"Nicht auf jeden Zünder treten"
Ministerpräsident Kurt Beck findet es richtig, wenn die Rundfunkgebühren steigen. Aber gespart werden soll trotzdem - Interview
Auf 17,24 Euro pro Monat soll im kommenden Jahr die Rundfunkgebühr steigen. Jedenfalls dann, wenn die Länder dem Vorschlag der unabhängigen Expertenkommission KEF folgen. Doch diesmal ist der Widerstand groß und parteiübergreifend. Warum sollen ausgerechnet ARD und ZDF zulegen, wenn alle anderen sparen müssen? Christian Seel sprach mit Kurt Beck, SPD-Ministerpräsident aus Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Medienkommission der Länder.
Die Welt: Die Stimmung im Lande ist gegen eine Gebührenerhöhung. Ist es da überhaupt wahrscheinlich, dass es zu der vorgeschlagenen Anhebung kommt?
Kurt Beck: Wenn man die Leute fragt: Wollen Sie das bezahlen?, dann werden sie immer sagen: Ich bin dagegen. Auf diese Weise könnte man das System beerdigen. Aber eine öffentliche Aufgabe hat nun mal einen gewissen Preis. Deshalb muss man sorgfältig begründen, welchen Wert die Öffentlich-Rechtlichen haben. Und dann müssen wir uns entscheiden: Wollen wir dieses kulturell, informations- und unterhaltungsmäßig hohe Niveau, oder sind wir mit einer gewisse Informationsgrundversorgung zufrieden und überlasen alles andere dem Markt. Dann haben wir in einigen Jahren eine Qualität wie im japanische Fernsehen. Ich jedenfalls will ebenso die Öffentlich-Rechtlichen leistungsfähig halten wie den Erfolg der privaten Anbieter, denen wir deshalb zusätzliche Spielräume verschafft haben. Und man muss den Leuten ja auch sagen, dass sie für 16 bis 17 Euro nicht einmal einen halben Monat lang eine gute Tageszeitung bekommen. Die Erhöhung um gut einen Euro sollte man als angemessen akzeptieren.
Die Welt: Nun bringt die Erhöhung aber nicht nur Zuschauer und Hörer auf die Palme, sondern auch wichtige Teile der Politik. Bayern, Sachsen, Nordrhein-Westfalen sind mindestens dagegen, die FDP-Fraktionen in den Ländern ebenfalls.
Beck: Drei von 16 Ländern sind nicht die Mehrheit . . .
Die Welt: . . . aber es reicht zum Scheitern.
Beck: So geschlossen sind die Fronten nicht. Mein Koalitionspartner und FDP-Fraktionsvorsitzender hat diesen Beschluss nicht mitgetragen, wie er mir gesagt hat. Gleichwohl teile ich die Sorge, setzte aber auf eine Versachlichung der Diskussion. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand einen ARD-Sender schwächen soll, der ja so unfreundlich nicht mit der Landesregierung umgeht. Andererseits haben diejenigen, die mehr Effizienz im öffentlich-rechtlichen Bereich nachgewiesen sehen wollen, ja gar nicht Unrecht. Aber die Schlussfolgerung, es darf so lange keine Gebührenerhöhung geben, bis alles so ist, wie wir es uns wünschen, die ist weder verfassungsrechtlich noch in der Sache haltbar. Ich denke deshalb, dass wir das in der zweiten Jahreshälfte klären werden.
Welt: Wirklich? Die Forderungen von Stoiber, Steinbrück und Milbradt gehen sehr weit: Arte und 3Sat zusammenlegen, ARD-Radios streichen, Orchester abschaffen, Gebühren einfrieren.
Beck: Man wundert sich schon über manches, was in diesem Papier steht. Man kann sicher bewusst auf vermintes Gelände gehen, muss aber ja nicht gleich auf jeden Zünder treten. Bei manchen Vorschlägen, etwa der Zusammenlegung von bundesweiten Kulturradios, müsste man erst fünf oder sechs Landesgesetze ändern und einen neuen Staatsvertrag machen. Außerdem springt diese Idee ein ganzes Stück zu kurz, wenn man gerade den öffentlich-rechtlichen Charakter stärker betonen will. Arte und 3Sat zusammenzulegen, das ist ein ausgesprochen mutiger Vorschlag. Der eine soll Europäisch-Deutschsprachiges, der andere deutsch-französisches Kulturgut zusammenfassen. Wenn man das eine oder das andere nicht will, muss man das klar sagen. Aber eine solche Konstruktion geht nicht wie bei der Kreuzung von Pferden und Eseln, wo dann ein Maultier rauskommt. Oder der Vorschlag, aus der Digitalisierung auszusteigen: das wäre ein industriepolitischer Flop ersten Grades Da würden wir uns in Deutschland mal wieder mit Vehemenz hinter einen Zug werfen.
