AW: Skandale im Radio
Sol Musica schrieb:
Thema ist "Moral und Ethik im Hörfunk". Natürlich bräuchte ich dafür einige krasse Beispiele, vieleicht könnt ihr mir dabei helfen?!
Bis jetzt habe ich nur etwas über Delta Radio gefunden, die nach dem "geilsten Liebespaar" gesucht hatten und dafür von der ULR in Kiel abgemahnt wurden. Aber sicher gibts noch viel mehr, bessere Beispiele.
Also solche Beispiele findest Du massenhaft. Schau einfach mal nach den Aktionen, die Radiosender veranstalten. Z. Beispiel hier auf der Radioszene im Pressespiegel oder bei radionews.de im Archiv.
2 Beispiele aus dieser Woche:
Meldung Energy Hamburg vom 20.09.04:
Morgen geht es in der FrediPhilipp Morningshow zur Sache!
Alle ENERGY 97.1 Hörer sollten sich morgen zwischen 9 und 10 Uhr einiges gefasst machen! Pünktlich zum Start der letzten Staffel wird in der FrediPhilipp Morningshow eine Original-Folge von „Sex and the City“ in voller Länge zu HÖREN sein.
Die Kultserie wird zum ersten Mal ohne Unterbrechung im Radio gespielt! Sex, Lifestyle, One-Night-Stands und Frauengeschichten morgens im Radio, dass gab’s noch nie.
Oder Antenne Mecklenburg-Vorpommern diese Woche:
Schmeißen Sie Ihr altes Handy weg. Sie bekommen ein Neues!
Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen. Gewinnen Sie täglich ein brandneues Handy auf ANTENNE MECKLENBURG-VORPOMMERN. Sie müssen Ihr Altes nur wegschmeißen. So weit wie möglich!
In der Vergangenheit ließ RTL in Berlin ganze Bäder zertrümmern. Wer das am besten tat, gewann natürlich ein neues. etc, etc
Interessant vielleicht auch die Verfahrensweise bei Gewinnspielen: Wie fair geht es da wirklich zu. Mir fällt da ein, wenn in NRW die Autos verlost werden und alle Lokalsender suggerieren, dass man jeden Tag bei Ihnen eines der 40 Autos gewinnen könnte. Dabei kommt im gesamten Zeitraum jeder Sender höchstens einmal dran. Das haben mittlerweile schon die Hörer gemerkt.
Oder das Quellophon, ein Spiel in den 90ern, bei dem der Hörer in einer bestimmten Zeitspanne so viele Artikel aus einem Quellekatalog benennen mußte, die zusammen einen gewissen Höchstbetrag nicht überscheiten durften. Dem Hörer wurde vorgegaukelt, er könne die Gewinnsumme aus einem der 3 dem Moderator vorliegenden Briefumschläge aussuchen. In Wahrheit stand die Tagessumme längst fest und wurde schön auf die Sendezeiten verteilt.
Nur Beispiele - über die "Moral" bei Gewinnspielen läßt sich endloser Stoff finden.
Am krassesten aber finde ich ein Beispiel aus den 80ern, bei dem sich auch die anderen Medien nicht mit Ruhm bekleckert haben und das Spektakulär und ein Lehrbeispiel war: Das Geiseldrama von Gladbeck:
2 Bankräuber nehmen Geiseln. Ein Sender kommt auf die glorreiche Idee, in der Bank anzurufen, hat einen der Gangster am Telefon und macht mit ihm ein Interview. Ich glaube, es war ffn. Das wurde von vielen Sendern weiterverwertet und ebenfalls ausgestrahlt. Radiosender als Sprachrohr für Gangster!
Auf der Flucht haben die Gangster dann einen 15jährigen Italiener erschossen und bei dem Schlußgefecht auf der Autobahn mit der Polizei kam Silke Bischoff ums Leben. Zuvor hat den Gangstern noch ein Journalist der schreibenden Zunft den Weg aus der Kölner Innenstadt gezeigt, indem er zu den beiden samt ihrer 2 Geiseln ins Auto stieg. Das war Udo Röbel, der wurde dann später Chefredakteur der Bildzeitung.
Riehl-Heyse hat dazu mal gesagt:"Die Geiselnahme von Gladbeck im Jahr 1988 zeigte drastisch, wie unwirksam sie (die ethischen Grundsätze) zuweilen sind: In ihrem Kampf um die heißeste Story mischten sich die Reporter aktiv ins Geschehen ein, stellten die Geiselnehmer fast als Helden des Tages zur Schau, behinderten die Polizei an ihren Ermittlungen und wurden mitschuldig am Tod von zwei Menschen."
Dann bitte in Deiner Arbeit nicht vergessen, dass es für Rundfunk eigentlich überhaupt keinen Pressekodex gibt, der gilt letztendlich nur für die schreibende Presse, wird vom Rundfunk aber weitgehend adaptiert. Es gibt aber keinen "Radiokodex".
Gut, mir fällt noch vieles ein, wird aber jetzt zu lang.
Gruß und viel Spaß bei der Arbeit
moonlight