicht darin besteht, einfach so nebenbei gehört zu werden, erreichen zusammengenommen Marktanteile im einstelligen Prozentbereich. Das bedeutet: Es gibt einen Inhalt, der aus Musik und bestimmten Informationen besteht, welche die Hörer zu bestimmten Zeiträumen konsumieren möchten, ohne dass sie außer dem Einschalten des entsprechenden Gerätes in irgend einer Weise dafür aktiv werden wollen.
Dabei ist es völlig gleichgültig, auf welchem technischen Weg dieses Angebot zum Hörer gelangt. Augenblicklich ist die analoge, inzwischen 60 Jahre alte UKW-Technik völlig ausreichend. Ob die Angebote inhaltlich immer so ganz optimal aussehen, wird in diesem Forum in zahlreichen anderen Threads diskutiert und soll hier nicht weiter behandelt werden.
Viel wichtiger ist die Frage: Welche Investitionen möchte ein Konsument, also ein Hörer, tätigen, um in den Genuss eines Radiosenders zu kommen? Im mobilen Bereich ist die Frage relativ einfach zu beantworten: In Autos beispielsweise sind selbst in den günstigsten Modellen Autoradios eingebaut, und immer mehr Handymodelle besitzen ein integriertes Radioteil.
Radio ist also eine "Zugabe" zu einem meist sehr viel wertvolleren Gut, welches der Hörer zu einem anderen Hauptzweck erwirbt. Radios, die "nur" Radios sind, und einen Preis aufweisen, der über weit 20 € liegt, sind unverkäuflich.
Internetradio ist nun eine spezielle Form der Zugabe zum PC mit Internetanschluss. Was also liegt näher, als über Internet + PC Radio zu übetragen?
Dank der Struktur des Internets stehen unbegrenzt viele Kanäle zur Verfügung, daher kann jeder, inklusive meines kleinen Bruders, meiner Oma und meines Hundes sein eigenes Internetradio aufmachen. Entsprechend viele Angebote gibt es. Welches sich davon durchsetzt, hängt einfach davon ab, ob der Inhalt den Bedürfnissen des Hörers trifft.
Nun gibt es im Internet die Möglichkeit, jedem Hörer "sein" Programm gezielt zuzuspielen. Dazu aber muss sich der Hörer erst einmal dafür entscheiden, welche Inhalte er hören möchte. Natürlich könnte man da so eine Checklist anbieten, nach dem Motto: Musikalisch will ich 80er, 90er, und als Information Nachrichten, Staus und Blitzer. Oder Country und Classic Rock, und keine Staus und Blitzer, dafür aber Infos über neue Kinolfilme und Snooker.
Was dagegen spricht: Das Internet ist kein Medium, welches der klassichen Distribution von einem Sender zu vielen Empfängern dienen soll. Deshalb würde es relativ hohe Kosten verursachen, mehreren Zehntausend Usern gleichzeitig einen Stream zur Verfügung zu stellen.
Da Radio dabei ja nichts kosten darf, muss der Notwendige Cashflow über Werbung generiert werden. Dazu ist zu bemerken: In den USA gibt es zwar einige Pay-Radio Systeme, aber wer in den USA schon mal Radio gehört hat, der weiß, dass es 20 Minuten Werbung pro Stunde gibt und das Zuhören so zur Qual macht. Zudem sind in den USA nicht flächendeckend viele Stationen zu hören: In ländlichen Räumen gibt es sehr viel weniger Sender als in den Ballungszentren.
Daher ist diese Situation nicht mit Europa/Deutschland zu vergleichen. Der notwendige cashflow müsste hierzulande also über Werbung generiert werden, also klassische Werbespots.
Somit stellt sich also nicht die Frage, ob das Internet das Radio verdrängt, sondern ob das Internet ein sinnvoller Übetragunsgweg für Radio sein kann. Das hängt vor allen mit den Kosten zusammen, welche die Übetragung von Radio übers Netz verursacht.
Interessanterweise können hier Codecs, welche für das digitale Radio auf der Mittelwelle entwickelt wurden, auch im Internet dafür sorgen, dass auch bei niedrigen Bitraten noch ein guter Sound rauskommt. Damit wüden die Kosten schon mal sinken.
Ob das Internet sich als Übetragungsweg durchsetzt, hängt auch davon ab, ob sich leistungsfähige und kostengünstige Digitalradiosysteme etablieren können, die bereits eine Vielzahl von populären Formaten abdecken können.
Abder das ist eine andere Geschichte.