AW: Werbeverbot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Von hinten nach vorne...
Wuffi, Du meinst, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist frei? Warum klingelt dann regelmäßig der nette Mann mit dem Ausweis der für mich zuständigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt an meiner Tür und will wissen, ob ich mir nicht doch einen Fernseher zugelegt habe? Warum muß ich dann zahlen, wenn ich ein Radio besitze? Das ist für mich nicht frei, das ist finanziert. Daß es so viele "Schwarzseher" gibt, liegt meiner Meinung nach nur daran, daß es früher keine technische Lösung gab, ihrer Herr zu werden. Die gäbe es inzwischen längst - alles verschlüsseln und Karten an die GEZ-Zahler austeilen. Daß es dabei extrem viele Probleme gäbe (Bestandsschutz für FTA-Receiver, mehrere legale (!) Empfangsstellen im Besitz eines GEZ-Zahlers, ...) steht auf nem anderen Blatt.
Der Vorschlag von Rösselmann hat schon einen gewissen Reiz. Ich bin da aber sehr voreingenommen, da ich keinen TV besitze. Ich wäre sehr wohl bereit (zumindest bei meinem jetzigen finanziellen Status), monatlich 10 Euro für 2-3 Hörfunkprogramme zu bezahlen, die mich konzeptionell und inhaltlich ansprechen. Aber darum gehts ja gar nicht. Soweit kommen wir nicht, ohne das bestehende System komplett auf den Kopf zu stellen. Es beginnt ja schon viel früher: bei der "Staatsferne des Rundfunks". Um diese auf dem Papier zu gewährleisten, gibt es das Konstrukt mit der
KEF überhaupt. Die Angst, deutsche Politik könne sich so wie 1933 wieder der Massenmedien bemächtigen, sitzt halt tief. Dabei gehören letztlich wirklich einflußreiche Medien längst schon denen, die im Fall der Fälle durchaus auch Partei ergreifen würden. Und mit "Staat" haben die nichts zu tun, sondern ausschließlich mit "Kapital". Die Sache ist also nur Augenwischerei.
Aber: ist Rundfunk wirklich "staatsfern", kann er "staatsfern" sein? Bedeutet Rundfunk nicht vor allem Information, Bildung und Kultur, also zutiefst wichtige Komponenten einer jeden zivilisierten Gesellschaft? Sollte es nicht im Interesse eines Staates sein zu gewährleisten, daß diese Komponenten auch tatsächlich in Hörfunk und Fernsehen vorkommen? Wie kann der Staat dies gewährleisten? So, wie derzeit praktiziert, kann er es offenbar nicht, siehe beispielsweise MDR-Hörfunk im anderen Thread.
Ich kann die Antwort nicht geben, denn auch die Parole "werbefrei, ohne GEZ, dafür aus Steuern finanziert" hat ihre Schwachstellen. Was ist, wenn der Staat nicht die Freiheit der Rundfunkkultur fördert, sondern den Rundfunk versklavt, so wie derzeit das Kapital den Rundfunk versklavt? Oder informieren wir uns in ein paar Jahren alle aus Blogs als dann vielleicht einzige noch halbwegs unabhängige Quelle? Dazu müßte man glatt mal eine Tagung mit geladenen Vorträgen organisieren, da habe sich bestimmt genug Gesellschaftswissenschaftler Gedanken zu gemacht...
Ach so, noch was: der Blick auf die Quote bei den ÖR hat nicht notwendigerweise was mit Werbekohle zu tun. Sputnik müßte sich als werbefreies Programm nicht unbedingt am zahlenmäßig starken Mittelmaß (sorry!) orientieren, die haben nichts finanzielles davon. Daß sie es tun, hat aber dennoch etwas mit Existenz zu tun, und zwar mit zugesprochener Existenzberechtigung. Gäbe es auf Sputnik ultraschräges Szeneprogramm für Hausbesetzer, stellte man ihre Existenz wieder in Frage: warum für so wenige Hörer ein ganzes Programm veranstalten? Das gleiche Schicksal trifft regelmäßig jede ARD-Kulturwelle und auch die D-Radios sind von der zahlreich vorgetragenen Klage ("Warum zahle ich für das ganze Gequatsche und die Klassik GEZ? Ich will doch bloß Musik?") auch immer mal wieder betroffen. Du siehst - egal, wie man es macht, man hat immer Leute gegen sich