Ich glaube, dass die Unterschiede viel größer geredet werden als sie sind - egal ob im Mainstream oder bei weniger Bekanntem. Oder erklär' Du mir mal eine Differenz zwischen Bee Gees "You Should Be Dancing" und Lykke Li's "I Follow Rivers (The Magician Remix)" - nur als Beispiel.
Na ja, nenne mir das musikalische Pendant zu ... wen haben wir denn aktuell ... zu Bausa "Was du Liebe nennst" (Single-Charts Nr. 1) oder Luciano "Eiskalt" (Alben-Charts Nr. 4) aus den Tagen des Saturday-Night-Fever-Soundtracks.
Klar, es gibt schon viele Sachen, die heute retro sind, die als Abziehbild eines Hits von anno dazumal durchgehen. Aber so gleichgebügelt sind die Sachen halt leider auch nicht, daß man das Jahrzehnt nicht mehr erkennt.
Wir sind ohnehin in einer Zeit, in der das Alter von Titeln eine nicht mehr so große Rolle spielt.
Da bin ich mir offen gestanden nicht so sicher. Das hängt aber auch mit meiner Einschätzung zusammen, daß sich die Hörgewohnheiten anno '77 radikal von denen anno '17 unterscheiden. Ich glaube, der Verschleiß an Musik ist heute allgemein höher, da der Konsum oberflächlicher geworden ist, und Flatrates, schnelle Verfügbarkeit und vor allem der Zugriff auf internationale Quellen tragen deutlich ihren Teil dazu bei, daß der Musikgeschmack individueller geworden ist. Aber ich glaube auch, daß ein Titel aus dem Jahr 1940 ob seiner suboptimalen Tonqualität heute allgemein eher ein Schattendasein fristet.
Die 70er hat man schon vor zwanzig Jahren aus dem Radio verbannen wollen (und sie spielen glücklicherweise doch noch eine erhebliche Rolle), an die 80er geht man bis heute nicht dran, obwohl die ältesten Titel mittlerweile 37 Jahre auf dem Buckel haben. Es wurden in den vergangenen 60 Jahren einfach zu viele einprägsame Songs produziert, auf die niemand verzichten möchte.
Hm. Also - ja, richtig. Verbannt hat man die 70er & Nachfolger nicht, aber doch arg ausgedünnt und zumindest in Sachen 70er und 80er zu einem musikalischen Klischee gemacht, das das jeweilige Jahrzehnt so definitiv nicht verdient hat. Und die einzelnen Interpreten ohnehin nicht.
Und auf die auch genügend junge Menschen stehen (dank Streaming-Dienste ist ja vieles zugänglich).
Mag sein. Allerdings weiß ich zugegebenermaßen nicht, wie die jungen Leute heutzutage so drauf sind mangels Kontakt in die pubertären Altersstufen. In meiner eigenen Jugend herrschte unter meinen Altersgenossen größtenteils die Einstellung "Was interessiert mich die Scheiße, zu der meine Eltern oder Großeltern abgegangen sind, ich will den angesagtesten Hit von heute", nenn's meinetwegen unsere Ausprägung des Generationskonflikts. Und es würde mich wundern, wenn es heute arg anders wäre.
Warum also nicht einfach eine Koexistenz neuer und "alter" Lieder?
Absolut nichts dagegen. Aber dann bitte nicht per Zufallsgenerator von der Festplatte, sondern mit einem Redakteur im Hintergrund, der über Fingerspitzengefühl und/oder Humor verfügt. Und trotzdem glaube ich nicht, daß jeder die Kluft zwischen den Carpenters, Black Sabbath, Mariah Carey und Bushido zu überwinden bereit ist ...
Ich kann jetzt nur für mich sprechen, aber sowohl bei Spotify als auch bei meiner eigens gesammelten Musik funktioniert dies wunderbar.
Ich kann leider jetzt nur für meinen Musikserver sprechen, aber da sind halt auch schon ein paar hunderttausend Lieder drauf: bei mir funktioniert das auch wunderbar, mal von ein paar Kollateralschäden auf diversen Alben mal abgesehen, aber all diese Titel haben halt ein zentrales Bindeglied, nämlich mich selbst. Ich weiß genau, was mich mit Udo Jürgens verbindet, mit Van Halen, John Coltrane, Vangelis, Gisbert zu Knyphausen, den Comedian Harmonists, Battle Beast, Brian Setzer, Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Thon oder Meredith Monk. Ich weiß sehr genau, warum ich bestimmte Lieder von Maria Hellwig auf dem Server habe, von Rick Astley, Hukwe Zawose oder von Marek Grechuta & Anawa. Aber ich verstehe jeden, dem die Mischung zu extrem ist, wenn ich keine Überleitung schaffe, denn - meine Brücken sind nicht seine Brücken.
Gruß
Skywise