Ein Feature... also offenbar was hochwertiges. Das ist deutlich mehr als "mal eben schnell nen O-Ton von der Bäckereifachverkäuferin umme Ecke". Möglich, daß Du das auf Anhieb überhaupt nicht befriedigend hinbekommst, wenn Deine eigenen Ansprüche hoch sind. Aber auch gut möglich, daß es gutgeht, mit Betreuung im Funkhaus und bei weniger anspruchsvollen Aufnahmesituationen vor Ort. Dazu von mir (Laie, nicht beim Funk!) ein paar Gedanken, die Dir die Tragweite aufzeigen sollen.
Bei anspruchsvollen Features denke ich an einen hochwertigen Öffi und damit dürfte es erstmal auf 48 kHz, 16 Bit hinauslaufen. Für den "schnellen O-Ton" von der Straße hat man die Reporter schonmal mit 128 kbps mono (!) MP3 losgeschickt, das reicht, der Marantz könnte das aber gar nicht, bei dem ist laut Datenblatt bei 96 kbps mono Schluß.
Für alles, was hochwertiger als ein schneller Nachrichten-O-Ton sein soll und evtl. gar in "richtige" Produktionen montiert wird: keinesfalls in MP3 aufnehmen! Mach alles in Wave (PCM) wegen der Datenreduktionsverluste bei MP3, schneide / montiere in Wave (oder gib die Wave-Dateien ab und lass es montieren) und speichere auch in Wave. Erst nach der finalen Montage des Beitrags speichert man in MP2 (das kann der Marantz nicht), üblicherweise in 384 kbps mit 48 kHz Abtastrate. Das ist das Standardformat für die Sendespeicher der Öffis. Fürs eigene Archiv (und vermutlich auch fürs Langzeitarchiv im Sender) behält man natürlich die PCM (Wave-)-Aufnahme.
Lange Aufnahmen kann der Marantz natürlich auch in MP3, leider nur bis 192 kbps, wo man schon Effekte der Datenreduktion hören dürfte. Die eingebauten MP3-Coder sind mitunter nicht so dolle wie gute Software-Coder. Bei meinem Olympus LS-11 ist das so. Der kann immerhin aber auch 256 kbps und sogar 320 kbps. Wenns mal stundenlang sein muß und nicht allzu hochwertig, dann zur Not also MP3 mit 256 oder 320. Hier aber nicht!
Außerdem passen an den Marantz keine Mikrofone mit professionellen, verriegelbaren XLR-Steckern (die dicken dreipoligen mit dem Auslöseknopf, die auch hinten direkt in die meisten Mikrofone reingesteckt werden) und die im Datenblatt angegebene "Phantomspeisung" ist vermutlich keine, sondern eine simple Tonaderspeisung, die man für dynamische Mikrofone sogar ausschalten muß, um keinen Ärger zu verursachen. Damit powert man nur bestimmte billige Mikrofone, aber keine Profiteile. Du siehst: so richtig "Profi" ist der kleine Marantz nicht, aber die XLR-fähigen Recorder müssen deshalb für Deine Ansprüche nicht unbedingt besser geeignet sein, denn dann kommt auch noch die Frage nach Auswahl und Positionierung der externen Mikrofone hinzu und jeder Recorder hat seine anderen Macken.
Aber auch die Mikrofon-Anordnung des Marantz ist zu beachten. Die Mikrofone sind offenbar kleine Richtmiktrofone, also Mikrofone mit Richtwirkung nach vorne, parallel mit kleinem Abstand montiert und "nach vorne zeigend" ausgerichtet. Die Stereowirkung entsteht dabei im Fernfeld durch Laufzeitunterschiede von der Schallquelle zu den räumlich getrennten Mikrofonen (Laufzeit-Stereofonie). Das linke bekommt Ton, der von links kommt, halt etwas eher - später beim Anhören "errechnet" das Hirn daraus, daß der Ton von links kam. Weit entfernte Quellen sehen aber von beiden Mikrofonen aus, als lägen sie in der gleichen Richtung, so daß kaum die Richtwirkung der Einzelmikrofone wirksam wird. Im Nahfeld (Schallquelle unmittelbar in der Nähe) wird auch noch die Pegeldifferenz relevant: das Mikrofon, das näher dran ist, bekommt es "lauter" ab. Auch das führt später beim Abhören zum "von dieser Seite kam es also"-Effekt (Intensitätssterofonie). Dazu kommt bei seitlichem Eifnall auch noch die Richtwirkung der Kapseln, so es gerichtete Kapseln sind.
Das fiese: Laufzeitstereo kann auf mono gemischt (im Radio z.B. bei gedrückter Monotaste, beim einfachen Küchenradio, bei Mittelwelle (DLF, manche Infowelle!) oder bei automatischer Monoumschaltung im Auto bei schlechtem Empfang) zu unvorhersehbaren Effekten führen. Wenn der Laufzeitunterschied von der Schallquelle zu beiden Mikrofonen bei einer bestimmten Frequenz gerade eine halbe Wellenlänge ergibt, dann löscht sich das aus (Wellenberg trifft auf Wellental im elektrischen Signal beider Kanäle beim Monomix). Es sind immer nur bestimmte Frequenzen betroffen (die, bei denen das passt) und das ändert sich auch noch je nach Abstand und Anordnung. Kann sehr topfig klingende Kammfiltereffekte verursachen. Der Tonmensch sieht das bei der Bearbeitung dann im
Stereosichtgerät und runzelt die Stirn.
Das umgeht man als Profi z.B. mit einer MS-Anordnung, die aber massiven Aufwand beim Aufnehmen erfordert (man muß die Signale von 2 Mikrofonen addieren und subtrahieren, um an die Stereokanäle zu kommen), oder man geht auf reine Intensitäts-Stereofonie mit einer
XY-Anordnung. Da liegen die Achsen beider Mikrofone zusammen, es gibt keine Laufzeitunterschiede zwischen beiden Kanälen, nur die Intensität (Pegel) wird durch die verdrehte Anordnung der Richt(!!!)mikrofone zur Gewinnung des Stereopanoramas verwendet. Wo keine Laufzeitunterschiede, da auch keine Auslöschung einzelner Frequenzen beim Monomix.
Siehe auch
Nahe Mikrofonierung bei Laufzeit-Stereofonie bei Eberhard Sengpiel. Und
dieses bebilderte Script einer Vorlesung, ohne das jetzt vollständig geprüft zu haben.
Fazit: es hat schon seine Gründe, warum es Ausbildungsberufe und Studienrichtungen (Toningenieur, Tonmeister) gibt. Als Laie wird man da kaum von Null auf Hundert im ersten Anlauf kommen. Wenn Du "bescheiden" anfängst und Dir nicht allzu fiese akustische Orte und Konstellationen suchst, die O-Töne roh auch mal in mono anhörst (klingen sie noch gut oder irgendwie merkwürdig, vielleicht topfig, nasal oder mit "Loch" in der Mitte?) und Dir beim Auftraggeber von nem guten Tonmenschen helfen läßt, wird das schon was.