AW: Piratenempfang auf 95,7 MHz in Würzburg?
Es gibt mehrere Ursachen für Überreichweitenempfänge. Die wichtigsten davon sind: Troposphärische Überreichweiten und Ionosphärische Überreichweiten.
Bei troposphärischen Überreichweiten werden die Funkwellen durch Temperatur- und Feuchtesprünge in der Athmosphäre gebrochen. Man kann sich das in etwa so vorstellen, wie die berühmte Lichtbrechung an der Wasseroberfläche, wo es ja einen plötzlichen Dichtesprung gibt. Jeder kennt ja das Experiment mit dem Stab, der ins Wasser gehalten wird und der an der Eintauchstelle einen Knick zu haben scheint.
Diese Überreichweiten treten besonders gerne bei Inversionswetterlagen auf (oben warm, unten kalt), die vornehmlich im Herbst und Frühwinter auftreten. Dann kann es über mehrere Stunden, ja sogar Tage hinweg einen stabilen Empfang von Sendern geben, die hinter dem eigentlichen Funkhorizont liegen. Ein ähnliches Phänomen im optischen Bereich ist übrigens die berühmte Fata Morgana (wenngleich sie etwas anders entsteht). Typischerweise hört man dann Sender aus etwa 400-1000km Entfernung, wie gesagt stabil. Diese Überreichweiten treten auch auf höheren Frequenzen aus, bspsw. in den TV-Bändern. Somit ist diese Form der Überreichweite auch bei DAB problemlos möglich. Ich selbst habe hier an der Westgrenze Deutschlands schon DAB-Pakete aus Großbritannien empfangen.
Bei ionosphärischen Reichweiten, dem sogenannten "Sporadic-E" bildet sich eben, der Name sagt es, sporadisch und von zeitlich begrenzter Dauer eine Wolke von ionisierten Teilchen, welche die Funkwellen, die sich sonst ins Weltall verlieren, zurück reflektiert. Man erlebt dann auf den höheren Frequenzen quasi kurzwellenartige Bedingungen. Da diese Wolken (die aber nicht sichtbar sind) oft schnell wandern und instabil sind, schwankt der Empfang sehr stark. Man spricht dann von Fading. Typischerweise werden Stationen über eine Entfernung von 1000-2500km empfangen. In Deutschland empfängt man also auf diesem Wege häufig Stationen aus dem Mittelmeerraum, aus Südeuropa wie aus Nordafrika (so z.B. heute). Aber auch aus anderen Richtungen, aus Skandinavien, Irland oder Osteuropa sind Empfänge möglich.
Selten ist der Empfang so stabil, dass sich ein Programm über einen längeren Zeitraum verfolgen lässt. Dafür sind die Signale für einen kurzen Moment durchaus so stark, dass auch der Empfang von Ortssendern gestört werden kann. Sehr häufig traten diese Überreichweiten auch im TV-Band I auf, wo früher in Teilen der Republik das erste Fernsehprogramm übertragen wurde (z.b. im Bereich der Sender Ochsenkopf, Raichberg oder Grünten). Es gab dann bei entsprechenden Situationen Hinweise auf den gestörten TV-Empfang. Selten steigt die höchst nutzbare Frequenz bei ionosphärischen Überreichweiten über das CCIR-Band II an, also über 108MHz hinaus. Heute nachmittag war dies allerdings so. Da war zumindest theoretisch auf den unteren DAB-Kanälen Überreichweitenempfang möglich. Aktuelle Logs sind mir aber nicht bekannt, da diese Kanäle noch sehr wenig genutzt werden.