AW: Laienfragen
Also, erstmal: ich habe keinerlei Heimstudio und demnach sind meine Kommentare eher "theoretischer" Natur. Die echten Profis werden sich sowieso noch zu Wort melden. Nur ein Tip: schau Dir mal andere "Heimstudios" von Profis an, wenn Du die Gelegenheit dazu hast. Ein Profi ist z.B. Thomas Christes, Webmaster von radiopannen.de und freier Journalist sowie Sprecher. Er hat nach meinem Verständnis etwas aufgebaut, das weit über Deine Anforderungen hinausgeht, aber sehr schön zeigt, wie "wenig" (vor allem bezogen auf technische Imposanz) doch nötig ist, um äußerst professionelle Arbeit abliefern zu können - zumindest technisch gesehen.
Hier kannst Du sehen, was er einsetzt - klar gegliedert und beschrieben. Doch nun zu Deinen Fragen - auch aus der Sicht eines Laien, wenngleich ich mich sicher bissl intensiver damit befasst habe als Du bisher.
Noob schrieb:
Wenn ich einen kleinen Raum zur Verfügung habe, was sollte ich dort alles rein bauen um sehr gut ausgestattet zu sein und Datein auch in professioneller Qualität verschicken zu können?
1.
Eine sehr gute Raumakustik! Ohne die wird alles weitere Pfusch, sobald es mit Mikrofonaufnahmen zu tun hat. Ein kahler Raum wird genausowenig Freude bereiten wie ein zu kleiner oder zu großer Raum. Bedämpfung und Nachhallzeiten müssen stimmen - die akustische Isolation ebenso. Ungeeignet sind deshalb meist Räume an lauten Straßen, an Bahnstrecken, direkt neben Treppenhäusern, Aufzügen etc. Es gibt nix schlimmeres, als alles 4 mal einsprechen zu müssen, weil ständig Autos durch den Kopfhörer fahren. Tips und Diskussionen gibt es dazu auch hier, ansonsten mal erfahrene Technik- und Tonmenschen fragen - vielleicht bei Deinem Arbeitgeber?
2.
Einen Tisch, an dem Du bequem arbeiten kannst, der Dir vielleicht sogar dank seiner Oberflächenstruktur geräuscharmes Ablegen von Stiften etc. ermöglicht. Allgemein: Möbel, die es Dir erlauben, Deine Geräte so unterzubringen, daß Du problemlosen Zugriff auf alle benötigten Funktionen hast, dabei dennoch nicht über Kabel stolperst, vielleicht sogar später noch erweitern/anbauen kannst und dennoch die Raumakustik nicht doch wieder durch zu viele glatte Flächen deutlich veränderst. Auf die Anforderungen der Geräte achten! Wenn ein Gerät Belüftung braucht, muß die auch gewährleistet sein. Wenn ein Gerät Geräusche produziert (PC), müssen Vorkehrungen getroffen werden.
3.
Hochwertiges Mikrofon mit dafür vorgesehener elastischer Aufhängung, Ploppschutz (dieser stoffbespannte Schirm) und Stativ/Arm - letzteres so befestigt, daß keine Erschütterungen z.B. vom Tisch übertragen werden können. Willst Du für eine ARD-Anstalt produzieren, empfehle ich schon Mikrofone in der Liga
MTG M930, Neumann
TLM 103,
BCM 104 oder ähnliches. Darf es etwas weniger als "ARD-Standard" sein, kannste freilich mit den jeweiligen Klassenbesten aus preiwerteren Ligen arbeiten. Erfahrungen haben hier genug Leute, teilweise auch schon hier geschrieben.
4.
Ein hochwertiger Mikrofonvorverstärker mit dezenter, aber wirksamer Dynamikbearbeitung. Sorgt für die Stromversorgung des Mikrofons, für eine rauscharme Verstärkung des Mikrofonsignals und für die geforderte Durchsetzungsfähigkeit des Mikrofonsounds. Ob es wirklich ein
Mindprint EnVoice sein muß, sei dahingestellt. Das preiswerteste für den gewünschten Zweck zu finden, ist halt wirklich mitunter eine Kunst. Auch hier: frag Leute mit Erfahrung und keine Leute, die nur eine (ihre) Kiste kennen und außer Parolen nix raushauen können.
