ich mag diese Musikrichtung nicht, mochte sie noch nie und werde sie auch in 10, 20, 30 oder 40 Jahren nicht mögen, weil ich damit nicht aufgewachsen bin. Warum sollte sie das Radio dann anbieten?
Weil du sie nicht magst? Das ist natürlich das einzig ausschlaggebende Argument. Was
grün nicht mag, braucht im Radio auch nicht gespielt zu werden. Wo kämen wir denn da hin?
Da hilft es auch nicht, wenn man versucht, neue deutsche Schlagerproduktionen ins Programm zu hieven. Diese Musik wird heute kaum noch angenommen. Und deswegen positionieren sich die meisten ehemals "reinen" Schlagerwellen neu.
Ach und das kannst du beurteilen? Das glaube ich weniger. Was dir das deutsche "Chartradio" auftischt findest du ja auch nicht gerade prickelnd, soweit ich deine neueren Postings in Erinnerung habe.
Hier wird z. B. häufig über die ehemalige Schlagerwelle Bayern1 und dessen Totalverweigerung dem Schlager gegenüber diskutiert. Nur komisch, daß die immer noch mehr Zuhörer haben als Bayern3. Und beschwert wird sich seitens der Hörer eher über die enge Rotation bei Bayern1 und mitnichten darüber, daß kaum Schlager laufen.
Jetzt aber mal Butter bei die Fische lieber grün, du stellst da gerade ein paar sehr zweifelhafte Thesen auf, die von der Lebenswirklichkeit vielfach widerlegt werden. Es ist ja auch kein Wunder dass wir uns im Kreise drehen, schließlich ist der harte Kern dieses Forums auf ein halbes Dutzend Autoren zusammengeschrumpft, die sich immer wieder auf die gleiche Art und Weise äüßern.
Dennoch möchte ich in diesem Zusammenhang noch eine kurze Situationsanalyse anfügen, die begreiflich macht, warum es im Bereich der deutschen Musik weder Innovation noch Airplay gibt.
Wie wir wissen ist das Werbegeschäft in Deutschland in der Hand regionaler und überregionaler Zeitungsverlage konzentriert, die oft mittels Überkreuz-Beteiligungen Anteile an den unterschiedlichsten, vermeintlich miteinander konkurrierenden Radiosendern halten. Aber diese Konkurrenzsituation ist nur Schein,
die regionalen Medienhäuser mischen nämlich fast überall mit ohne zu ihrem eigenen Nutzen dafür Sorge zu tragen, dass wenigstens die angepeilten Zielgruppen ein halbwegs interessantes Angebot vorfinden.
Als Kompensationsgeschäft fürs dahinkränkelnde Zeitungsgeschäft, das sich auf eine schwindende und überalterte Abonnentenschar stützt, ist das deutsche (Print-)Radio eigentlich nichts weiter als eine Jugendbespaßungsveranstaltung, wenn sich die Resonanz in der angepeilten Zielgruppe mangels kompetenter Programmgestaltung auch sehr in Grenzen hält. Das interessanteste Jugendradio ist nach meinem Dafürhalten noch Energy, weil es der einzige Sender ist, der eine
kompromisslos klare Linie fährt und anders als die Printkonkurrenz eine kompetente Zielgruppenpolitik betreibt. Energy ist auch der einzige Sender, bei dem die Zeitungen nur zu 20% drinhängen aber trotzdem prächtig mitverdienen.
Würde man wie in anderen Ländern ein großes, landessprachliches Musikformat einführen, könnte man getrost davon ausgehen, dass es anders als Außenseiterwellen wie Energy, Lounge.fm oder Klassik Radio innerhalb kürzester Zeit zum Marktführer avancieren würde. Wenn man bedenkt, dass nationale Musikformate in der Regel eine sehr ausgeglichene demographische Hörerstruktur aufweisen, bei der der Schwerpunkt zwischen 25 und 60 Jahren liegt, dann liegt auf der Hand, warum das printbeherrschte Radiogeschäft mit den verschiedenen Mediaagenturen im Schlepptau kein Interesse an einer
Stärkung der deutschen Musikszene hat.
Das deutsche Printradio ist als Kompensationsgeschäft gedacht, das den Gesellschaftern vor allem Einnahmen aus dem Werbegeschäft mit den 14-25-Jährigen bescheren soll, der Bevölkerungsgruppe also, die als Generation der Zeitungsverweigerer gilt. Würde man ein deutsches Musikformat einführen, wäre das zwar in jedem deregulierten Markt ein tolles Geschäft für die Betreiber, nicht aber in einem abgeschotteten Radiomarkt wie dem deutschen, bei dem einige wenige klüngelartig verflochtene Drahtzieher über die Verteilung der Werbeeinnahmen entscheiden.
Um ein deutsches Musikformat aufzubauen bedürfte es einer fruchtbaren Kooperation mit den großen Plattenkonzernen (die in Deutschland nur rudimentär existiert, in diesem eng begrenten Bereich aber umso intensiver), man bräuchte fähige Talentscouts, ein aktives Künstlermarketing, aufwendige Marktforschung und intensive Nachwuchsförderung. Obwohl sich der Einsatz vielfach lohnen würde, hütet sich die Zeitungsradio-Clique vor einem Businesskonzept, das die wirtschaftlichen Interessen der Printsparte gefährden könnte, denn ein funktionierendes, attraktives Erwachsenenradio träte augenblicklich in wirtschaftliche Konkurrenz zu den Regionalblättern. Wozu also der ganze Aufwand, wenn man mit diesem Unterfangen nur die Geschäftstätigkeit einer anderen Unternehmenssparte beeinträchtigt? Solange die Zeitungshäuser den Markt beherrschen wird es in dieser Angelegenheit keine Bewegung geben.
Was macht man also mit den Erwachsenen? Die bekommen
dieselbe Oldiedröhnung serviert, die sie schon vor 20 Jahren vor die Füße geknallt bekamen. Denn schließlich lebt mit dem Beratergewerbe ein ganzer Berufsstand großteils von der zigfachen Verwertung uralter, notdürftig auffrisierter Datensätze, die schon jahrzehntelang in den Schubladen der Consulting-Firmen lagern. Und damit ist das "inzuchtartige Gewebe", wie es in einem anderen Thread heißt, perfekt. Natürlich leisten viele Consulter wertvolle Arbeit als Trainer und Effizienzberater, aber in Sachen Musik ist das deutsche Radio ein Totalausfall, und daran tragen sie eine ganz erhebliche Mitschuld, selbst wenn nach dem Verursacherprinzip andere die Verantwortung tragen.
Dringenden Innovationsbedarf gäbe es nicht nur in Sachen deutscher Musik, die ganze Radiolandschaft ist ein Reformfall kurz vor dem Kollaps.
Alles weitere habe ich schon hier gesagt.