AW: Vieles neu bei NDR 2
Ich höre zurzeit „Tietjen talkt“ mit Gunter Gabriel, einem Menschen, den ich Mitte der Achtzigerjahre während einer NDR-Veranstaltung kennen lernte. Die heutige Ausgabe ist die erste, die ich „live“ höre; normalerweise höre ich mir die Podcasts an, um die Musik zu umgehen und mich auf das Wesentliche, die Gespräche, zu konzentrieren. Und dass das richtig ist, beweist mir die heutige Sendung, denn ich könnte Gabriel stundenlang zuhören, weil er anders, weil er quer denkt.
Aber leider scheint auch in dieser Sendung die Musik wichtiger zu sein. Ein Beispiel: Die Tietjen sprach ihn gerade auf den Stapel Bücher an, den er mitgebracht hat. Daraufhin stellt er eines der Bücher vor, und er gibt Hintergrundinformationen. Ich erwarte schon mit Spannung das folgende Buch, aber das Gespräch ist dann plötzlich zu Ende, und es kommt wieder Musik. Ehrlich: Ich bin ziemlich genervt, weil dieser wirklich interessante Gast, der die Tietjen aus meiner Sicht in die Tasche steckt, nur ansatzweise die Möglichkeit hat, über sein Leben zu sprechen. Außerdem wurde in den Takes immer wieder geschnitten - und zwar so grottig, dass ich glaube, ein Praktikant hätte dies getan. Was ist aus dem NDR geworden? Ich weiß nicht, mir kommt es so vor, als wären die einzelnen Gespräche kürzer geworden. Ich vermute, ein verantwortlicher Mensch bei NDR 2 war der Ansicht, es müsste mehr Musik gespielt werden.
Übrigens: Diese ganze Diskussion über NDR 2 geht mir auf die Nerven. Kaum tauchen zwei, drei ungewöhnliche Musiktitel im Programm auf, und schon jubelieren hier einige, der NDR habe das Programm reformiert, jetzt tue sich etwas, der NDR denke an alle ... Nein, so ist es nicht! NDR 2 war zu der Zeit ein tolles Programm, als Wolf-Dieter Stubel die „Internationale Hitparade“ und Günter Fink das „Club-Wunschkonzert“ moderierten und es tagelang dauerte, bis ein Lied wieder zu hören war. Heute ist NDR 2 nur noch ein Dudelprogramm, und es gibt kaum noch Unterschiede zu einem der Privatsender - das ist Tatsache, und daran ändern auch die zwei, drei Ausnahmetitel nichts.
Ich bin ungemein froh, DVB-C und das Internet zu haben, damit ich diesen akustischen Müll des NDR nicht zu hören brauche. Ausnahmen sind für mich das Nachtprogramm von NDR Info und ausgewählte Sendungen von NDR 90,3 (ohne die Musik). Vor wenigen Tagen beispielsweise lief auf NDR 90,3 eine interessante Sendung, in der der von mir sehr geschätzte Gerd Kuka mit Buchautoren und Verlegern über lokal spielende Krimis und das Buchgeschäft allgemein sprach. Aber dieser Blödsinn, der auf NDR 2 läuft, ist nicht zu ertragen - bis auf „Frühstück bei Stefanie“. Über die Landesprogramme möchte ich hier nichts schreiben, weil ich sonst ausraste.
Solange hier einer von uns - oder auch nur ein gewöhnlicher Durchschnittshörer - sagt, er finde NDR 2 toll, fühlen sich die Herrschaften an der Rothenbaumchaussee in ihrem Handeln bestätigt. Denn die Leute haben sich von den Privaten und den Öffentliche-Rechtlichen verblöden lassen. Denn sie halten eine oberflächliche Musikauswahl für ein tolles Programm, und ich fürchte, das ist repräsentativ für unsere Zukunft.