5.
Ein Pult. Das muß, wenn Du Beiträge montierst, freilich nicht 16 Fader haben. Es muß auch nicht unbedingt digital sein. Hauptsache ist, daß es neutral bleibt und im Signalweg nichts hinzufügt oder wegläßt. Diese Anforderung läßt fast alle Homerecording-Lösungen scheitern, also vor allem einfache Disko-Pulte und "Piratensender-Lösungen".
Vieles geschieht bei der Beitragserstellung ohnehin heute nicht in "Echtzeit", sondern in einer Schnittsoftware. Viele Regler wirst Du deshalb vermutlich nicht brauchen. Eher ist wichtig, Dir alle möglichen Zuspieler und Wege bei Bedarf schalten zu können. Und: Ein- und Ausgänge müssen freilich zu den Geräten passen, die Du anschließen willst.
Ein paar Pulte, die mir spontan einfallen:
Yellowtec Intellimix
Jünger Audio MIX 4
Lawo Z4
Noch wer irgendwelche Ideen?
6.
Eine ordentliche Pegelanzeige. Damit Du siehst, was Du tust. Quasi-Standard ist
RTW 1206D, arbeiten kann man freilich auch mit
billigeren Geräten.
7.
Ein leiser (!!!) Rechner (PC oder Mac, je nach gewünschten Applikationen) mit sauberer Ankoppelung an die Studioumgebung. Das heißt heute normalerweise: digital per S/PDIF oder AES/EBU. Zum Aufnehmen eingesprochener Texte ebenso wie zum Schneiden, Montieren etc.). Die nötige Hardware gibts nicht onboard, sondern immer als separate Steckkarten (RME, Marian, Creamware, ...) oder USB/Firewire-Interfaces. Der Markt ist nahezu unüberschaubar voll mit Lösungen - die richtige für Deine Ansprüche zu finden, bedarf Klarheit darüber, was Du brauchst - aber auch, was Du nicht brauchst.
Du willst mit mobilen Recordern arbeiten, die z.B. auf CF-Karten speichern? Dann ist ein Kartenleser im Rechner quasi Pflicht.
8.
Zuspieler für alle Medien, die Du live einsetzen willst. Das heißt: Du brauchst theoretisch nichtmal einen CD-Player, wenn Du nur im PC Musiktitel in Beiträge einbinden willst. Dann kannst Du auch grabben und es per Software machen. Ein CD-Player empfiehlt sich aber, schon dann, wenn man mit kopiergeschützten CDs zu tun hat. Ob es ein absoluter Profiplayer sein muß, wäre zu überdenken.
Du hast mit Vinyl zu tun? Dann: Plattenspieler nebst gutem Vorverstärker. Liveeinsatz ist vermutlich eher nicht gefordert.
Ansonsten halt, was Du brauchst: MD, DAT, ... Oft reichen da hochwertige Heimgeräte, vor allem dann, wenn man nur ab und an was ins "System" kopieren muß.
9.
Kommunikation nach außen: zum Musictaxi kommen wir gleich. Ob Du für Telefoninterviews auch einen klassichen Hybrid benötigst, mußt Du Dir beantworten. Der koppelt die Telefonleitung ans Pult - einfach den Interviewpartner anrufen, Regler hoch, mitschneiden und los gehts.
10.
Ordentliche Abhörlautsprecher. Welche "ordentlich" sind, ist eine gern geführte Diskussion - auch hier. Gute geschlossene oder halboffene Kopfhörer gehören freilich auch ins Studio.
Hab ich was vergessen?
Noob schrieb:
Muss ich mit einem fünfstelligen Betrag rechnen, wenn die Sachen (Mikro etc.) auch sehr gut sein sollen?
