AW: Öffentlich-rechtliche Jugendwellen
Nun sag nicht, Du residierst jetzt auch auf nem Campingplatz?
Vielleicht wäre das gesünder. Ich hause werktags seit Juni in einem Zimmer, das sonst von einem Studenten der Schöngeisterei bewohnt wird. Bergeweise ZEIT überall aufgestapelt, Kunstgeschichts- und Kulturkritik-Bücher in den Regalen, im Radio MDR Frisör (er wird nen Herzkasper kriegen, ich dämlicher Proll habe auf RadioTop 40 umgestellt, weil ich abends nach 10 Stunden Excel keine Lust auf Gefiedel habe) - aber keine Ahnung, wie man mit Geld umgeht. Ständig fischt der Mitbewohner Mahnungen von den Stadtwerken oder der Wohnungsgesellschaft aus dem Briefkasten - obwohl wir brav und pünktlich zahlen. Die Kohle bleibt bei unserem lieben Sonnenkind hängen und zerrinnt zwischen seinen Fingern.
In der Küche drehen die Motten fleißig ihre Runden, der Milbenkot in der Matratze läßt nachts meine Augen quellen, meine Wäsche steckt im Rucksack (kein Schrank frei) und der Mitbewohner hat Hepatitis B. Zumindest sagte er mir das 2 Tage, nachdem ich bis Ende August unterschrieben habe. Ich habe nun gewisse Unlust, da überhaupt Türklinken, Lichtschalter und ähnliches zu betätigen (ich weiß, das ist Quatsch, aber es ist nunmal so) und mache die nötigste Hygiene auf Arbeit. Da ist auch anständiges Licht vorm Spiegel - in dieser WG gibt es keine ordentliche Lampe im Bad. Internet und Telefon sind auch nicht vorhanden.
Klingt heftig nach Berlin Friedrichshain... ist aber Jena. Dort ne Wohnung zu bekommen, die halbwegs meinen Ansprüchen genügt, ist eine nahezu aussichtslose Sache. Mir einen Raum abzuzweigen, in dem ein kleines Produktionsstudio entstehen soll, habe ich bereits zu den Akten gelegt. Nicht nur der Realität auf dem Wohnungsmarkt wegen, sondern auch, weil nach einem 10-Stunden-Tag dafür keine Energie mehr übrig ist.
So kommt es zu grotesken Situationen: ich freue mich, alle 2 Wochen mal nach Berlin zu kommen - in _mein_ Bett, an _meinen_ Kühlschrank, ins Internet.
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