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Diktatur der großen Plattenlabels oder Diktatur per Gesetz - wo ist da der große Unterschied ?Radio Regenbogen schrieb:Keine Musikdiktatur für´s Radio!
Diktatur der großen Plattenlabels oder Diktatur per Gesetz - wo ist da der große Unterschied ?
Das Argument ist nicht von der Hand zu weisen !Sonst kommt hier gleich wieder einer mit dem Holzmichl...
Warum sperren sich also Radiosender, Maffay, Mey & Co. einzusetzen, obwohl jene volle Häuser und eine (noch) breite Fanbase haben? Hier drängt sich der Verdacht auf, dass von den Verantwortlichen beim Radio nicht einmal jene deutsch singenden Künstler ins Programm genommen werden wollen, die auf ein großes Publikum verweisen können, aber sonst "kein gesondertes Interesse" mehr wecken (Bitte? ), geschweige denn aufstrebende Künstler, deren Existenz geleugnet oder bisheriger Nichterfolg dem Unvermögen der Plattenfirmen, langfristig Künstler aufzubauen, zugeschrieben wird. Dass hier die Bremse eindeutig bei jenen liegt, die "prinzipiell keine deutschen Titel" (welches Prinzip liegt dem eigentlich zugrunde?) einsetzen wollen, liegt klar auf der Hand.keek schrieb:Das mit der Relevanz meinte ich in bezug darauf, dass Mey, Maffay und Co natürlich noch viele Platten verkaufen, weil sie noch eine breite Fanbase haben.
Ich trete nur ein gegen den Irrglauben, Qualität setze sich heute noch durch, wenn sich bei deutschsprachigen Neuerscheinungen die Schranke im Radio dank Research und Geschmackspapsttum automatisch schließt.
Warum eigentlich nicht? Wenn die Plattform vorhanden ist, kann sich Qualität auch durchsetzen. Ich gebe zu, hier haben wir das Dilemma: Wir wollen uns nicht per Gesetz vorschreiben lassen, wie unser Programm auszusehen hat und wissen gleichzeitig, dass ohne Quote oben genannte Künstler benachteiligt werden. Eine Tatsache, die nicht einmal die primären Interessen des Radios berührt. Es kämpft um andere Quoten.keek schrieb:Allerdings trete ich auch noch gegen den Irrglauben ein, Qualität setze sich durch eine Quote durch
Fritz Pleitgen schrieb:Die ARD-Programme stehen im Wettbewerb mit kommerziellen Wellen. Eine systematische Benachteiligung wäre nicht akzeptabel und würde den Wettbewerb verzerren, weil die Hörer auf kommerzielle Programme ohne Zwangsquote ausweichen könnten.
War da nicht mal was mit dualem Rundfunksystem und Auftrag? Letzteren sollte man Pleitgen wohl mal wieder vorlesen ?Die ARD-Programme stehen im Wettbewerb mit kommerziellen Wellen.
Vielen Dank Herr Balzer für diese klaren Worte.Jens Balzer aus der Berliner Zeitung vom 29.09.2004 schrieb:Und hier ein Auszug aus den aktuellen LP-Charts, ermittelt vom Branchendienst Musikwoche am 27. September. Platz 1: Max Herre. Platz 2: Gentleman. Platz 4: 2raumwohnung. Platz 5: Silbermond. Platz 6: Die Ärzte. Platz 7: Reamonn. Platz 9: Söhne Mannheims. Platz 10: Böhse Onkelz. Was haben diese Künstler miteinander gemeinsam, abgesehen vom Verkaufserfolg? Sie kommen aus Deutschland oder produzieren ihre Musik ebendort. Von den zehn in Deutschland meistverkauften LPs kommen in dieser Woche acht aus Deutschland; wenn die soeben veröffentlichten neuen Alben von den Fantastischen Vier und von Rammstein in der nächsten Woche in den Charts notiert werden, sind es aller Voraussicht nach zehn von zehn.
"Deutsche Musiker haben auf dem deutschen Musikmarkt keine Chance", behauptet die grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer unbeirrt; darum hat sie in diversen Stellungnahmen vor der Berliner Popkomm die altbekannte Forderung nach einer "deutschen Radioquote" für öffentlich-rechtliche Radiostationen erneuert. Am heutigen Mittwoch beschäftigt sich die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Bundestags damit.
