Würde eine ähnliche Kette in Niedersachsen, Thüringen oder Rheinland-Pfalz ausgeschrieben werden, wären die Reaktionen nicht annähernd kontrovers.
Worum geht es denn? - Doch darum, dass derjenige, der gerne etwas mehr Abwechslung im Radio haben möchte, sie in Nordrhein-Westfalen nicht geboten bekommt. Daher wird dieser Ausschreibung eine riesige Bedeutung beigemessen, die auch noch dadurch verstärkt wird, dass in den Ballungsräumen an Rhein & Ruhr nach Vergabe der Kette so gut wie keine brauchbaren Frequenzen mehr koordinierbar sind.
Im Hinblick auf die Beteiligungsverhältnisse an den privaten Hörfunksendern ist die Lage in der Mehrheit der anderen Bundesländer auch nicht unbedingt besser: In Schleswig-Holstein, Niedersachen, Thüringen oder Hessen gibt es drei Ketten hinter denen ebenso die großen Presseverlage und Rundfunkbeteiligungsgesellschaften stehen; "mittelgute" Frequenzen gehen i.d.R. an NRJ oder die Radio Group und der Schrott, der dann noch übrig bleibt, wird unter Klassik Radio, Radio Teddy oder Metropol FM aufgeteilt, mit viel Glück erhält vielleicht ein Anbieter wie FluxFM oder egoFM den Zuschlag.
Konzernunabhängiger Privatfunk existiert bis auf die wenigen Lokalsender in Niedersachsen also auch dort nicht.
Nur: Es fällt halt nicht so sehr auf, da die großen Networks mit Programmen wie bspw. Delta Radio, Radio21 oder Harmony FM wenigstens etwas Abwechslung zum Einheitsbrei auf den Hauptprogrammen bieten.
Bevor jetzt der Einwand kommt: "Es gibt ja WDR 5, Funkhaus Europa und den DLF. Damit ist das Angebot in NRW noch verhältnismäßig anspruchsvoll." - Ja, die gibt es und die liefern in der Tat anspruchsvolle Inhalte, aber nicht nur ich vermisse Unterhaltungsprogramme, die sich abseits des Mainstreams bewegen, wie die in meinem letzten Beitrag genannten.
Meiner Meinung nach werden bei der Diskussion (wenn auch aus durchaus nachvollziehbaren Gründen) die falschen Prioritäten gesetzt.
Wer die zweite Kette bekommt, ist verhältnismäßig unwichtig im Unterschied zur Frage, wie sich das Land zum Thema DAB+ positioniert.
Selbst wenn jemand diesen Übertragunsstandard rundweg ablehnt, wird er dennoch nicht leugnen können, dass ohne eine grundlegende Reform des hiesigen Rundfunksystems, spricht eine Zusammenlegung einzelner Lokalfunksender zu einer oder mehreren Ketten, die dann auf leistungsstärkeren Frequenzen ausgestrahlt werden, so dass zusätzliche Frequenzen für weitere Programme freiwerden würden, auf UKW einfach nichts mehr geht. Eine FM-Zerobase, d.h. eine Neuordnung bestehender Frequenzen, allein genügt in NRW nicht.
Solche substantiellen Änderungen wird es aber nur dann geben, wenn das System tatsächlich so unrentabel geworden ist, dass die Verleger ernsthaft einen Rückzug aus den BGs in Erwägung ziehen.
Daher bleibt als einzige Option DAB+: Nur auf diesem Wege kann es in Nordrhein-Westfalen eine größere Programmvielfalt geben, die auch mobil zugänglich ist.