Über den Rechtsruck bei Wahlen in Deutschland wundere ich mich jedenfalls nicht.
Ich mich auch nicht, aber aus anderen Gründen. Es gibt Menschen, die haben fast nichts und teilen selbst das noch. Und kommen nicht ansatzweise auf die Idee, die Welt mit Hass zu überziehen.
Das, was hier abläuft, ist Ergebnis eines völligen Verschwindens des Bewusstseins, daß wir alle letztlich ein "Wunder der schöpfung" (für die, die an sowas glauben) sind bzw. ein Produkt des großartigen Zufalls, daß hier ein Planet genau die Stellung im Sonnensystem hat, die Leben ermöglicht (für die Naturwissenschaftler). Wer mit diesem Bewusstsein verbunden ist, hasst nicht und tötet nicht.
Und in meinem Umfeld sehe ich tatsächlich Gut- und Bestverdiener ins Rechte und rechtsextreme abdriften. Warum? Weil mans heute scheinbar "darf". Triebkraft ist bislang bei allen beobachteten Fällen eine (durchaus verständliche) Unzufriedenheit mit der eigenen beschissenen Situation. Psychosozial beschissen, nicht monetär beschissen. Da sind Doktoren drunter, einstige sogenannte "Linke" (man kann Hass in aller politischer Richtungen Namen irgendwohin projezieren), weltgewandte Globetrotter mit zuviel Geld finden sich dort ebenso wie Leute mit Einfamilienhaus, Auto davor und Pool dahinter.
Da korreliert nichts mit finanzieller Armut und auch nichts mit formaler "Bildungs-Intelligenz". Da korreliert sehr viel mit seelischer Armut. Also genau mit dem, was die Menschen schon 1989 im Osten zum Besietigen ihres Landes brachte. Wer seelisch unzufrieden ist, versucht durch Konsum zu kompensieren. Klappt aber nicht, adressiert ja nicht das eigentliche Problem. 25 Jahre lang ging es halbwegs "gut", nun bietet sich mit den Flüchtlingen und allgemein aufgrund der Lage an, die zweite Stufe zu zünden. Die Geschichtsbücher werden in einigen Jahrzehnten ergänzt werden müssen: die sogenannte "friedliche Revolution" von 1989 entpuppte sich knapp 30 Jahre später als mörderischer Hass-Feldzug der vom unbegrenzten Konsum Abgeschnittenen gegen die Welt. Es gab Leute, die waren helle genug, schon 1989 davor zu warnen.
Klaus-Peter Hertzsch beispielsweise. Am 25.11.1989 sprach er in Jena auf einer Kundgebung:
"Und die Wohlstandsgesellschaften haben längst die Erfahrung gemacht: Wer sich auf dem Karussell von Streß und Konsum immer nur um sich selber dreht, wird bald merken, sein Lebenslauf ist Leerlauf. Wir haben uns von manch Ketten freigemacht. Wir brauchen keine neuen. Auch Ladenketten können die Menschen fesseln. Und wir haben wenig gewonnen, wenn die Herrschaft der Funktionäre durch die Herrschaft der Millionäre ersetzt wird."
Das Protokoll vermerkt, daß der Applaus da nur noch sehr verhalten kam. Die Leute wollten endlich Westgeld. Nun haben sie es und es geht ihnen genauso beschissen sinnlos wie zuvor, manchen noch schlimmer). Also setzen sie zum nächsten Schlag an - natürlich dort, wo die Ursache nie und nimmer zu finden ist. Wäre ja ansonsten auch in eigener Sache zu unbequem.