Schon seit einigen Jahren haben ja die verschiedensten Interessengruppen immer wieder verlangt, den Anteil deutschsprachiger Musik in den öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen gesetzlich festzulegen - zum Beispiel auf 50 Prozent aller gespielten Titel. Prominent unterstützt wurde die Forderung eine Weile lang von den deutschen Filialen der großen Schallplattenkonzerne; der allgemeinen Krise des internationalen Marktes wollten diese mit einem Ausbau der nationalen Segmente begegnen. Seit die Konzernzentralen im vergangenen Jahr ihre Strategien ganz auf das globale Marketing einiger weniger Megastars umgestellt haben, sind die gleichen Musikmanager, die noch vor kurzem den Untergang des Abendlandes bei Ausbleiben der Quote ankündigten, allerdings in auffälliger Weise verstummt.
Statt dessen hat sich nun die Politik der Sache angenommen; Antje Vollmer ist ebenso für die Quote wie der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und der Spitzenkandidat der sächsischen NPD, Holger Apfe. Als eine der ersten Initiativen seiner neu in den sächsischen Landtag gewählten Partei hat Apfel eine Initiative "Es geht auch deutsch" angekündigt; darin wird eine Quotierung "deutschsprachiger Unterhaltungsmusik" für den MDR gefordert. Antje Vollmer geht in ihren Quotenplänen freilich noch weiter als die NPD: Sie will auch private Radiostationen in die gesetzlichen Regelungen miteinbeziehen. Nur so könne man der "Musik aus Deutschland" die Existenzgrundlage sichern.
Freilich war im Jahr 2003, wie der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft erst kürzlich in seinem Jahreswirtschaftsbericht ermittelt hat, "deutsche Musik in den Charts so stark wie nie zuvor". 29,5 Prozent der in den Charts vertretenen Alben und 54,7 Prozent der Singles stammten aus dem nationalen Repertoire. "Der Mythos, dass die Phonowirtschaft nur mit internationalen Topstars Geld verdient, ist falsch", schreibt der Verband. "Deutsche Künstler haben in Deutschland ein großes Publikum."
Wenn Vollmers These für die Plattenfirmen schon nicht stimmt - stimmt sie dann vielleicht für die Massenmedien? "In deutschen Radio- und Fernsehprogrammen" findet eine "skandalöse Unterrepräsentation der Musik von deutschsprachigen Künstlern" statt, schreibt die Initiative "Musiker in eigener Sache", die von dem Fotografen Jim Rakete gegründet wurde und die von der grünen Politikerin in ihren Statements immer wieder als Kronzeuge herangezogen wurde. Wer an einem der letzten Wochenendabende einen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender eingeschaltet hat, konnte hier hingegen folgendes sehen: Am vergangenen Sonntag lief im ZDF "Die Goldene Stimmgabel" mit Andrea Berg, Matthias Reim, De Randfichten, Bap, Pur, Mia und Rosenstolz; am Sonnabend in der ARD der "Musikantenstadl" mit Gunther Emmerlich, DJ Ötzi und dem Kärtner Doppelsextett; am Sonnabend davor ebendort "Das Jubiläumsfest der Volksmusik" mit André Rieu, Stefanie Hertel und dem MDR Fernsehballett. "Etwa ein Drittel des Hörfunk- und TV-Musikangebotes in Deutschland besteht aus deutscher bzw. deutschsprachiger Musik", hat der Verband der privaten Hörfunk- und Fernsehanbieter errechnet.
Fasst man die verfügbaren Daten und Fakten zusammen, stellt man also schnell fest, dass die These von einer "für das Überleben der deutschen Musik existenziell notwendigen" Quote keinerlei reale Begründung besitzt. Der deutschen Musik geht es prächtig; kein Wunder, dass die Forderung künstlerseits - heute wie je - vor allem von abgehalfterten Deutschrockern wie Peter Maffay, Udo Lindenberg oder der Band City unterstützt wird. Keine Quote der Welt, freilich, wird Udo Lindenberg zurück in die LP-Charts bringen, so lange er nicht einmal einen Plattenvertrag hat; und den untoten Ostzonenrockern von City hülfte wahrscheinlich nur eine "Musik von ehemaligen Bürgern der DDR"-Quote.
Doch egal. Vielleicht erfährt man bei der heutigen Anhörung ja wenigstens, wie die Quotenbefürworter überhaupt deutschen von nicht-deutschem Pop zu unterscheiden gedenken: Zählt die Nationalität des Sängers? Oder reicht die des Bassisten? Muss die Staatszugehörigkeit per Pass nachgewiesen werden? Oder genügt eine deutsche Großmutter? Reicht es, wenn die Platte in Deutschland produziert wurde? Und ist der deutsche Remix eines amerikanischen Titels eher amerikanisch oder eher deutsch?
Mit der Klärung dieser interessanten Probleme könnte man einige Komitees dialektisch begabter Begriffsanalytiker eine Weile beschäftigen: Vielleicht will Antje Vollmer mit ihrer Initiative ja auch nur ein paar alte K-Gruppen-Genossen wieder in Lohn und Brot bringen.