Das kann sicherlich unterhalb fünfstellig bleiben, bei geschickter Reduzierung auf das Nötige womöglich auch deutlich. Vor allem Pult und Mikrofon schlagen kräftige Kerben ins Konto, aber es gibt auch viele versteckte Kosten: Ausbau des Raums, Akustikbau, ...
Noob schrieb:
Was steckt genau hinter der Bezeichnung ISDN-Musictaxi? Ich lese oft, dass es eine notwendige Vorraussetzung für einen Sprecher ist. Nachdem ich den Begriff gegoogelt habe, verstehe ich aber immernoch nicht, ob es eine Leitung oder eine Hardwarekomponente ist.
Es ist eine Hardwarekomponente. Sie nimmt analoge oder digitale Audiosignale entgegen, macht in Hardware einen datenreduzierten Stream daraus (also MPEG) und schickt es per ISDN zu einer Gegenstelle, die auch ein kompatibles Gerät hat. Inzwischen gibt es so etwas wohl auch als reine Softwarelösung. Man braucht es zum Live-Überspielen in Echtzeit, also bei Studio-Zusammenschaltungen, Live-Reportagen etc. Wenn Du für eine ARD-Anstalt arbeitest, kannst Du z.B. Produktionshilfe in Anspruch nehmen: Du sitzt z.B. in Schleswig-Holstein in Deinem Bauernhaus und willst jemanden in München für den NDR interviewen. Dann machst Du einen Termin mit dem BR, bestellst denjenigen ins dortige Studio, die Techniker machen die Betreuung dort (Kaffee inklusive) und Du sitzt quasi im "Nebenraum" - angeschlossen via Musictaxi. Ihr beide habt Kopfhörer auf, könnt reden und Euch verstehen - und Du schneidest mit.
Willst Du nicht (oder erstmal nicht) live arbeiten, brauchst Du das Musictaxi vermutlich auch nicht. Es sollte sich eine Lösung finden lassen, daß Du Deine Produktionen z.B. als 320er oder 256er Musicam-Files per FTP zur Sendeanstalt Deines Vertrauens transferierst - aber eben nicht live und nicht in Echtzeit.
Noob schrieb:
Bei uns auf dem Lande gibt es seit einem Jahr DSL mit bis zu 1Mbit Upload. Gibt es zu Musictaxi auch DSL-Alternativen? Es macht doch bestimmt mehr Sinn (weil schneller), oder unterschätze ich da das gute alte ISDN?
Auch hier: frag die Profis. Wenn Du nicht live arbeiten mußt, ist DSL sehr gut geeignet.
Noob schrieb:
Sollten die Wände mit irgendwas bedeckt werden damit die Akkustik besser ist?
Unbedingt ja! Kahle Wände liefern schrecklichen Nachhall. Was wo wieviel zu bedecken ist, ist Erfahrungs- und Expertensache.
Noob schrieb:
Ist es richtig, dass eine Glastür für einen Sprecherraum ungeeignet ist?
Ich sehe erstmal keinen Unterschied zwischen Glastür und -fenster, was die Reflexion von Schall betrifft. Und Fenster hat wohl jedes Studio. Wenn die Tür nicht akustisch dicht schließt, ist das aber wirklich ein Problem.
Nachtrag:
Jetzt hast Du es schon etwas präzisiert. Willst Du auch Video-Anwendungen machen? Dann kommt womöglich noch teure Video-Audio-Kopplung (Timecodeanbindung, Profirecorder) hinzu. Ich bin aber kein visueller Mensch, ich kann Dir dazu nix sagen, lese aber gerne hier mit, was man dann braucht.
Und alles, was in Richtung Musikproduktion geht, verlangt halt wieder andere Arbeitsweisen und teilweise auch andere Hardware als reine Voice-Production. Plötzlich fallen da Worte wie Multitrack, Midi, Sampler, Sequencer undsoweiter.