Zitat Lemmer: "Wie auch immer – jeder, der in München zur Schule ging, hat vermutlich einmal das ehemalige KZ Dachau besucht, auch da steht “Arbeit macht frei” an der geschmiedeten Eingangspforte."
Wir haben in den 80ern auch einen Klassenausflug zum KZ Dachau gemacht. Weiß noch wie unser damals recht junger und beliebter und akzeptierter Klassenlehrer sagte, "wenn einer von euch irgendwelche blöden Witze reißt, kriegt er von mir persönlich eine geknallt! Und dann könnt ihr von mir aus zu euren Eltern rennen und euch beschweren - ist mir egal!" Cooler Lehrer!
Bei mir selbst hatte der KZ-Besuch im Jugendalter echte Betroffenheit ausgelöst, und ich glaube keinem meiner Mitschülerinnen/Mitschüler war anschließend auf der Busheimreise noch auch nur annähernd zum Witzereißen zumute. Unsere Empathie war echt. Wir waren damals noch so. Das Smartphone war noch nicht erfunden, und junge Menschen beschäftigten sich noch ganz direkt mit ihresgleichen.
Vermutlich war auf dem ehemaligen KZ-Gelände kurz vor unserem Besuch irgend ein Tier verendet. Auf jeden Fall roch es auf einem Teil Geländes penetrant nach Verwesung, was den bleibenden, für uns alle äußerst bedrückenden, Eindruck noch verstärkt hatte.
Der Eindruck wirkt bis heute nach, und dennoch liebe ich es mich über verlogene sogenannte "Political Correctness" lustig zu machen, die meiner Beobachtung gerade von Leuten mit übergroßem Eifer praktiziert wird, denen es wirtschaftlich besonders gut geht (vielleicht weil sie für Schlachthofmassaker-Produkte Fernsehwerbung machen oder sogar eine eigene Talkshow haben). Die politisch korrekte Supermoral scheint mir vor allem das Tüpfelchen auf dem i zu sein für Leute, die ansonsten schon alles haben. Die Straßensprache ist jedenfalls eine völlig andere.
Natürlich war es dämlich von der Moderatorin den im Ursprung im äußersten Maße zynischen, menschenverachtenden Nazi-Slogan "Arbeit macht frei!" on air zu verwenden. Andererseits haben wir letzteren in der Schule und später jahre-/jahrzehntelang im Fernsehen dermaßen oft um die Ohren gehauen bekommen, dass er ungewollt längst zu einer Art "geflügeltem Wort avanciert" ist und zumindest meiner Generation entsprechend weit vorne auf der Zungenspitze liegt. Die Moderatorin dürfte also Opfer der Arbeitsweise ihres Gehirns geworden sein (was mir bekannte Radio-Moderatorinnen allerdings sämtlich durch stets dankbar aufgegriffene augenscheinlichere Attribute wieder auszugleichen in der Lage waren).
Ein scharfer Verweis hätte es meiner Auffassung nach auch getan:
"Noch so´n Ding - Wirsing!"
Zitat Lemmer: "Viel spannender finde ich eh die Frage, woran es liegt, dass dieser Hitler einfach nicht totzukriegen ist und periodisch immer mal wieder öffentliche Konjunktur hat."
In der Tat macht sich ein durch eine Satiresendung namens Extra3 erst richtig populär gewordener Nazi-Barde in einem seiner einfach gestrickten Lieder, in welchem er seiner Verehrung für den Massenmörder Adolf Hitler in verniedlichender Art Ausdruck verleiht, darüber lustig, dass heute immer noch jedes Kind den Geburtstag von Adolf Hitler weiß. Ich weiß ihn auch noch: Hitler hatte am 20. April. Hingegen habe ich keinen Schimmer, wann unsere Bundeskanzlerin Geburtstag hat. Bedenklich.
Als Harald Schmidt mit diesem Oliver Pocher einstmals Sendung machen musste, kam ein gewisses Gag-Requisit namens "Nazometer" zum Einsatz. Glaube Schmidt gab zu diesem Zeitpunkt den offiziellen Startschuss: Ab sofort ist Naziwitzemachen erlaubt, ihr mutigen Medienmacher mit ganz dicken Eiern in der Hose! Aber (von Schmidt abgesehen) erlaubt nur auf eine ganz bestimmte lineare Art und Weise, bei welcher die Pointe von Beginn an zu erkennen, also immer irgendwie gleich, sein muss!
Vielleicht wird dieses ungeschriebene Gesetz in zehn Jahren oder so abermals gelockert, und man darf dann tiefgründigere Naziwitze mit doppeltem Boden, unerwarteter Wendung usw. produzieren, sich also dem britischen Humor annähern, was momentan in Deutschland immer noch nur an der Oberfläche denkbar ist. (Keine Angst, die vorwiegend jungen Zuschauer in den Arenen lachen trotzdem - weil ihnen jemand gesagt hat, dass es hip ist.)
