So, ich habe hier mal eine ganz aktuelle Stellungnahme von Frank Otto:
"Nun zu OK-Radio: Cetin war der 'Umsetzer' schwieriger Entscheidungen. Es begann damit, dass die Sendelizenz, vorher von einem Verein getragen, auf die Betriebsgesellschaft erteilt wurde, was nach dem damaligen Medienrecht eine Binnenpluralität erforderte und ich einen neuen Partner aufnehmen musste.
Meine Wahl fiel auf die Radiogruppe von L'Europe. Diese verlangten aber von mir, dass alle 'Radiofremden' Aktivitäten eingestellt wurden: Kein OK-PUR, was ich einem Mitarbeiter dann übertragen hatte und als Hamburg-Pur weitergemacht hat, keine Hörerdatenbank (damals 30.000 Hörer detaliert erfasst, als es noch keine Online-Medien gab und deshalb auch noch nicht monetarisierbar war) und auch keine Hausinterne Marktforschung mehr. Letzteres war die wohl größte Dummheit, aber was sollte ich machen?
Dann kam die 'Doppelklatsche': Ohne auch nur gerüchteweise etwas mitbekommen zu haben lizensierte die Medienbehörde in naivem Glauben 'ENERGY' als weiterführendes Jazzradio. Ich kannte jedoch den Inhaber und seine Strategie (weshalb ich ihn nicht zum OK-Radio-Partner gemnacht habe) und wusste, dass er seine internationale Marke nicht für ein Nischenprogramm hergibt sondern das Ziel verfolgt, sich auf die OK-Radio Zielgruppe zu stürzen.
Zur gleichen Zeit formulierte der NDR seine "Antwort auf OK-Radio" und ging in Hamburg mit einer Frequenz, die vormals aus Niedersachsen die DDR mit West-Programm versorgte, auf Sendung und kreierte 'N-Joy' als Jugendradio. Ich hatte zwar eine einstweilige Verfügung dagegen erwirkt, da es an einer rechtstaatlichen Zuordnung mangelte und ich mit dieser Sendeleistung die erwartbaren Hörerverluste hätte kompensieren können (dem NDR dann natürlich unsere 100Watt Frequenz hätte ermöglichen müssen), aber mit sehr dünnen Argumenten durfte N-Joy trotz dieser Rechtsbeugung auf Sendung gehen. Nach sehr vielen Jahren hab ich den Prozeß dann trotzdem gewonnen, dazu gleich mehr, in der aktuellen Situation half das natürlich garnicht.
Als die Media-Analyse erschien hatten wir zwar in der Gesammtheit keine Hörer verloren, aber in der sogenannten Stundenreichweite waren wir halbiert - leider genau die Währung in der Werbetreibende die Leistungsfähigkeit eines Senders beurteilen.
Angesichts der Tatsache, nachdem sich der Sender schon von so vielen Betätigungen und Mitarbeitern getrennt hatte, nun die Kosten nochmal halbiert werden mussten, haben wir unter Tränen eine verdammte Entscheidung treffen müssen: Sind wir noch OK-Radio wenn unsere teuersten (und besten) Mitarbeiter nicht mehr dabei sind? Sind wir noch OK-Radio wenn die Zeugnisse rauskommen und wir keinen Psychologen mehr im Studio haben? Was bleibt eigentlich übrig wenn wir 50% einsparen müssen? Ist das dann noch OK-Radio?
Alle Abteilungen waren in diese Entscheidung einbezogen und wir alle waren der Auffassung, es sei Betrug am Hörer wenn wir unter diesem Namen weitermachen würden.
OK-Radio war eine Realität gewordene Vision - Profit aus einem Abklatsch dieser Idee zu generieren empfanden wir als verabscheuungswürdig, gradezu eklig - wir hätten uns verraten und nicht mehr in den Spiegel sehen können!
