Manche Diskussionen in diesem Lande bleiben schon im ideologischen Morast stecken, bevor sie begonnen haben. Als vor etlichen Jahren der Musikant und Musical-Texter Heinz Rudolf Kunze eine Quote für inländische Musikproduktionen anregte, hat ihn kaum jemand gefragt, wie sein Plan denn im Einzelnen aussehe. Stattdessen stempelte ihn die politisch ja so gern überkorrekte Branche zum bislang heimlichen und endlich öffentlichen Nationalisten. Bäh, pfui! Die Quotierung wurde auf breiter Front verworfen. Ohne Diskussion.
Als kürzlich Erwin Huber, Chef der bayerischen Staatskanzlei, erneut eine Quote ins Kalkül zog und unerwartete Schützenhilfe vom Musiker, Schauspieler und Oppositionellen Michael Fitz erhielt, stellte die Süddeutsche Zeitung diesem die selten geistlose Frage, ob er nun, gemeinsam mit seiner Cousine Lisa Fitz, ausgerechnet der CSU unter die Arme greifen wolle. Eine Diskussion fand wiederum nicht statt. Dabei war der Vorstoß vor allem als erste regionale Initiative von Interesse, zumal für Stadtstaaten wie Hamburg mit seiner dichten Infrastruktur aus Künstlern, Produktionsstätten und Medien ein Alleingang weit lohnender als ausgerechnet im Flächenland Bayern erscheint. "Mir geht es darum", hatte Erwin Huber da gefordert, "junge Künstler aus Bayern und Deutschland zu fördern - auch dann, wenn sie Englisch oder in einer anderen Sprache singen. Deshalb geht es vor allem um ... deutschsprachige Produktionen. Ich denke, dass es die Aufgabe des Hörfunks ist, diese Künstler hörbar zu machen. Das ist Teil seiner kulturellen Aufgabe."
Aber nicht einmal die Plattenindustrie selbst, vermeintlich erster Nutznießer einer Quote im Radio, wagte das eindeutige Statement und verkroch sich lieber hinter den tiefroten Zahlen der vergangenen zwei Geschäftsjahre.
Im letzten Jahr dann leckten sich die verbliebenen Angestellten der Companies auf einer zu familiärer Kommodität geschrumpften Musikmesse Popkomm die Wunden und staunten einzig über einen generös ausgestatteten, vergleichsweise riesenhaften und zudem stark frequentierten Stand in bester, zentraler Lage. Hier residierten die Franzosen, voilà. Und von Frankreich lernen, behaupten die Vertreter der Grande Nation ganz ungeniert, heiße manchmal halt auch siegen lernen.
Ganz gegen den Abwärtstrend nämlich war die gallische Pop-Industrie 2001 um satte elf Prozent gewachsen, im Rückblick auf die letzten acht Jahre war gar die bemerkenswerte Rede von einer Beinahe-Verdoppelung der umgesetzten Stückzahlen. Nach den Gründen fürs Mysterium befragt, antworteten die Franzosen beinahe gebetsmühlenartig mit der in Frankreich seit einem knappen Jahrzehnt wirksamen Quote, die einheimischen Produkten knapp die Hälfte aller Musikbeiträge im Radio sichert. Ein Akt gesunden Patriotismus, wie uns gern versichert wurde.
Da könnte was dran sein. Bei näherer Betrachtung nämlich hat die französische Quote das Gegenteil dessen bewirkt, was Deutschlands Moral- und Ethik-Apostel für eine Quote hier zu Lande fürchten. Wo früher neben Ausnahmen wie Gainsbourg nur Volkstümelei im Sektor Chanson und Seichtes im Pop produziert wurde, wagen sich dank der Quote inzwischen Hunderte von Produzenten aus der Nische und stricken an einem zunehmend kunterbunten Bild der gallischen Musikszene. Weil Künstler wie Manu Chao und die Pariser Afro-Jazzer reelle Chancen auf einen Radio-Einsatz ihrer Songs haben, gibt es diese Songs samt quicklebendiger Szene nun in ganz Frankreich und gleichen die Landescharts mittlerweile keiner anderen Hitparade des Kontinents. Solche Vielfalt freilich haben Marktschreier wie der besagte Bayer Huber keineswegs im Sinn. Aus seinem Munde tönt nur Werbung für das deutschsprachige Produkt, zudem ohne nähere Definition, in welchem Genre dies sich wohl am Ende noch bewegen darf. Doch immerhin stellen sich nun doch manche Kulturpolitiker nach dem Vorstoß der Bajuwaren die Frage, ob man eine Quote ohne bundesweites Einvernehmen versuchen könnte oder gar sollte. Ein spannendes Konstrukt.