AW: Bestätigt: hr3 trennt sich von drei altgedienten Moderatoren!
Eine Menge Stoff...
Eigentlich wollte ich mal schnell ne Runde Fahrrad fahren bei dem schönen Wetter, aber das hier muß ich noch eintüten. Obacht, es folgt Text!
Und weiteres Dilemma: Der Reformprozess dauert (schon viel zu lange).
Ich weiß bis heute nicht, wo das Ziel dieser "Reformen" liegen soll, wenn nicht in der faktischen Einstellung des öffentlich-rechtlichen Sendebetriebs. hr 1 und hr 3 versuchen, gemeinsam gegen FFH anzustinken. You FM versucht, an Planet Radio zu kratzen. Da ist man sich nichtmal zu schade, abgehalfterte Privatradio-Schreihälse einzukaufen - allerdings tritt der gewünschte "Erfolg" nicht ein. Das finde ich sehr erstaunlich: die Tatsache, daß You FM mit diesem Programm nicht mehr vom Planet-Kuchen abbeißen kann, ist für mich (ehrlich!) ein großes Radio-Rätsel. Was macht man trotz intellektueller Anpassung an das Null-Level, trotz Leugnung der öffentlich-rechtlichen Herkunft (im Programmnamen taucht kein "hr" auf) immer noch "falsch"?
Ein spannendes Experiment wäre, bekäme Klassik Radio flächendeckende UKW-Versorgung in Hessen. Was täten sie hr 2 an, um darauf zu antworten? Würden sie weiterhin ein kulturell wertvolles, anspruchsvolles Programm für ernsthaft am Zuhören interessierte Menschen produzieren oder stellten sie auf entwortetes Programm mit Fahrstuhlmusik um, mit Verweis auf "Durchhörbarkeit", "Mainstream" und "Mehrheit"? Das wäre der Moment, in dem man erfahren würde, ob "Klassik" wirklich die einzige in Deutschland offiziell anerkannte "Kultur" darstellt oder ob bislang einfach nur der geeignete "Gegner" im Privatfunk-Lager fehlt, um auch den Kulturliebhabern aus der eher mit klassischer Musik assoziierten Lebensrealität zu zeigen, daß sie genauso wenig wert sind wie diejenigen, denen man ihre Grundversorgung bereits heute verweigert. Ich wäre, so böse letzteres auch ist, sehr erfreut über diese konsequent vollzogene Gleichbehandlung. Es gibt Menschen, die behaupten, dies wäre
anderswo längst eingetreten.
Ich bezweifle auch, daß die Kraft zu einer Neupositionierung allein mit Ideen aus den "eigenen Reihen" kommt oder kommen kann. Wer immer nur in einem Sender war, ist betriebsblind und hat Defizite an Erfahrung. Ist einfach (wertfrei) so!
Auch mich erstaunt, im Jahre 2008 immer noch Namen im Zusammenhang mit z.B. hr 3 zu lesen, die ich schon vor 10 oder 15 Jahren las. Für mich ist sicher, daß eine weitgehend unveränderte (Führungs)riege naturgemäß weniger große Sprünge bei der Weiterentwicklung eines Programms zeigen wird, als dies häufiger wechselnde Entscheider täten. Die Frage für mich bleibt aber: wo soll es denn eigentlich hingehen? Ich glaube, _das_ wissen die Oberen beim hr nicht. Sie wollen mehr Hörer oder zumindest einen Stop der Abwanderung, klar. Sie versuchen, dies irgendwie durch Nachahmung der Privatfunker zu erreichen und schaufeln sich damit ihr eigenes Grab. Wenn an dieser vorgegebenen Ausrichtung nichts verändert wird, kann da kommen und gehen wer will - die umzusetzenden Programmelemente (was stört, fliegt raus; nur keinen Hinhörer!; mach alles gleich!) werden zwangsläufig die gleichen sein.
Wenn ich mir Programme wie hr 1 oder hr 3 anhöre, vermisse ich jede Form von Kreativität, von Lust auf Radio, von Liebe zum Radio. Das ist Abspulen eines vorgegebenen Schemas und muß zwangsläufig so sein, wenn man seine eigenen Ideen und Überzeugungen nicht umsetzen darf. Ich kenne das inzwischen aus eigener leidvoller Erfahrung in einer völlig anderen Branche und versuche aus diesem Grund gerade, eine Führungsposition, die nur noch den Weg der Umsetzung von Dingen, die ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann, erlaubt, abzugeben und in eine hintere Reihe zurückzutreten. Das macht die Sache zwar nicht besser, aber da steht dann wenigstens mein Name nicht mehr drauf.