Ja, Cetin hatte die undankbare Aufgabe mit OK-Radio Schluß zu machen. OK-Magic hieß das neue Programm, beworben mit Plakaten auf denen weinende Menschen illustriert waren - genau das hatten wir gefühlt und konnten auch gar nicht anders.
Viele Jahre später hatte ich dann endlich diesen Prozeß gewonnen. Als die Meldung kam, hab ich meine Sekretärin beauftragt eine PR-Agentur einzuschalten. Nach zwei Stunden kam sie zu mir und sagte, 'egal wie groß die Agentur ist, alle leben von Aufträgen des NDR und können deshalb diese Meldung nicht promoten'.
Den Rest des Tages hab ich dann ganz alleine versucht diese Meldung zu verbreiten, offensichtlich mit sehr mäßigem Erfolg, kaum jemand weiß davon. So ist in der Öffentlichkeit ein völlig falschen Bild entstanden, (ganz anders in der Rechtsliteratur, die sich meine Rechtsauffassung zueigen gemacht hat), und Cetin zum Buhmann erklärt worden, obwohl er als Direktor den Sender durch die wohl schwierigste Phase manövriert hatte.
Ja, wäre ich zu der Zeit nicht schon andere Engagements eingegangen, hätte vielleicht etwas mehr Fingerspitzengefühl geherrscht, aber in der Sache wär's alternativlos geblieben. Sehr viel später hab ich dann mal ein Trend-Monitiring der Öffentlich-Rechtlichen einsehen dürfen - verdammte Scheiße - unsere verlorenen Hörer haben schon nach drei Monaten den Weg zurück zu OK-Radio gefunden und N-Joy den Rücken zugekehrt. Die waren nur neugierig und sind zurück gekommen. Wir haben das nicht gemerkt, da wir ja keine eigene Marktforschung mehr hatten. Dafür beisse ich mir heute noch in den Arsch!!!
Natürlich ist der NDR in Berufung gegangen, 10 Jahre hab ich mit diesem Thema verbracht, und der Rechtsprofessor, der den NDR vertreten hat, ist dann sogar zum Verfassungsrichter in Karlsruhe berufen worden. Dadurch hab ich auch nie ein höchstinztanzliches Urteil erwirken können, denn er hatte in einem Schriftsatz die Bemerkung hinterlegt, der Öffentlich-Rechtliche Rundfiunk würde so etwas nie wieder tun. Da die Rechtsauffassung ja geklärt war und mein Anliegen damit nicht mehr Präsedenzfall geeignet war (da die Wiederholung ja ausgeschlossen wurde) bin ich mit dem juristischen Trick eines Vollprofis (Respekt!) auf der Strecke geblieben.
Die Gerechtigkeit kam dann aus ganz anderer Ecke: Während ENERGY in Hamburg schon längst Jugendradio gemacht hat, erinnerten sich in Sachsen Radiogesellschafter an diesen (aus Ost-Sicht) unmöglichen Langhaarigen aus dem Westen und verkauften mir geschlossen zum Einstandspreis ihre Mehrheits-Anteile an ENERGY-Sachsen.
Gegen den Widerstand der französichen Konzernzentrale wurde das das wirtschaftlich erfolgreichste Jugendradio der Republik!
Wenn Du nun dieses alles verstehst, wirst Du mir nachfühlen, dass ich zwar mit der Vergangenheit verbunden bin, aber immer noch in die Zukunft schaue.
Ja, ich wäre auf einer Todestagsparty dabei, aber nicht mehr und nicht weniger, es geht weiter und mein Blick ist nach vorne gerichtet. Ich fühle mich immer noch zu jung um die 'alten Zeiten' hochleben zu lassen.
Emotional verstehe ich Dich dennoch sehr gut und bin mir sicher, darüber mehr Tränen vergossen zu haben, als es Dir bedeutet hat. Ich war mit 'Haut und Haaren' mitendrin und musste die Entscheidungen treffen!"