Das (Radio)volk hat keine Alternative, die Masse verblödet aufgrund des angebotenen Inhalts.
Keine Alternative? Bayern 2 ist z.B. aus meiner Sicht eine Alternative und dürfte auch dem VUT gefallen. Und das durchaus auch mit Rock/Pop, aber nunmal nicht mit den Hits, die alle anderen spielen. Bayern 2 hat in Bayern 3,x Prozent, die Popwellen haben wohl bis 30 Prozent.
Ok, Bayern 2 ist nicht bundesweit auf UKW verfügbar. Es gäbe anderswo aber z.B. WDR 5, es gäbe die Spätabends- und Nachtschiene auf NDR Info oder ganz allgemein die Kulturwellen. Über "Darreichungsform" und redaktionellen Inhalt möchte ich jetzt nicht diskutieren, aber eher handverlesene Pop-Musik findet sich auch durchaus in mancher etwas "gehobenen Welle", bei manchen auch im Tagesprogramm (sehr zum Leidwesen der harten Klassik-Fraktion), z.B. DKultur, Nordwestradio, MDR Kultur. Da kann man dann auch Künstler hören, die der VUT gerne im Radio hören würde: Wolfgang Müller in der Magazinsendung, Felix Meyer als Studiokonzert auf Figaro, Dota im Interview.
Aber die Quoten sagen doch auch da deutlich, was das Radiovolk erwartet: mehrheitlich so etwas nicht. Ist zu anstrengend. Und an einer Stelle stimmt das sogar: es ist nicht wirklich "hintergrund-tauglich". Man kann es nicht nebenbei im Büro laufen lassen, weil es einen von jeder Arbeit ablenken würde (gut so!). Dazu läuft doch das Radio in der Hauptsache. Und dabei ists auch völlig egal, was gespielt wird. Liefe dort die Musik, die der VUT gerne im Radio untergebracht hätte, wäre weder ihm noch den Künstlern geholfen. Es ginge in der Belanglosigkeit unter, in der das quotenstärkste Radio nunmal vor sich hindudelt.
Nicht-Hören ist auch eine Alternative. Mache ich seit einigen Jahren, das funktioniert hervorragend, zumindest bei mir. Die Radio-Nutzungsdauer in Deutschland ist aber soweit ich mich erinnere nicht unbedingt signifikant gesunken in den vergangenen Jahren, im Gegenteil. Vom Angebot des Abschaltens machen also auch nicht allzu viele Gebrauch.
Die Masse scheint also nach wie vor hochzufrieden zu sein mit den bekannten Massenprogrammen. Unzufrieden sind die Kulturmenschen, unzufrieden sind die Kulturschaffenden und ihre Vertreter, die haben ja weitergehende Interessen - und offenbar andere als die Mehrheit der Deutschen.
Gäbe es Programme oberhalb des niedrigsten gemeinsamen Nenners nur lange genug, würde seeehr langfristig auch der gemeinsame Nenner niveauvoller werden.
Ich behaupte: nur, wenn alle, also auch die Privaten, da mitmachen würden. Wenn überhaupt. Es gibt heute weitaus mehr "Fluchtmöglichkeiten" als noch vor 20 Jahren oder gar vor 40 Jahren. Niemand muß Kultur- oder Belehrungsfunk hören, selbst wenn er flächendeckend und ausschließlich angeboten würde. Man muß sich auch nicht mehr heulend und pfeifend abends Seepiraten auf Mittelwelle antun. Streams und personalisierte Dienste könnten sofort einspringen. Zwang funktioniert nicht mehr, heute erst recht nicht. Die Mehrheit würde sich halt einen anderen Weg suchen, das Immergleiche zu konsumieren. Und ändern würde sich mehrheitlich nichts.
Für uns offenbar irgendwie "engagierte" Menschen als "gut gemacht" empfundene Popwellen hätten dann halt 4% Quote und alles andere bliebe, wie es ist.
Was z.B. Musik betrifft - Man kann ja nur mit dem sozialisiert werden, das verfügbar ist.
Verfügbar ist aber so viel und es ändert sich mit den Jahren, mit den Umfeldern, in die man gerät. Oder auch durch innere Prozesse ohne äußeres Zutun. Ich höre heute ja auch nicht mehr die Herbert Roth-Platten meiner Mutter, die ich als 7-jähriger hörte. Ich höre auch nicht mehr die Charts-Hits, die ich wie alle anderen aus meiner Klasse mit 13 Jahren 1987 auf RIAS 2 hörte. Die alten kassetten von 1986 bis 1990 sind noch da - es besteht keinerlei Bedürfnis, da einzutauchen.
Ich höre heute nichtmal mehr den Punk, den ich 1991 auf DT64 im Parocktikum hörte. Gibt es heute nicht mehr? Doch, ich müßte bloß hinter mir in den Plattenschrank greifen und eine Punk- oder Indieplatte rausziehen. Schon könnte ich Schleim-Keim, die Skeptiker, einen schrägen halblegalen Sampler ("life in Paradise") aus ostdeutschen Kellern oder ähnliches hören - ich tu es aber auch nur noch sehr, sehr selten und es hat Kuriositätenwert für mich. Man könnte damit jemanden, der das gar nicht kennt, intellektuell belasten, belästigen oder erfreuen (je nachdem, wen), es ist spannend. Aber das wars dann auch schon. Mein herz spricht das nicht mehr an.
