AW: Aircheck bzw. Streamcheck für (Web-)Moderatoren
Hallo Lady Jessie,
Da Formate und Musikstile hier nicht im Vordergrund stehen, muss ich bei der Bewertung akzeptieren, dass euer Radio ein Community-Chat-Radio ist und wer nicht dabei ist, bleibt eben draußen. Das soll hier nicht kritisiert werden.
Betrachtet man diese Aufgabenstellung, dann muss ich sagen: Gut gemacht.
Du hast den Job souverän erledigt. Besonders hervorzuheben ist, dass Du - im Gegensatz zu anderen Moderatoren bei verschiedenen Stationen - die Kommentierung des Chats nicht vollständig in die Songs legst, sondern ins Outro oder dazwischen. Na gut, immer gelingt Dir das nicht, besonders in den letzten 30 Minuten hast Du Dich zum unqualifizierten reinquasseln hinreißen lassen.
Ansonsten aber: Das war durchaus erträgliches und geschickt präsentiertes Chat-Radio.
Deine Stimme ist gut und klingt auf Anhieb angenehm. Leider nutzt Du sie nur recht einseitig, Du spielst nicht damit. Meiner Ansicht nach hast Du mehr Potenzial, aber diese eine Stimmlage ohne Variation ist auf Dauer etwas ermüdend - genau so ermüdend wie der nicht variierende Takt und das einheitliche Tempo der Musik. Irgendwann hört man nicht mehr hin, weil keine Abwechslung da ist.
Du setzt keine Akzente - schade, Dir würde ich es zutrauen.
Technisch habe ich nur einen einzigen und winzig kleinen Kritikpunkt:
Kannst Du Dein Mikrofon um einen nullkommawenig dez herunterdrehen?
Du fährst den Pegel so hart am Limit(er), dass sich der Rechner überlegt, ob er nun clippen soll oder gerade so noch nicht. Im Zweifelsfall rundet er großzügig auf und dann sind da feine Spitzen, die den Klang Deiner Stimme stellenweise... ja, nicht versauen, aber.... okay, man muss genau hin hören, aber ich schrieb ja: nullkommawenig. Dann wäre es TOP.
In der Moderation / Präsentation gibt es eigentlich auch nur einen Punkt, der mir wirklich aufgefallen ist: Deine Begrüßung.
Nach dem (urheberrechtlich bedenklichen) Intro spielst Du ein 6:05" langes, gesungenes Lied, das Du komplett zur Begrüßung nutzt - mit Pausen dazwischen, die teilweise > 10" sind. Später in der Sendung hingegen hast Du nicht so moderiert.
Marions Instrumental-Tipp schließe ich mich da an (hast Du ja auch zur Verabschiedung genutzt). Besser noch: Intro, knackige Ansage und Vorstellung, erstes Lied und danach labern. Sechs Minuten Begrüßung sind einfach zu viel.
Jetzt spreche ich noch einige einzelne Punkte an, die Du aber bitte nicht überbewerten möchtest. Es sind wirklich nur
Details. Ich schreibe sie nur deshalb, weil ich vermute, dass Du sie so weder vom Team noch von den Hörern gesagt bekommst.
- Man kann jemandem ein Schnippchen schlagen, aber kein Schnäppchen. Schnäppchen macht man beim Einkauf.
- Vorsicht vor Überbetonungs-Fallen: "auf|lé|gèn" war so eine.
Ich glaube kaum, dass Dir der Schnabel so spitz gewachsen ist.
- Man merkt Dir an, wenn Du unkonzentriert wirst. Dann sinkt Dein Niveau auf Rummelplatz-Moderation. Die klassischen Plattitüden wie "ab geht's" tauchen bei Dir zwar nur selten auf, aber man erkennt sofort ein abweichen vom gewohnten Moderationsstil.
- Genau in dieser "Rummelplatz-Phase" ändert sich auch Dein Sprechstil und die Atmung. Plötzlich sprichst Du gepresst, als ob jemand auf Deinem Brustkorb steht und Du die Moderation mit aller Gewalt rauszwingen musst. Zusammen mit dem "ab geht's" ist das nicht schön. Die gesamte bisherige Lockerheit ist mit einem Schlag weg.
Diese Brüche habe ich mehrmals bemerkt. Nur - warum? Entweder hast Du Dich vorher verstellt und bist mangels Konzentration in ein mirdochegal-Schema verfallen oder Du hast Dich ablenken lassen und wusstest plötzlich nicht mehr, was zu sagen ist.
- Ramptalks sind nicht Deine Welt. Zwar hast Du die Titel überwiegend in Ruhe gelassen und die Chat-Kommentare in die Outros gelegt (das mit den Outros fand ich übrigens richtig gut), aber wenn Du einen Titel so anmoderiert hast, dass man eine Ramptalk erwarten konnte, ging sie daneben. Schade.
Beim aktuellen Sender, wo es eh nicht drauf ankommt, wird das niemanden stören, aber wenn Du Dich mal umorientieren möchtest und man legt dort Wert auf saubere Ramptalks, bekommst Du ein Problem.
- Noch mal etwas aus dem Bereich Formulierung: "Der [Interpret] hat jemanden gefeatured".
Hmmmm..... ob das die korrekte Auslegung des Begriffes "feat." im Interpretennamen ist?
Ich habe mir zwar noch ein paar andere Dinge notiert, die haben aber nicht unmittelbar was mit Deiner Moderation zu tun, sondern mehr mit dem Radio.
Nochmals: Die hier aufgelisteten Punkte sind - ganz ausdrücklich! -
Details. Eine
Watschn sähe bei mir deutlich anders aus.
Mein Fazit: Klare Stimme trifft auf saubere Technik ("sauber ist aber nicht rein" - wissen wir aus der Werbung
).
Insgesamt bewerte ich den Auftritt als "gut".
Wenn Du wolltest, könntest Du noch mehr aus Dir rausholen und mit ein bisschen Übung richtig tolle Moderationen auch außerhalb der Chat-Schiene bringen. Aktuell würde das aber nichts nützen, weil weder Deine Hörer noch Dein Radio-Umfeld das angemessen zu würdigen wüssten.
In einem anderen Umfeld mit nur leicht verbesserten moderativen Qualitäten hätte ich mich vielleicht zu einem "sehr gut" hinreißen lassen. Das Potenzial dazu sehe ich. Es wartet nur noch darauf, abgerufen und richtig eingesetzt zu werden.
Gruß, Uli