Das o.g. Nazometer schlug automatisch Alarm, sobald entsprechende bedenkliche Begriffe geäußert wurden. "Autobahn" und so ein Zeug. Prima Satire. Super, Schmidt! Als der Pubertätswitze-Depp Pocher dann aber sozusagen zum Test gleich mal ein zünftiges
"Gasofen" Richtung Nazometer schmetterte (vom innerlich kreidebleich gewordenen Schmidt geflissentlich überhört), passierte von oberster Stelle aus nix, soweit ich weiß. Keiner hatte Pocher vom Dienst suspendiert. Im Gegenteil: Er durfte später sogar diese extrem scharfe, von Boris Becker abgelegte, da nicht ausreichend pigmentierte, Blondine heiraten, dieser Mistkerl, dieser ex-wachturmverteilende!
Glaube diese Hitler-Parodien erfreuen sich bei witzig Aktiven auch darum so großer Beliebtheit, weil Hitler nun mal eine Ikone des Bösen ist. Es genügen minimalistische Requisiten bzw. Attribute, und jeder weiß wer gemeint ist. Es macht auch mir ab und zu schon mal
Kraft durch Freude im privaten Bereich mit dem linken Zeigefinger einen Schnauzbart anzudeuten und im selben Augenblick zackig die rechte Handinnenfläche vorzuzeigen und auf Hitler-Art dann eine hitler-untypische Handlung zu vollführen und zu kommentieren. Hitler-Speech habe ich mir zwischenzeitlich also auch angeeignet. Probeaufnahmen klangen beängstigend real & besessen. (Und das obwohl ich doch überzeugter Demokrat bin.)
Seien wir ehrlich (aber ich spreche da ganz für mich): Der Humor in Deutschland ist heute, Political Correctness sei Dank, genauso steif wie die Waschmittel- oder Gardinenwerbung in den 70ern! Glaube selbst unsere Eltern waren da noch lockerer drauf als wir heute. Wir sind nur noch da locker wo es uns von Arbeitgeberseite her erlaubt wird.
Gesellschaftlich herrscht heute so eine sonderbare, nicht wirklich greifbare, Mischung aus systematischer, politische gewollter, allgemeiner Menschenverachtung und dem gleichzeitigen Trend zur Verniedlichung in allen Lebenslagen vor. In manchen Dingen wird man fahrradhelmartig überbetüdelt, andere, sehr viel augenfälligere Missstände werden ignoriert - und alle scheinen damit einverstanden. Korrupt sein oder untergehen! Insbesondere denke ich da auch an den Umgang im Allgemeinen mit Mitarbeitern in größeren Unternehmen aller Art.
Könnte mir diesbezüglich auch gut vorstellen, dass sich hochmoralisch gebende Vorgesetzte, die leichtfertig Mitarbeiter wegen einmaliger Ausrutscher fristlos die Zusammenarbeit kündigen, selbst gewiefte Anwälte beschäftigen, deren Aufgabe es vornehmlich ist, Arbeitsverträge auszuarbeiten, die geltendes Arbeitsrecht im Regelfall bestenfalls den Buchstaben nach Folge leisten - und nicht etwa der eigentlichen Intention nach, so dass Auszubildende und sogenannte Praktikantinnen/Praktikanten entgegen ihres eigentlichen Daseinszwecks vorrangig als Billiglohn-Arbeitskräfte eingesetzt werden können - jedenfalls solange der Gesetzgeber noch immer keinen Riegel davorgeschoben hat. Nach wie vor das übliche Vorgehen. Moral & Sitte wurden längst ersetzt durch das clevere Ausnützen von Gesetzeslücken. Tolle Vorbilder für die Jugend seid ihr - ihr politisch über alle Maßen korrekten Vorgesetzten!
Für mich (und bestimmt nur für mich allein!) riecht ein solches berechnendes Verhalten von Arbeitgeberseite her jedenfalls ausgeprägter nach einer stets weit von sich gewiesenen Menschenverachtung als beispielsweise der ausgesprochen taktlose aber immerhin nur einmalige Ausrutscher einer kleinen Radiomoderatorin.
Zitat Lemmer: "Und aktuell haben sich NDR und Die Welt damit hervorgetan, die Ruderin Nadja Drygalla fast schon gewaltsam zur Nazi-Braut zu erheben."
Sie ist ja dann auch ganz schnell zurückgerudert!
Was die Olympia-Ruderin angeht, stehe ich vielleicht ebenfalls mit meiner Meinung alleine da: Aber ich finde, dass es uns weder gefallen muss noch dass es uns überhaupt auch nur irgend etwas angeht, an wen auch immer eine junge Frau ihr Herz verschenkt!
Meine 50 Reichsmark ....