AW: Gelesen in der Zeit: Hören Sie mal!
Die Bezeichnung des Radios als Spiegel unserer Gesellschaft halte ich für eine erschreckend richtige Bezeichnung; erschreckend, wenn man Innovationsbereitschaft, Risikobereitschaft, Zuversicht und Kreativität zum Maßstab nimmt.
Hierbei erstaunt auch mich das immer weitere Auseinanderdriften der Bereiche "Hochkultur" und "Pop-/Massenkultur", das auf eine unüberbrückbare Kluft beider Bereiche hinauszulaufen droht, womit der kleinere und als elitär aufgefasste Bereich "Hochkultur" auf längere Sicht in seiner Existenz bedroht wird. So lange die Abhängigkeiten dieser beiden kulturellen Ebenen nicht gesehen werden, entwickelt sich damit auch die "niedere" Popkultur in Richtung Kulturlosigkeit und droht damit, zum reinen Produkt zu verkommen.
In der Konsequenz entwickelt sich aus der aktuellen Kluft damit ein randloses Loch, in dem früher oder später auch das Konsumprodukt "Unterhaltung" verschwinden wird.
Das Problem liegt damit nicht in den beiden Kulturbereichen (Hoch/Masse), sondern in der Kluft, die beim Radio derzeit von kaum einem Sender gefüllt wird. Lediglich die wenigen Massensender, die hier regelmäßig für ihre hohe Qualität gelobt werden, versuchen, diese Kluft auszufüllen. Erst mit solchem Füllen der Kluft steigt nicht nur die vielbeschworene Vielfalt im Medium Radio, dieses Füllen erst bewahrt auch die beiden extremen Kulturebenen vor dem vollständigen Auseinanderfallen unserer gesamten Radiokultur.
Insofern sind Forderung und Bestandsaufnahme des ZEIT-Autors nicht völlig von der Hand zu sein: Die Lücke zwischen Mainstream-Hitradios und elitärem Jazz-/Neue Musik-Radio muss dringend geschlossen werden. Es bleibt also die Frage, wer von uns den Mut und ein auch wirtschaftliches funktionierendes Konzept dafür hat. Allerdings, um auf den Anfang zurückzukommen, ist es eben nicht das Radio, dass hier versagt hat. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, der auch das Radio sich schwer entziehen kann.
Eine Position, auf die wir Radiomacher uns allerdings sicherlich nicht zurückziehen dürfen, denn so sehr wir Teil einer Entwicklung sind, so sehr bestimmen wir sie auch mit.