Qualität braucht meiner Meinung nach übrigens keine sprunghaften Änderungen, sondern eine bewußt an die gesellschaftliche Entwicklung angepaßte Programmentwicklung. Themen, die 1990 interessierten, sind heute teils völlig gegessen. Dafür gibt es genug neue Themen, neue Strömungen, neuen Bedarf für Diskussion innerhalb der Gesellschaft. Die Programme haben sich in den vergangenen 15-20 Jahren aber nicht dahingehend entwickelt, diese neuen Themen zu behandeln. Stattdessen behandelt man überhaupt keine Themen mehr und akzeptiert einen dumpfen, dahinsiechenden Verwesungszustand, den sie "Mainstream" nennen und dessen einzige Funktion eine wirtschaftliche ist: berechenbarer Konsum.
Es gibt solche und solche Berater. Aber ein "Berater" sollte normalerweise neue Ideen von aussen einbringen.
Schade, daß die Biotope namens "Redaktion" heute offenbar nicht mehr funktionsfähig sind, wenn nicht ab und an von außen mit Gewalt ein neues Ökosystem draufgedrückt wird. Woran das liegt, wäre meiner Meinung nach zuerst zu klären. Eine Redaktion, die mit dem gesellschaftlichen Wandel Schritt hält, benötigt doch keine Berater, oder übersehe ich da etwas?
Und in der ganz speziellen Situation eines Senders sich zum Beispiel hinsetzen und alle Konkurrenzsender abhören & analysieren, um dann den betreuten Sender neu zu positionieren - MIT einem Alleinstellungsmerkmal.
Wenn dieses Alleinstellungsmerkmal dann "öffentlich-rechtlicher Auftrag" hieße, könnte dies der Berater auf Folie 1 in sein Power Point schreiben, sich jegliches weiteres
Businesskasper-Blabla sparen, die Kohle kassieren und gehen. Dann wäre die Redaktion dran. Aber hier beraten Berater bis in die Ausgestaltung eines Programms hinein und legen als Meßlatte die Privatfunker an (bzw. bekommen von der Führungsriege des öffentlich-rechtlichen gleich vorgegeben, dies so tun zu müssen). Damit wird auch das ehemals standhafteste öffentlich-rechtliche Programm seines wirklich einzigen Alleinstellungsmerkmals beraubt und mutiert zu einem unter vielen, denn alle anderen Programme können sich kopieren wie sie wollen, können sich zu unterscheiden versuchen wie sie wollen, sie können nur eins nicht: öffentlich-rechtlich sein und einen gesellschaftlichen Auftrag haben. Dazu fehlt ihnen aus prinzipiellen Gründen eine Voraussetzung. Die hat der öffentlich-rechtliche. Wenn er sie nicht nutzt, wird er zum gebührenfinanzierten Privaten und muß sich mit dessen Mitteln behaupten und an dessen Währung messen lassen. Der hr zumindest scheitert auf 3 Wellen bei diesem Versuch. Er sollte es bleiben lassen.
Noch einmal: das Ziel ist falsch und gesellschaftlich verwerflich. Damit erübrigt sich jeder Versuch, das, was folgt, zu rechtfertigen und mit welchen Mitteln auch immer irgendwie "erfolgreich" zu gestalten.
powerpoint allein ist Quatsch, ein guter Berater wird es auch mit Herzblut (was ihm ja hier kollektiv anscheinend abgesprochen wird...?) machen. Allerdings: Von dieser Sorte gibt es wenig.
Mensch, das paßt doch nicht! Nenne mir einen Privatfunker, der seine Leute noch mit Herzblut rangehen läßt! Privatfunk ist freie Wirtschaft, da gibt es nur einen Auftrag: wirtschaftlich sein und maximalen Gewinn abwerfen, und koste es alles, was ein gutes Programm mit Herzblut ausmacht. Seitdem der Privatfunk Geld verdienen muß, ist da genauso viel Herzblut drin wie in einer Abdeckerei (nee, stimmt nicht, da fließt bestimmt viel Herzblut), in einer Schrottgroßhandlung oder im Gewerbe der Prostitution: Ficken ja, Liebe nein.
Die Zeiten der "Grenzwellen" auf FFN sind ebenso vorbei wie die Zeiten von HotFM aus Hof, der "Schallmauer" auf SAW oder den Kapriolen eines Thomas Wetzel auf Radio Top40. Was soll daran ein Berater ändern, wenn ihm zur Aufgabe gemacht wird, den Gewinn eines Programms zu maximieren?
