Man muss mal klipp und klar sagen was Radioberater nach deutschem Verständnis eigentlich sind. Anders als Berater in anderen Branchen bieten sie keine unterstützenden und konsultativen Dienstleistungen an, sondern bilden die zweite Ebene der soliden Machthierarchie im deutschen Kommerzradio, gleich nach den Verlegern und Mitgesellschaftern. Da sie das volle Vertrauen der Eigentümer genießen haben sie weitreichende Durchgriffsrechte und können alle Institutionen und Befehlsstrukturen innerhalb der Sender unterlaufen und aushebeln.
Ich verglich die Radioberater nicht von ungefähr mit Zuchtmeistern, denn ihre eigentliche Aufgabe besteht darin Sender, die in keinem echten wirtschaftlichen Wettbewerb zueinander stehen, an die Kandare zu nehmen, selbstbewusste Wellenleiter und Redakteure zu beaufsichtigen und notfalls einzuschüchtern. Ihre Hauptfunktion besteht demnach darin das in Verlegerkreisen fest zementierte Zielgruppenideal durchzusetzen, im Gegenzug empfangen sie ein üppiges Salär und können mit nach Belieben zurechtgestrickten Playlists und wellenübergreifend lancierten Promotion-Hits tüchtig dazuverdienen. Kein Senderchef kann sich dagegen wehren wenn ihm sein "Berater" ein verändertes Musikformat aufnötigt, Rotationen online manipuliert oder andere Veränderungen durchboxt.
Im inzestuösen deutschen Radiogewerbe bräuchte man eigentlich keine "Berater", weil sich kein Anbieter im freien Markt bewähren muss. Und tatsächlich sind die Berater das verbindende Glied, das dafür sorgt, dass niemand aus der Reihe tanzt, d.h. Druckmittel und Ordnungsmacht zugleich. Will man einen nicht verlegerbeherrschten Radioanbieter zur Räson bringen so "verordnet" man ihm einen "Berater", der den Laden tüchtig auseinandernimmt und auf Linie bringt - im Gegenzug fließt ein mehr oder minder angemessener Teil des von den Agenturen verwalteten Werbebudgets an die kooperierenden Radiosender. Verlagseigene Radios brauchen erst recht keine Berater weil nahezu alle Wellen formattechnisch gleichgeschaltet sind, als Disziplinierungswerkzeug sind sie aber überaus wertvoll um das Radiopersonal klein halten zu können ("Divide et impera").
So ein Radio-"Berater" braucht nicht viele Qualifikationen: er muss sich ein Basiswissen über AC-Formatierung angelesen haben, sollte die meisten Standardinterpreten der deutschen Radiogeschichte einschließlich ihrer Smash-Hits auswendig kennen und sollte über ein schneidiges Auftreten verfügen, um die Raumtemperatur jedes "beratenen" Senders um mindestens 10 Grad zu senken - der Rest ist Vitamin B. Bei der Auswahl des Promomaterials verlässt man sich auf die festen Zulieferer aus London und auf die eigene Nase, der Resarchapparat sorgt für die nötige Auslese. Deutschsprachige Künstler aufzubauen ist in dieser Formatzwangsjacke völlig inopportun, also belässt man es bei ein paar "Deutsch-Poppern", die vor allem gegen das Schlagerimage positioniert werden.
Infolge schrumpfender Werbeeinnahmen teilen die Verleger nicht mehr so gern mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mit denen man lange Zeit einen funktionierenden, wenn auch nicht besonders respektvollen Modus Vivendi pflegte. Manche Anstalten buhlten stärker um Werrbeeinnahmen und warfen sich den Beratern als "Türöffner" des Verleger-Agenturen-Werbetandems geradezu an den Hals, andere kooperierten nur partiell oder nahmen einige Wellen zur Gänze aus dem Wettbewerb. Jetzt, wo sich die Verdienstaussichten generell eintrüben, erwartet das Werbescharnier offenbar mehr Kooperationsbereitschaft von den öffentlich-rechtlichen Funkhäusern.
Die meisten von ihne lassen sich bereitwillig kaufen, überlassen ihre Wellen weitgehend der Beraterwillkür und versuchen so viel Geld aus dem System zu pressen wie nur irgend möglich. Öffentlich-rechtliche Tugenden wirft man da lieber gleich über Bord, sie wären beim Gelderwerb nur hinderlich; der Schlager muss auch dran glauben, weil die Berater schließlich überall ihren jahrzehntealten Oldiemix unterbringen wollen. Private Schlagersender, die im Anzeigenrevier der Tageszeitungen wildern, gibt es ohnehin nicht. Für so was machen die Agenturen grundsätzlich kein Geld locker, und wer sich von keinem Beraterhäuptling bevormunden lassen will, muss frustriert die Segeln streichen. Für die frei gewordene Frequenz fand sich garantiert immer ein Abnehmer.
DAB hatten unsere lieben Herrn Verleger ganz und gar nicht auf der Rechnung, so was schmerzt, entwertet einst unanfechtbare Monopole und erzwingt Innovationsgeist und Wandlungsfähigkeit, allesamt Eigenschaften, die man in diesen Kreisen bisher für überflüssig und unnütz hielt. Auf das nächste Kapitel in dieser unendlichen Geschichte darf man gespannt sein...