AW: Neutrik NTM4?!
Lieber Harold,
Übertrager sind ein Kapitel für sich, denn sie verlangen ein ziemlich konsequentes Eingehen auf ihre Vorgaben, andernfalls fällt die Qualität in den Keller.
Zunächst aber scheint das Problem an der geringen Eingangsempfindlichkeit deines Minidiscrecorders zu liegen, der neben der oft zweifelhaften Qualität der Eingänge sichtlich die höhere Wandlerempfindlichkeit von Elektretkondensatormikrofonen voraussetzt. Diese liegt zumeist zwischen 6 (1:2) und 14 dB (1:5) höher als die vergleichbarer dynamischer Mikrofone. Das gilt für dein M58 allemal, denn dieses Mikro liefert nur 0,13 mV/µbar bzw. 1,3 mV/Pa. Mehr als 0,2 mV/µbar sind allerdings mit dynamischen Mikros akzeptabler Qualität nicht erreichbar.
Professionelle Kondensatormikros liefern zwischen 0,8 und 4 mV/µbar, also zwischen 8 und 40 mV/Pa. Das nur als Erklärung, wie dort vernünftige Geräuschspannungsabstände (übrigens seit 1928: G. Neumanns berühmte 'Flasche' CM3) realisiert werden.
Deinem Problem kannst du eigentlich nur mit einem Übertrager und (notfalls oder) einem zusätzlichen Verstärker begegnen, wobei ich (als Tonmeister) bei höheren Anforderungen zunächst einer höheren Wandlerempfindlichkeit und erst dann dem nachträglichen Aufholen durch nachgeschaltete Verstärker zuneige; siehe oben. Das thermische Rauschen des Widerstandes setzt gerade bei solch stärker korrigierten dynamischen Mikrofonen wie dem M58 schnell physikalische Grenzen, denen man sich zu stellen hat.
Der Übertrager NTM4 ist als frühere, aus dem Werk Mollis/Glarus stammende Studer-Konstruktion ein für die geringe Baugröße sehr hochwertiges Produkt, das Studer vielfältig (z. B. in seinen professionellen Mischpulten 169/269) verbaute. Dieser Übertrager reagiert sehr gutmütig auf seine Peripherie, was man von den ebenfalls der Miniaturklasse angehörenden Übertragern der Beyer-Reihe nicht sagen kann. Übertrager müssen nämlich zur Gewährleistung eines niedrigen Klirrfaktors auf der Sekundär- also Verstärkerseite adäquat belastet werden, dürfen aber nicht überlastet werden, weil damit der Höhenfrequenzgang unzulässig einbricht. Neuzeitliche Mischpulte mit den Weitbereichsempfindlichkeitseinstellungen mutieren für einen solchen Übertrager zur Katastrophe. Man verwendet sie da ja auch nicht....
Generell hat man zu berücksichtigen, dass der Übertrager den Eingangswiderstand mit dem Quadrat seines Übersetzungsverhältnisses (hier 1:4), also mit theoretischen 1:16 übersetzt, man also schon eine relativ hohe Eingangsimpedanz beim nachgeschalteten Gerät voraussetzen muss, um den Übertrager unter akzeptablen Voraussetzungen zu betreiben. Die Eingangsimpedanz eines Mikrofoneinganges für ein 200-Ohm-Mikrofon soll wenigstens beim 5-fachen, besser beim 10-fachen der Quellenimpedanz, also bei 1000 bis 2000 Ohm liegen. Leistungsanpassung ist in der Tontechnik nf-seitig wegen der geforderten Breitbandigkeit unüblich.
Nach den mir vorliegenden Neutrik-Datenblättern zum NTM4 aus den 1980ern, deren Genauigkeit deutlich über die im Net verfügbaren hinausgeht, wäre dieser Übertrager wohl -wenn dieser Weg überhaupt beschritten werden soll- einer der wenigen, die dir gewisse Linderung verheißen könnten, selbst wenn der Pegelgewinn im Idealfall mal so eben 12 dB betrüge. Die Welt ist das nicht; außerdem muss man natürlich zusehen, wie dat Dingen sich an deinem Eingang verhält, wozu eine gewisse Nf-Messtechnik, gepaart mit nicht minder gewissen fachlichen Grundkenntnissen, bei dir vorhanden sein sollte.
Leider wissen wir über die Impedanz des Mikrofoneinganges deines Sharp-Recorders überhaupt nicht Bescheid, im Net fand ich auf die Schnelle nichts Vernünftiges. 8 KOhm scheinen mir für einen neuzeitlichen Mikroeingang recht hoch, Mittel- und Hochohmigkeit spielen heute ja keine Rolle mehr. Kannst du mit genaueren Angaben dienen?
In einen XLR-Stecker indes lässt sich der NTM4 selbst in der, wohl immer noch erhältlichen, nicht geschirmten Version aus Platzgründen nicht einbauen; weiterhin würde ich noch kleinere Lösungen nicht anstreben, weil tief- und subfrequente Impulse, die dein M58 (ist doch eine Kugel, oder?) ggflls. noch wandelt, Übertrager geringen Eisenvolumens schon sehr schnell 'zustopfen', also in die Sättigung fahren können, was nicht ohne Wirkung auf die zur selben Zeit einfallende höherfrequente Modulation bleibt.
Genauso halte ich es für qualitativ nicht tolerabel, irgendeinen Kabelübertrager zu erwerben und mit deinen Eingängen gemeinsam zu betreiben. Da kommt nichts Planbares heraus, zumal ordentliche Datenblätter (geschweige denn Kenntnisse) bei den einschlägigen Versendern meist nicht vorhanden sind, selbst wenn jenerlei Unternehmungen in der Tonbranche und ihren transformatorischen DI-Boxen heute gang und gäbe sind. Was ebendort gesündigt wird....; Schwamm drüber; die Ergebnisse werden ja 'vom Markt' akzeptiert.
Ich habe zuviel mit Übertragern gearbeitet, um nicht mit ihren 'UGG' (Untiefen in Geschichte und Gegenwart) vertraut zu sein.
Wenn du mir die technischen Daten deines Mikroeinganges nennst (Eingangsimpedanz, Empfindlichkeit, wenn Vordämpfung/Pad vorhanden die erte mit und ohne Vordämpfung, Aussteuerbarkeit), kann ich hinreichend genaue Angaben zum potenziellen Erfolg der Nachrüstung machen.
Die vernünftigste Lösung wäre natürlich wohl ein 'richtiges' Kondensatormikrofonpaar an einem adäquaten Eingang. Damit allerdings stößt man bei Aufnahmen das Tor zum großen Geld und zu richtiger Arbeit auf.... Und dazu sollte 'es' ja nicht ausarten.
Von Verstärkern nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig erwarten: Die oben genannten, professionellen Studer-Pulte mit NTM4 (Stand der 1970er Jahre) hatten eine Rauschzahl von 4 (oder etwas besser), was heute aus der professionellen Warte heraus betrachtet keineswegs berühmt ist, aber von deinem Edirol R-9 (keine Übertragerkopplung) mutmaßlich auch nur mühsam eingehalten wird; wenn denn überhaupt... Unter 0,8 kommt man aber wohl nicht. Erwartet man hohe Qualität, muss man sich mit den physikalischen Gegebenheiten arrangieren; andernfalls ist das Scheitern programmiert.
Hans-Joachim