Die Welt: Also alles prima und weiter wie gehabt?
Beck: Nein, die Diskussion ist richtig und notwendig. Der jetzt vorliegende Bericht der Gebührenkommission enthält ja auch eine Reihe ganz konkreter Vorschläge, wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk sparen kann. Zum Beispiel bei der Altersversorgung der Angestellten. Wenn diese Regelungen jetzt an die des öffentlichen Dienstes anglichen werden, ist man schon bei Einsparungen im Bereich von 50 Millionen Euro. Sicher ist auch nicht jedes Hörfunkprogramm sakrosankt, nur darf die Politik das nicht vorher festlegen. Gerade bei der regionalen Berichterstattung spielt der ARD-Hörfunk für die Meinungsvielfalt eine wichtige Rolle. Schließlich gibt es in vielen Regionen nur noch eine Regionalzeitung. Den Königsweg zum Sparen, den gibt es aber leider nicht. Das ist mühsame Kleinarbeit über alle Bereiche.
Die Welt: Eine Verschiebung der Gebührenerhöhung um ein halbes oder ein Jahr, wie sie jetzt in der Diskussion ist, könnte da doch den nötigen Spardruck in den Sendern erzeugen.
Beck: Die Strukturdiskussion muss man zumindest formal sauber von der Gebührendebatte trennen. Alles andere wäre verfassungsrechtlich bedenklich. Eine Verschiebung ist aber auch aus anderen Gründen nicht akzeptabel, und es gibt darüber, anders als es schon zu lesen war, auch keine Gespräche oder gar Beschlüsse. Man macht den Leuten etwas vor, wenn man behauptet, es ließe sich ein Haufen Geld sparen, wenn die Erhöhung nicht zum 1. 1. 2005, sondern später kommt. Wenn man den Termin kippt, müsste die Gebührenkommission nämlich die nötigen Kreditaufnahmen der Sender neu bewerten und einen neuen Erhöhungsvorschlag machen.
Die Welt: Die Sender drohen auch schon mit dem Gang nach Karlsruhe. Ist das hilfreich?
Beck: Ich gebe den dringenden Rat, dass wir uns in dieser Frage nicht auseinander dividieren. Wir müssen den Rundfunk als Länderaufgabe immer 16:0 organisieren. Wem soll es nützen, wenn wir uns da in einen Verfassungsclinch begeben?
Die Welt: Anderes Thema: Ihr Parteifreund Wolfgang Clement bereitet in Berlin eine Kartellrechtsnovelle vor, die Fusionen und Übernahmen im Pressebereich weit gehend erlaubt und damit tief in die Medienhoheit der Länder eingreift. Sind Sie schon hellhörig geworden?
Beck: Natürlich ist uns diese Entwicklung nicht verborgen geblieben. Wir müssen eine sorgfältige Balance suchen in diesem Diskussionsprozess, der erstens nicht einfach eine weitere Konzentration der Printmedienlandschaft vorsieht und hinnimmt. Auf der anderen Seite sehe ich natürlich den harten Kampf kleinerer Medienhäuser, um wirtschaftlich zu bestehen. Es hat ja auch keinen Sinn, bestimmte Konzentrationen zu verbieten, um Vielfalt zu erhalten, wenn im Gegenzug die Vielfalt kaputt geht, weil die Medienhäuser kaputt gehen. Insgesamt macht mich die Entwicklung besorgt. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass dies Gesetz mit den Ländern medienpolitisch erörtert und im Bundesrat behandelt wird - ob es ein zustimmungspflichtiges Gesetz sein wird oder nicht. Aber darauf kommt es nicht entscheidend an. Es kommt darauf an, dass wir uns auf eine medienpolitische Linie, was die Printmedien in Deutschland angeht, verständigen.
Artikel erschienen am 8. Jan 2004