Wieder eine sehr interessante Diskussion!
Gestern habe ich im Supermarkt eine ältere Dame, ca. 65 Jahre alt, gesehen. Graue Haare, ordentliche Frisur und mit AC/DC Pullover an. Es ist mir aufgefallen, sonst würde ich es ja nicht erwähnen aber ich denke, es war ein kleines Beispiel für eine Verschiebung.
Die Einführung der "14-49" Zielgruppe ist jetzt ca. 30 Jahre her. In diesen Jahrzehnten hat sich schon wieder etwas verändert, wer heute in den 50ern ist, ist im Schnitt ein bisschen 'jünger' als damals. Darum ist es sicher Zeit, an diesem starren Rahmen etwas zu ändern.
In der Tat ist hier jetzt eine Veränderung zu beobachten: In den früheren Generationen versuchten jeweils die Teenies, durch ihre Popmusik die Eltern zu "schocken". Das gelang in den 50ern und 60ern mit Elvis Presley, den Beatles und Rolling Stones, als die Eltern noch Marlene Dietrich und Peter Alexander hörten.
Die nächste Generation versuchte sich dann, mit Depeche Mode, Michael Jackson und Madonna von den 60er-Eltern (Beatles, Stones...) abzugrenzen. In den 80ern begann allerdings mit der Einführung der Digitaltechnik der vorest letzte großflächige Wechsel in der Sound-Ästhetik. Mit Leuten wie Depeche Mode und Michael Jackson ging es dann los, in den 90ern mit Snap, Westbam & Co. weiter.
Im neuen Jahrtausend ist der "Digital-Sound" weitgehend gleich geblieben; es sind keine wirklich neuen Popmusik-Genres mehr entstanden. Während man z. B. einem Buddy Holly das Alter des Songs wirklich "hört" (und er deshalb in einem "modernen" AC-Format nicht mehr stattfindet), muss man bei "Westerland" von den Ärzten das Erscheinungsjahr(zehnt) wirklich nachschauen, wenn man nicht zufällig
weiß, dass er von 1988 ist. Musikalisch hätte es nämlich genauso gut ein früher 2000er sein können. Es hat soundtechnisch keine Weiterentwicklung mehr statt gefunden. Und so kommt es auch, dass auch Jugendliche heute die großen Hits der 70er/80er immer noch mitgrölen können und für "durchaus noch zeitgemäß" halten.. Der "Break" hier war tatsächlich irgendwann Mitte/Ende der 70er. Wer mit der Sound-Ästhetik der 80er und 90er groß geworden ist, kommt i.d.R. auch mit einer aktuellen Culcha Candela oder Ed Sheeran klar. Die Abgrenzung von "Musik für Ältere oder Jüngere" ist in den letzten 40 Jahren nicht mehr gegeben.
Noch abzuwarten bleibt, ob durch Erfolge wie aktuell "Wellerman" von Nathan Evans die "Prä-Digital-Sound-Ästhetik" einen Retro-Boom erlebt. Denn wenn Nathan Evans ins AC-Radio passt, dann spricht eigentlich nichts dagegen, die Dubliners dort auch zu spielen. Solche Entwicklungen sind ja anderswo auch zu beobachten: So werden interessanterweise bei 20-30-Jähringen auf einmal Gesellschaftsspiele wieder hip, während die Eltern in die Disco zur Ü50-Party gehen.