Dafür erfreue ich mich momentan an Dota oder höre mal wieder "The Lark Ascending" von Vaughan Williams in der phantastischen Aufnahme der Academy of St. Martin-in-the-Fields mit Neville Marriner von 1972 aus der längst abgerissenen Kingsway Hall in London. Diese Aufnahme hörte ich einst beim Zappen versehentlich auf DKultur, möglicherweise, als es noch D-Radio Berlin hieß. Mußte dann die
CD dazu haben und kaufte sie Jahre später.
Dazu kommen Fundstücke, die das Radio heute noch bietet. Das Interview mit dem Kirchenmann aus Sachsen, das letzte Woche auf Bayern 2 lief. Die nachträglich beschaffte "Lange Nacht" auf dem DLF über Joseph Schmidt und Richard Tauber, aus der ich 3 CDs basteln werde für meinen Vater und für die Akustikerin des Rundfunks der DDR. Die Dame ist 90, die kann damit sehr was anfangen und hatte die Sendung selbst live teilweise gehört.
Und ich bin jemand ohne echtes Breitband-Internet. Ich kann nichtmal richtig auf Entdeckungsreise gehen, das heute wichtigste Medium Internet habe ich nur 5 GByte im Monat zur Verfügung. Mir bleibt nur die Vermutung, wie unendlich viel mehr da noch wäre. Ich bin mit dem, was ich erreichen kann, schon mehr als voll. Und morgen Abend bin ich in die Philharmonie am Potsdamer Platz eingeladen, "beste Plätze" meinte die 90-jährige Rundfunk-Raumakustikerin, die ich begleiten werde. Schon wieder was neues.
Mein Fazit: ohne die Bereitschaft, den Horizont zu erweitern (das ist wohl die intellektuelle Herangehensweise) oder ohne "Herzöffnung" (so kommt man auch ohne Hirn-Einsatz in wesentlich erfüllendere Umfelder) funktioniert das nicht, und sei das Radio noch so gut. Es bliebe unbeachtet liegen, wie heute schon vieles vorhandene weitgehend unbeachtet liegenbleibt. Ich finde das keinesfalls gut, ich bedauere das, es ist schade vor allem für die vielen Menschen, denen so vieles entgeht. Aber ich sehe es als die Realität an, daß es leider so ist.
Dennoch gäbe es Deine von mir weitgehend sehr geschätzten Beiträge hier im Forum z.B. nicht, hätte es damals (TM) ein ähnliches Angebot wie heute gegeben.
Es gäbe die Beiträge vermutlich wirklich nicht, weil ich mir nicht vorstellen könnte, was Unterhaltungsfunk einst zu leisten in der Lage gewesen ist. Einst, also in der Zeit des Mangels an anderen problemlos verfügbaren Unterhaltungsmedien. Und so bezieht sich das, was ich inzwischen schreibe (das hat sich ja auch gewandelt in den vergangenen 15 Jahren) zunehmend auf die Gefährdung der nicht-Unterhaltungs-Wellen. Die Zeit ist vorangeschritten, es hat sich doch so vieles geändert. Ich würde z.B. tagsüber kein hr 3 hören, bloß weil abends dort Klaus Walter und Volker Rebell senden würden. Ich würde abends vielleicht einschalten und mich leise ärgern, daß es hier läuft und nicht auf der Kulturwelle, wo es klanglich nicht verhunzt wäre. Also kann so etwas gleich auf eine Kulturwelle. Und die gibt es formal ja sogar, sie ist nur inhaltlich bereinigt. Deshalb ist der Protest des VUT sehr gerechtfertigt, er hätte bei entsprechender Veränderung in den Programmen aber nur Minderheiten-Wirkung.
und RadioEins hat gerade hier in Sachsen ne Menge Hörer, die dem heimischen ÖR mit Grausen den Rücken gekehrt haben.
Ist das tatsächlich (noch) so? Habe da kaum Einblicke. Ich selbst habe Radio Eins ja mit Grausen den Rücken gekehrt. Also den wenigen Abendsendungen, die ich einst gerne hörte und die ich als klangliche Katastrophe nicht ertrage. Das Tagesprogramm war nie mein Ding. Und wäre es heute erst recht nicht mehr. Klar, da ist ein Unterschied zu den anderen "Popwellen". Klar, da ist gewiß meßbar mehr Substanz drin. Aber die verjingelte und mit Werbung und Promos verseuchte Darreichung kann ich z.B. nicht ertragen. Ich vermisse absolut nichts, aber ich finde es schade, daß die Sendungen ab 21 Uhr klanglich so zerstört werden. Das haben sie nicht verdient, das haben die Hörer nicht verdient.
Ich hoffe sehr, dass Du mit deiner Einschätzung daneben liegst...
Das hoffe ich eigentlich auch, also, daß ich danebenliege.