Kunst und Kultur lassen sich nicht vereinbaren mit "Gewinn". Sie kosten bloß Geld, denn von warmen Worten allein ernährt sich kein Mensch. Dieser Widerspruch ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst und er läßt sich nur dann begreifen und lösen, wenn man akzeptiert, daß Kunst und Kultur eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe haben, die nur beim oberflächlichen Hinschauen eine ausschließlich geldverbrennende ist. Mittel- und langfristig führt eine in allen Aspekten gewinnmaximierte Gesellschaft geradewegs in die Verrohung, die Verdummung und folglich zuerst in Stillstand und anschließend in Gewalt und Zerstörung. Diese Erkenntnis ist so alt, wie die Menschen in der Lage waren, der Nachwelt schriftliche Überlieferungen zu hinterlassen.
Dann wäre zu beachten: Hier wird kontrovers diskutiert.
Einigen geht es um Musik und zudem dann noch deren Ausrichtung (Musikfarbe). Anderen geht es um (redaktionelle, journalistische) Inhalte. Das unter einen Hut zu bekommen, ist schwierig.
Ich für meinen Teil kann das trennen zwischen Privatfunk und öffentlich-rechtlich. Ich stehe dazu, das nahezu wortfreie Programm von Radio Top 40 bis Sommer 2008 geliebt zu haben - als witzig und menschlich moderiertes, erfrischend anderes Musikprogramm. Wer mit dieser Musik nichts anfangen konnte, der konnte mit dem ganzen Programm nichts anfangen. Journalistischen Anspruch gab es da nie. Den gibt es auch jetzt nicht, es haben sich nur Musik und Geisteshaltung (man ist nun unfrei und verkörpert on air spürbar nicht seine eigenen Vorlieben) geändert - und ich lehne das neue Format ab.
Im Falle einer öffentlich-rechtlichen Anstalt erwarte ich mehr als nur Musik. Ich erwarte die zumindest partielle Berücksichtigung und Befriedigung meiner kulturellen und geistigen Ansprüche. Dazu gehört auch Wort - sei es in von Redakteuren verantworteten und kompetent mdoerierten Musikschienen, sei es in Sendungen, in denen das Wort im Vordergrund steht. Auch da kommt es mir dann nicht nur auf das Wort an, sondern auf das Gesamtumfeld. Wenn dies nicht stimmt, wird das Programm für mich unverdaulich. Ein Beispiel: man könnte das spannendste Thema für mich entwerten, reicherte man es mit den aktuellen "Hits" von Pink und Konsorten an. Weil: "So what?" und "I kissed a girl" hören auch die, mit denen ich vom intellektuellen Anspruch inkompatibel bin und von denen ich weiß, daß sie mit mir ("zu kompliziert") und ich mit ihnen ("zu platt") nichts anfangen kann.
Da müssen wir uns doch nichts vermeintlich politisch-korrektes vormachen: es gibt innerhalb einer jeden Gesellschaft unterschiedlich intelligente, unterschiedlich anspruchsvolle Menschen und innerhalb jeden "Anspruchs-Levels" völlig unterschiedliche Lebensrealitäten. Das ist so. Das muß man auch nicht werten. Da können die jeweiligen Vertreter der unterschiedlichen Gruppen auch nichts dafür. Wenn man diese Realität freilich leugnen muß, weil nicht angesprochen werden darf, was real ist, kommen wir zu solchen Zuständen wie dem, in dem sich weitgehend der öffentlich-rechtliche Rundfunk befindet.
Ich habe mal ein "Führungskräfte-Seminar" über mir ergehen lassen müssen, in dem mir verdeutlicht werden sollte, daß ich nicht "
lesbische schwarze Behinderte" sagen darf (oder so ähnlich). Es ging um Formulierungen in Arbeitszeugnissen, um Einstellungspolitik und teils um den bizarrsten Schwachsinn. Ich hatte Mühe, ruhig sitzenzubleiben bei all dieser geheuchelten austauschbaren Beliebigkeit, die da zum Maßstab erhoben wurde.
Spätestens seit diesen verschwendeten 90 Minuten Lebenszeit ist mir klar, daß diese Gesellschaft an verhätschelnder Gleichmacherei sterben wird. Aber wenn alle im Bus hinten auf der Lümmelbank sitzen, Bier trinken, rülpsen und Graffities an die Wände schmieren wollen, wer sitzt dann vorne und fährt den Bus? Und muß der, der es tut, sich dafür schämen, weil er "anders" als die sogenannte "Mehrheit" ist? Werden sie den Fahrer irgendwann aufgrund seiner klar erkennbaren Minderheit abwickeln, durch eine weitere Person auf der Lümmelbank ersetzen und sich dann wundern, daß der Bus nicht mehr fährt? Genau so funktioniert dieses Land, genau so arbeitet bereits heute weitgehend der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Nein, dafür fehlt mir weiterhin jegliches Verständnis.
