AW: Rheinland-Pfalz: Showdown bei UKW-Lizenzvergabe
Die Vergabepolitik in Deutschland ist mehr als nur fragwürdig:
Diese fadenscheinigen Argumente ziehen anscheinend bei den Bewerbungen auf Ausschreibungen immer
- "Wir sorgen für Arbeitsplätze"
- "Wir berichten aus der Region"
Doch wer prüft dann mal nach, was wirklich daraus wird?
1. Wurden nach einer Lizenzerteilung wirklich Arbeitsplätze geschaffen? Und wenn ja: Welche Art und in welchem Umfang (Vollzeit? Volontäre? Praktikanten? Billig-Jobber am Existenzminimum?)
2. Was zählt denn zum Bereich "lokale/regionale Berichterstattung"? Viele Sender legen sich das (in Rechtfertigungen gegenüber den jeweils zuständigen Landesmedienanstalten, falls mal Fragen auftauchen) gerne gummi-mäßig zurecht, wieviel aus dem Sendegebiet berichtet wird. Da werden schon mal Verkehrsmeldungen (findet ja aktuell im Sendegebiet statt) in die Auswertung reingezogen, aber auch Werbespots (sind ja Infos von ortsansässigen Firmen). Oder die Morningshow-Gewinnspielchen zählen auch dazu, man hat ja Hörer aus der Region am Telefon. Auch Pseudo-Agentur-/Presseinfo-Kurzmeldungen in Nachrichtensendungen sollen ein Nachweis für die in den Lizenzen geforderte Berichterstattung sein.
Und eine Frage muss sich die LMK auch gefallen lassen:
- "Wie neutral ist die Landesmedienanstalt in ihren Entscheidungen?"
Schnell fällt dem Betrachter die gleiche Postanschrift wie RPR ins Auge, man erinnert sich an Vorfälle in den späten 90ern zurück (dem damaligen NRJ Rheinland-Pfalz wurde zu Gunsten der RPR-Beteiligungs-Station "Rockland Radio" im Jahr 1998 die Lizenz entzogen / Ausbluten des Radioprogramms der AKK Sendezentrale im Jahr 1997 - in beiden Fällen scherte sich die LMK anscheindend nicht wirklich um einen Erhalt existierender Arbeitsplätze, trotz medialem Druck und Mitarbeiterberichte).
Der Branchendienst Horizont.net berichtet heute über den Endspurt.
1. RPR- und big FM-Chef Kristian Kropp behauptet: „RPR garantiert mit seinem BigFM-Konzept für Rheinland-Pfalz die meisten Arbeitsplätze im Land, deutlich mehr als die Mitbewerber, und ist heute schon federführend bei der Vernetzung von Radio und Online."
Gegenfrage: Seit 2003 wird big FM unter RPR-Flagge in Rheinland-Pfalz gesendet. Beim Start des Jugendsenders wurden schnell noch die damaligen "alten Eisen" von RPR 2 ausgesondert, also Personal abgebaut. Durch das Studio schleifte man jahrelang das Signal aus Stuttgart auf die Frequenzen in der Pfalz, verfeinert mit landeseigenen, computer-gesteuerten Jingles. Ein eigenes Team mit eigenen big FM-Verträgen wurde, so berichteten Insider, in Ludwigshafen in den ganzen Jahren nicht aufgestellt. Erst kürzlich, in der heißen Phase der Lizenzierung, entdeckte man offensichtlich den "On Air"-Knopf im Ludwigshafener Studio und RPR-Mitarbeiter wurden dem Anschein nach auf regionale Themen angesetzt... Wo ist also der Garant für Arbeitsplätze in realen Mitarbeiterzahlen (also echte Verträge, die auf big FM laufen und nicht nur Mischkultur-Makulatur darstellen)?
2. Kropp behauptet weiter: „Wenn der Umsatz von BigFM wegfiele, dann wäre auch RPR in der jetzigen Form nicht mehr haltbar"
Gegenfrage: Nicht nur, dass diese Drohgebärde kalkulierend erscheint. Der Umsatz RPR im Jahr 2009 sieht doch ganz passabel aus: 18,8 Millionen Euro. Davon Bilanzgewinn: 589.000 Euro. Bilanzgewinn big FM: 240.000 Euro (allerdings steht der Umsatz-Bilanzgewinn-Statistik auch kein wirklicher Personaleinsatz entgegen - man teilt sich ja die laufenden Kosten im Sender-Verbund Stuttgart-Ludwigshafen-Saarbrücken). RPR 1 hat sich die Jahre bislang immer selbst getragen, die Wirtschaftskrise hat im letzten Jahr für 1,5 Millionen Euro weniger in der Kasse gesorgt (branchenübliche Entwicklung), aber dennoch verfügt der Sender über ein angenehmes Polster. Sicher, der Wegfall von einigen big FM-Euros würde schmerzen, aber nicht im Rahmen des besagten Horror-Szenarios. Also warum sollte RPR 1 künftig allein nicht mehr haltbar sein?... Wohl nicht ohne Grund heisst es im Artikel: "Kropp ließ eine Frage zu den Geschäftszahlen unbeantwortet."
