AW: Software und Formate für 24 Bit / 96 kHz
Wenn Du die Datenmengen wirklich ausnutzen könntest, wärest Du auch näher am Original. Aber schauen wir uns das mal genauer an. Die Anzahl der Bits beeinflußt die Amplitudenauflösung und den möglichen Dynamikumfang. 16 Bit, der alte CD-Standard, erlaubt theoretisch 96 dB Systemdynamik. Eine Produktion, die das auch voll ausnutzt, ist außer zur Demonstration dessen, was möglich ist, unbrauchbar. Die leisen Stellen sind so leise, daß man eine gewisse Mindestlautstärke beim Abhören am Verstärker einstellen muß. Kommt dann eine laute Stelle, sind die meisten Lautsprecher völlig überfordert (die Nachbarn auch recht bald). Aktuelle Popmusik hat kaum mehr als 5 bis vielleicht 20 dB Dynamikumfang. Hochwertige Produktionen bieten vielleicht 40...60 dB, mehr kaum. Die Signal-/Rauschabstände vieler der heute so angesagten portablen digitalen Recorder rechtfertigen nichtmal 16 Bit, schon gar nicht beim Mikrofoneingang. 24 Bit ergeben 144 dB (!) Dynamikumfang. Das ist nicht abspielbar, ohne bei den lauten Stellen über die Schmerz- und letztlich Zerstörungsgrenze des Ohrs zu kommen oder bei den leisen Stellen etwas nicht mitzubekommen. Wer hat schon Totenstille in seinem Wohnzimmer? Von anderen Abhörorten ganz zu schweigen.
Was sinnvoll ist: die Präzision moderner Wandler auszunutzen. Man kann z.B. mit 24 Bit Genauigkeit wandeln und dann auf digitaler Ebene 16 Bit daraus machen. Nicht einfach durch "Weglassen" der kleinsten 8 Bit (auch das sollte schon sinnvoll sein, ein 24-Bit-Wandler ist hoffentlich in seinen oberen 16 Bit präziser als ein 16-Bit-Wandler), sondern durch komplizierte Berechnungen, die eine Umverteilung des Rauschspektrums ermöglichen. Sony hat so etwas als "
Super Bit Mapping" in Hardware gegossen, man konnte es z.B. in besseren DAT-Recordern kaufen. Eine Software-Lösung ist mir nicht bekannt. Ob es überhaupt möglich ist, losgekoppelt vom AD-Wandler nachträglich so etwas vorzunehmen, ist mir spontan nicht ganz klar, aber eher unwahrscheinlich.
Der Zugewinn an Dynamik, den moderne Soundkarten beim Umschalten von 16 auf 24 Bit bieten, beträgt auch nicht 48 dB, sondern je nach Fabrikat und Preisklasse vielleicht 2...6 dB, also maximal ein Bit mehr. Den Rest verschluckt die Analogelektronik und die (nie optimale) Wandlerpräzision. Die angegebenen 24 Bit sind völlige Augenwischerei.
Schauen wir uns die Abtastrate an. Mit höherer Abtastrate bekommt man eine höhere darstellbare obere Grenzfrequenz des Systems. Die CD-üblichen 44.1 kHz erlauben theoretisch Frequenzgänge bis 22.05 kHz. Alles, was höher als 22.05 kHz ist, wird "gespiegelt" mit umgekehrtem Drehsinn des Phasenzeigers in den Hörbereich eingeblendet. 23.05 kHz landen also als 21.05 kHz im Hörbereich, 32.05 kHz als hörbare (!) 12.05 kHz. Um dies zu vermeiden, sind dem AD-Wandler Filter vorgeschaltet, die das zugeführte Analogsignal in seiner Bandbreite begrenzen (Tiefpaß-Filter). Diese Filter stellen sicher, daß oberhalb der halben Abtastfrequenz nichts mehr in den Wandler kommt. Wenn die Filter keine störenden Phasenfehler im Hörbereich haben sollen, dürfen sie nicht zu steilflankig gewählt werden. Dann wiederum greifen sie aber weit runter dämpfend in den Hörbereich ein. Eine höhere Abtastrate ist schon deshalb sinnvoll, weil dann flachere Filter mit höherer Grenzfrequenz gewählt werden können. Auch wird das Rechteckverhalten besser, da die Oberwellen mit übertragen werden.
Auch hier das Problem: 44.1 kHz sind CD-Standard. Wenn Du Deine Aufnahmen mal auf CD speichern willst, kommst Du daran nicht vorbei. Im Studio sind noch 48 kHz üblich, alles weitere exisitiert zwar, wird aber für Produktionen, die kompatibel sein sollen, nicht genutzt - es sei denn, man produziert für die exotischen Sonderformate Super Audio CD oder Audio-DVD. Freilich kann man nachträglich auf eine niedrigere Abtastrate runterrechnen, aber dabei gehen alle Vorteile verloren und man hätte gleich in der Ziel-Abtastrate produzieren können.
Ich mache deshalb z.B. alles, was anfällt, in 44.1 kHz / 16 Bit, weil es so auch auf Tonträger kommt. Selbst Hörspiel-Profis habe ich schon mit Rundfunk-unüblichen 44.1 kHz produzieren gesehen, weil sie die Produktionen auf CD abliefern.
Was bleibt? Eine Menge Spaß kann man mit hochauflösendem Soundkarten auch so haben. Es gibt inzwischen Exemplare mit wahnwitzigen 192 kHz (!) Abtastrate. Damit kann man "Audio extrem" betreiben - oder halt auch ganz andere Sachen. 192 kHz Abtastrate erlauben eine obere Grenzfrequenz nahe 90 kHz. Da paßt locker ein komplettes UKW-Multiplexsignal rein (Mono, Pilotton, Seitenbänder, RDS). Also kann man einen Software-MPX-Coder stricken, dem man Audio zuführt (und sei es auf digitaler Ebene) und der an der Soundkarte ein MPX-Signal abgibt, das, einem beliebigen Mono-UKW-Sender zugeführt, ein ordentliches Stereosignal mitsamt RDS erzeugt.
Sowas gibt es, ich habe es allerdings nie testen können.
Man möge mich korrigieren, wenn ich was unzutreffendes geschrieben haben sollte.