Damals wurde hr 1 hingerichtet. Eine sehr überlegte Äusserung, radiowaves? Auch wenn ich die bisherigen postings durchaus schätze. Aber das ist Quatsch. Um "Der Tag" wurde erfolgreich "gekämpft" und es gibt ihn noch.
Sehr überlegt? Nein. Das ist eine schnell hingeschriebene launische Äußerung. Mehr Zeit halte ich da auch für fehlinvestiert.
hr 1 war mehr als "Der Tag". hr 1 war auch "Schwarzweiss" und allgemein eine völlig andere Art, Radio zu machen, mit einer völlig anderen Zielgruppe, mit einer völlig anderen Geisteshaltung. Das hr 1 von heute ist ein Umfeld, in dem mir übel wird, das ich schleunigst verlassen muß. Vielen ehemaligen hr 1-Hörern geht es genauso. Das wäre kein Problem, wenn es eine Alternative gäbe, die am gleichen Ort genauso gut zu empfangen ist. Gibt es aber nicht. Man hat mit hr 1 ein weiteres Programm für eine bereits mehrfach überversorgte Bevölkerungsschicht geschaffen und läßt dafür andere wichtige Bevölkerungsschichten unversorgt und unbefriedigt zurück. Zahlen dürfen sie freilich weiterhin - mit dem zynischen Hinweis, dies erfolge freilich zur Sicherstellung ihrer eigenen Versorgung mit qualitativ hochwertigen Programmen. Das Problem mit den nun Unversorgten ist: sie gehören zu den Teilen der Bevölkerung, die zu tiefgreifenderen geistigen Prozessen in der Lage sind, die den Trickbetrug erkennen, die sich artikulieren können und die deshalb sehr präzise den Finger in die Wunde legen. Immer und immer wieder. Ich glaube, das sind die, auf die man in Intendanzen und Programmdirektionen den größten Hass hat.
Wenn jetzt -endlich- hr1 als erste Welle mal auf dem Kurs zunehmender Zahlen ist, dann eigentlich nur wegen der recht gelungenen Musikpositionierung.
Ach, die Inhalte und die Art ihrer Darbietung werden durchaus für gewisse, nicht unerhebliche Bevölkerungsschichten sehr angenehm sein. Das will ich keinesfalls leugnen. Und darüber, ob es zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehört, diese Bedürfnisse zu befriedigen, statt die Menschen bereit zu machen für "höheres", mag ich an dieser Stelle keine Diskussion anzetteln. Sonst scheitert heute nicht nur die Radtour über die Müggelberge, sondern auch noch der Saunabesuch.
Aber ich will an dieser Stelle anmerken, daß die hier geführte Grundsatzdiskussion, ob Rundfunk nur bereits bestehende Bedürfnisse befriedigen oder doch besser neue, "höhere" Bedürfnisse schaffen sollte, keinesfalls neu ist. Die ist so alt wie der Rundfunk selbst. Schon Arnold Schönberg hat seinerzeit dem noch sehr jungen Rundfunk wichtige Gedanken mit auf den Weg gegeben. Leider liegt mir der historische Mitschnitt nicht in voller Länge vor, allerdings sind Auszüge daraus in einer kleinen Produktion zu hören, die 1993 (!) auf DS Kultur lief und die die damalige Berliner Privatradioszene als Kontrast zu Schönbergs Äußerungen verwendet.
Bitteschön, hier abbeißen.
Nur: Format und Stundenuhr wiedersprechen nicht redaktionellen Inhalten - diese sollten nur anders präsentiert und verpackt werden.
Wenn das aber in einem Umfeld geschieht, das sich so anhört wie
dieses Beispiel von hr 1, dann ist doch klar, daß man da sich überhaupt nicht die Mühe machen muß, Inhalte zu verpacken. Und wäre es das frischeste Gemüse oder der leckerste Fisch, ich würde ihn nicht essen, wenn er im Laden in eine seit 4 Wochen getragene Unterhose gewickelt worden wäre.
Sorry, für wen machen die da Radio? Welcher halbwegs erwachsene Mensch mit vielleicht weitgehend zugeplantem Tag kann es sich leisten, soviel dümmlichen Unrat eingeflößt zu bekommen? Da bekommt der Begriff "Fremdschämen" eine völlig neue Dimension.
Es folgt Teil 2...