3. "Dem Vernehmen nach will er (Direktor Helmes) der LMK-Versammlung BigFM vorschlagen und braucht am Montag eine Mehrheit von 22 Stimmen."
Gegenfrage: Warum will er das? Was zeichnet big FM aus dem Hause RPR aus den Erfahrungen der Vergangenheit besonders aus? Arbeitsplatzerhalt? Arbeitsplatzschaffung? Profunde, journalistische Berichterstattung aus dem Land? Warum nicht einen der anderen Bewerber vorschlagen - da kommt frischer Wind auf und es gibt tatsächliche Pläne, einen Mitarbeiterstamm aufzubauen (auch wenn dieser vllt. auch aus Praktikanten und Volontären besteht, aber das ist wenigstens mehr, als augenscheinliche Blendgranaten).
4. Laut Bericht führte das Medieninstitut Ludwigshafen im Auftrag von NRJ eine Studie zur Berichterstattung auf big FM durch. Ergebnis: "Die Beiträge mit Landesbezug machten pro Stunde nur 1,7 Minuten im Tagesprogramm zwischen 6 und 20 Uhr aus. Sollte das zutreffen, wäre das deutlich weniger Landesbezug als ursprünglich vorgesehen. Zum Start von BigFM im Juli 2003 ging die Landesmedienanstalt davon aus, dass der Sender in der Zeit von 6 bis 18 Uhr fünf Minuten „redaktionelles Wort mit regionalen Inhalten" auszustrahlen hat."
Gegenfrage: War da nicht mehr herauszuholen? Insider berichten, in der heißen Phase wurde das redaktionelle Engagement in Sachen Regio-News anscheinend aufgestockt. Und genau in diesem Zeitraum fand auch die Untersuchung statt, die dann auf klägliche 1,7 Minuten pro Stunde kam statt der in der Lizenz geforderten 5 Minuten pro Stunde...
Berechtigte zweite Frage: Wird dieses oben gemutmaßte Engagement (wie bei vielen Radiostationen in solchen Verfahren branchenüblich) nach der erhofften Lizenz-Erteilung wieder zurückgefahren? Beispiele von Sendern gibt es in Deutschland genug, die zunächst groß posaunen, es gäbe im "Zweitprogramm" mehr Mitarbeiter, mehr regionale/lokale Informationen. Doch die Realität sieht anders aus: meistens Radioautomation, meist nur ein Morgenshow-Moderator, ansonsten redaktionelle "Abfallprodukte" aus dem Schwesterprogramm. Also genau betrachtet "doppelte Arbeit für die gleiche, alte Belegschaft".
Muss ich an dieser Stelle auf die offensichtlich laxe Handhabung der bisherigen Lizenz-Auflagen durch die LMK eingehen? Ich denke nicht. Im Horizont-Beitrag klingen schon starke Kritikpunkte durch und ein lasches Zugeständnis, "es habe wohl schon mal Hinweise an den Programmveranstalter gegeben"...
Ich stelle an diesem Punkt fest:
Ich habe nichts gegen eine Präsenz von big FM im Land Rheinland-Pfalz, wie ich auch einem Projekt von NRJ offen gegenüberstehe. Ich verurteile es jedoch in jedem Bundesland, dass Medienanstalten durch die Bank anscheinend immer wieder auf dieselbe Masche reinfallen, sich keiner um die Einhaltung der Lizenz-Auflagen kümmert - und Radiostationen nur noch als "Cash Cow" gesehen werden, die in der Berichterstattung weder politische, gesellschaftliche noch kulturelle Akzente setzen und sich nachhaltig für den Fortbestand des Journalismus einsetzen.
Am Liebsten wäre den Radiomachern eine Nonstop-Automation (keine Personalkosten, außer in der Administration) und News von einem externen Programmzulieferer (lediglich zur Erfüllung der grundsätzlichen Auflagen). Das kann nicht die Zukunft des Radios sein...
Leider scheint der Flurfunk zuzutreffen... Aber wer weiss: Vielleicht gibt es ja übers Wochenende hinweg noch die eine oder andere Überraschung zum Wohle eines gerechte(re)n Rundfunksystems...