Ich muss mich mal selbst zitieren:
Oder gibt es die Wunderlösung, die trotz unterschiedlicher Datenströme identischen Modulator-Output gewährleistet? Ich vermute: nein.
Inzwischen habe ich mich an der Quelle des ganzen, also an der TU Braunschweig, kundig gemacht. Mit genau dieser Frage: crasht die Regionalisierung eines Services alle Services im Mux?
Die Antwort in meiner "untechnischen" Kurzfassung: eigentlich ja, aber.
Die bei DAB verwendete differentielle Modulation baut innerhalb gewisser Zeitbereiche immer auf dem auf, was unmittelbar davor gesendet wurde. Ab und an (genauer: zu Beginn jedes sogenannten "Transmission Frame", dieser ist im heute ausschließlich verwendeten Transmission Mode I immer 96 ms lang) erfolgt mit einem Nullsymbol (während dieser Zeit wird kein Signal übertragen) eine Grobsynchronisation, danach kommt ein Phasenreferenzsymbol, das die präzise Synchronisation bewerkstelligt. Die Empfänger wissen dann, jetzt geht es mit den Nutzdaten los. Es folgen noch 3 weitere OFDM-Symbole, die Hilfscharakter haben: der "Fast Information Channel". Er beinhaltet Informationen über das Ensemble. Dann kommen die echten Nutzdaten. Dafür stehen innerhalb des insgesamt 77 OFDM-Symbole umfassenden Transmission Frame noch 77 - Nullsymbol - Phasenreferenzsymbol - 3 FIC-Symbole = 72 OFDM-Symbole zur Verfügung. Dann ist dieses Transmission Frame abgeschlossen und es folgt das Nullsymbol vom nächsten Transmission Frame.
Innerhalb der 72 nun verbliebenen Symbole des "Main Service Channel" stecken die Audiodaten und Zusatzdaten (Slideshow etc) nebst ihrem Fehlerschutz. Diese 72 OFDM-Symbole sind in 4 Gruppen zu je 18 OFDM-Symbole unterteilt. Diese Gruppen nennt man CIF (Common Interleaved Frame). In den CIF stecken letztlich die Capacity Units (CU) als kleinste "Häppchen", die man Services zuweisen kann.
Wenn ich nun einfach der Regionalisierung wegen einen Service auf jedem Senderstandort gegen einen anderen austausche (regionalisierte Werbung etc), sind natürlich die CU dieses Services für die Zeit der Regionalisierung in allen Datenströmen unterschiedlich. Da es die differentielle Modulation gibt, baut das, was danach kommt (wenn die CU der nicht regionalisierten Services mit der Aussendung dran sind), auf dem vorherigen Output auf und ist damit auch auf jedem Senderstandort unterschiedlich. Damit crasht das Gleichwellennetz komplett, es wäre, als würde man von jedem Senderstandort völlig unabhängiges Programm versenden.
Um das zu vermeiden, greift man in den Datenstrom auf CU-Ebene ein: nachdem die Daten des regionalisierten Services verarbeitet wurden und nun eigentlich die Daten des ersten in Abarbeitungsreihenfolge nachfolgenden nicht regionalisierten Services dran wären, setzt man ein zusätzliches Phasenreferenzsymbol ein. Das führt zu einer Art "Reset", danach starten alle Modulatoren auf allen Senderstandorten wieder einheitlich und senden die modulierten Daten der nicht regionalisierten Services. Bis im nächsten Durchlauf wieder die Daten des regionalisierten Services drankommen, haben wir kurzzeitig ein echtes Gleichwellennetz. Dann passt es wieder nicht (soll ja auch nicht, der regionalisierte Service wird mit dem nächsten Datenhäppchen vom jeweiligen Modulator rausgefeuert), danach kommt wieder das zusätzliche Phasenreferenzsymbol, das erzwingt den Neustart und das Spiel geht von vorne los. Dieses Vorgehen soll kompatibel mit den Empfängern sein.
Wenn man mehrere regionalisierte Services innerhalb des Muxes hat, platziert man die eleganterweise von der Abfolge ihrer Aussendung her hintereinander. Dann kann man sich die Phasenreferenzsymbole nach jedem einzelnen regionalisierten Service sparen - außer nach dem letztem, vor den nicht regionalisierten Services. Vorteil: ein Phasenreferenzsymbol frisst immer ein komplettes OFDM-Symbol (1/18 der Gesamtdatenmenge), somit kann man ein wenig Platz im Mux sparen, wenn man nur einmal nach allen regionalisierten Services neue Synchronisation erzwingt. Nachteil offenbar (meine Vermutung, muss ich noch abklären): auch wenn die regionalisierten Services gerade nicht regionalisiert sind außer einem von ihnen und dieser nicht der letzte in der Reihe ist, fallen die Sendegebiete der später übertragenen, momentan nicht regionalisierten, aber prinzipiell zur Regionalisierung vorgesehenen Services in Inseln auseinander, da erst nach dem letzten dieser Services das Phasenreferenzsymbol kommt. Da scheint es also einiges an Konfigurationsmöglichkeiten zu geben. Auch die CU-Zuweisung ist tricky, um nicht sinnlos Platz zu vergeuden. Man muss offenbar mit einem vollen OFDM-Symbol abschließen, bevor man das zusätzliche Phasenreferenzsymbol ranhängen kann.
Die im vergangenen Sommer auf dem IEEE-Symposium in Cagliari vorgestellten theoretischen Betrachtungen dazu (ist also kein Geheimnis, ist publiziert) zeigen dann auch, dass die dauerhaft nicht regionalisierten Services sich im Empfang wie innerhalb eines ganz normalen Gleichwellennetzes verhalten, während die regionalisierten Services mit zunehmender Signalstörung beim Empfang (Überlappungsgebiet der Signale zweier Senderstandorte) immer wackliger werden. Was anderes war ja auch nicht zu erwarten.
Wie sich das ganze in der Praxis bewähren wird, dürfte irgendwann in diesem Theater hier zu berichten sein. Dann wird es wohl auch um Fragen gehen wie diese, wie viele regionalisierte Services (und mit welcher Bitrate / wie vielen CU) man hintereinander rausfeuern kann mit abschließendem gemeinsamem Phasenreferenzsymbol, ohne dass die Empfänger den Lock verlieren und kein Gleichwellennetz mehr erkennen (ist zumindest eine Frage, die ich habe).
Bis hierhin mein Fazit: da habe ich vorschnell geurteilt. Man kann offenbar doch auf Datenstrom-Ebene noch ein einer Stelle rettend eingreifen. Könnte interessant werden, so es keine Kompatibilitätsprobleme mit Empfangsgeräten geben sollte.