60 Jahre Kassette: Von Mixtapes, Hitparaden bis Entertainment

Vielleicht mag es Euch verwundern, aber auch ich zähle mich noch zu den Kassettenkindern. Seinen Anfang nahm alles mit Hörspielkassetten, die mich mit dem Medium Kassette vertraut machten. Und irgendwann, ich muss beinahe vier Jahre alt gewesen sein, fiel mir mal ein Band in die Hände, auf dem meine Großeltern zu hören waren, aber wesentlich jünger klangen. Und dann waren da noch zwei Kinder. Das mussten wohl meine Mutter und ihr Bruder sein.
Das fand ich nun sehr faszinierend und wollte meine Stimme auch mal aufnehmen. Und so bekam ich Weihnachten 2007 einen kleinen Kassettenrecorder nebst einiger Leerkassetten geschenkt. Es folgten Aufnahmen von meinen Großeltern, die mir Geschichten vorlasen, von CDs (was auch immer ich mir dabei gedacht haben mag) und eine vielzahl selbstgesungener Lieder, auswendiggelernter Gedichte und allerlei kindlichem Dummschwatz, von dem ich nur inständig hoffen kann, dass diese Bänder niemals von irgendwem entdeckt werden.
Und als dann mit etwa sieben Jahren die Leidenschaft für das Radio aufkam, wurde das natürlich auch dokumentiert. Ich begann, selbst sowas ins Mikrofon zu sabbeln, das ich für Moderationen hielt und unterbrach diese hin und wieder durch Musik, die ich mittels des daran gehaltenen Mikrofons von meinem CD-Player abnahm. Irgendwann bekam ich mal einen Recorder geschenkt, der ganz offenbar einen Defekt hatte. Wollte man eine Aufnahme überspielen, nahm der Recorder die neue Tonspuhr zwar auf, die vorherige blieb allerdings sehr gut hörbar und nur etwas leiser auf dem Band zurück. Doch ich wusste meinen Vorteil daraus zu ziehen. Auf einmal waren jetzt Interviews mit verstellten Stimmen möglich und ich konnte über die Musik sprechen, so, wie die das beim Radio auch machen.
Und irgendwann entdeckte ich dann, dass mein Radio nicht nur auch einen Kassettenspieler hatte, sondern dass man mit diesem auch direkt aus dem Radio aufnehmen konnte. Ab da gab es für mich kein Halten mehr. Ich nahm alles auf, was mir damals aufnehmenswert erschien. Jingles zum Beispiel. Ich hatte nämlich schon recht früh realisiert, dass diese von Zeit zu Zeit ausgetauscht wurden. Ich glaube, klar wurde mir das damals, als SWR1 2014 ein neues Paket bekam. Diese Jingles lösten damals jene ab, die bereits seit 2007 im Einsatz und daher für mich gefühlt schon immer dagewesen waren.
Ich archivierte also fleißig alle Jingles, derer ich via UKW habhaft werden konnte und war stolz wie Bolle, wenn ein Sender neue Jingles bekam und ich es vorher geschafft hatte, die alten noch aufzunehmen. Das Beste waren aber immer Überreichweiten. Da kamen dann plötzlich ganz andere Sender rein, mit anderen Jingles, anderen Moderatoren und so weiter. Auch das wurde natürlich auf Kassette festgehalten. Und ansonsten eben alles, was mir zu diesem Zeitpunkt so vorkam, als sei es einer Archivierung würdig. Das Finale der SWR1 Hitparade 2014, eine Kabarettübertragung, die Sondersendung zu 30 Jahren RPR1, die letzten Worte eines Moderators von Radio Regenbogen oder auch nur die Werbung. Aus 2015 habe ich bestimmt fünf Kassetten nur mit Werbespots, von denen manche heute schon reichlich skuril anmuten, wie etwa ein Spot vom August 2015, der bejubelte, wie umweltfreundlich doch ein Diesel von Volkswagen sei.
Und das alles nahm ich ganz selbstverständlich auf Kassette auf. Der Grund war, dass die Bedienungsweise geradezu ungeheuer simpel war. Du brauchtest nur das kleine Kästchen mit den Spulen und einen Recorder. Der hatte dann eine Amatur mit sechs Tasten, deren Funktionsweise sich mir schnell erschlossen hatte. Und dann konnte es auch schon losgehen, mehr Hardware und Wissen brauchte man nicht. Erst 2016 bekam ich ein digitales Aufnahmegerät geschenkt, das mir bis heute gute Dienste leistet. Ich lernte es zu bedienen und auch, wie man per AUX-Kabel eine externe Quelle, wie eben zum Beispiel ein Radio, daran anschließen und aufnehmen kann. Und heute hat sich diese Methode bei mir abermals überholt. Sendungen werden inzwischen direkt mit dem VLC-Player mitgeschnitten und anschließend mit Audacity bearbeitet. Die Kassette hat also bei mir längst ausgedient, aber ich denke immer gern an die Zeit zurück, in der diese eigentlich schon damals aus der Mode gekommene Technik so intensiv von mir genutzt wurde, dass die Play und die Rückspuhltaste an meinem damaligen Kassettenradio heute ganz ausgeleiert sind.
 
  • Like
Reaktionen: JP
@indigo7 : Wow! Knappe 17 Minuten?
Naja, mir gelang es mal, die Maxi von Genesis "Tonight Tonight Tonight " mitzuschneiden, immerhin 11:40 Minuten lang. Da war aber noch reichlich Platz auf der MC.
 
Meinst du? Wenn ich meinen Leuten z.B. von "Ollies 80er Charts" auf Hamburg Zwei erzähle und ihnen die Playlisten zeige, schwärmen sie auch von den Songs, die sie ewig nicht mehr gehört haben.
Ich könnte denen jederzeit eine MC dieser Art zusammenstellen, sie wären hellauf begeistert.
@indigo7 hatte einst eine "Internationale Hitparade" auf NDR 2 gepostet, von der ich meine, davon ebenfalls einiges mitgeschnitten zu haben. Diese Tapes habe ich heute noch.
Nein, ich meinte nicht eine MC mit lauter 80er Musik. Ich meinte "Erstelle heute eine MC mit heutiger Musik und verschenke sie an Freunde, von denen Du glaubst, sie teilten Deinen Geschmack. Findest Du nicht mehr."
 
"Tonight, Tonight, Tonight" hat auch Jürgen Jürgens (RIP) in der "Hey, Music" auf SFB 2 komplett ausgespielt. Damals war ich in der Grundschule (5. & 6. Klasse) eh der "musikalische Held", da ich viel vom Radio mitgeschnitten habe. Im Musikunterricht hatte ich sogar eine 1, wegen der damals aktuellen Musiktitel die auf der Schulanlage abgespielt wurden, so konnten wir u.a. die Zeilen der "Housemartins" (eines der frühen Norman Cook Projekte) und derer Coverversion von "Caravan of Love" (wurde zur Nr.1 der Media-Control-Charts, wenn ich mich nicht irre) mitgröhlen, was auch dem Englisch-Unterricht gut tat.

Aber auch andere Maxi-Versionen, die damals im Radio ausgespielt wurden, waren heiß begehrt. Als sogenannter "Kinder- und Jugend-Hobby-DJ" war ich richtig gut geworden und selbst auf der Klassenfahrt 1987 nach Sylt im Schullandheim hatte ich einige Tapes mitgenommen. War schon eine tolle Zeit damals.

In all den Jahren seit meiner Kindheit (ab ca. 1980-81) bis 2012 hatte ich über 400 Audiokassetten (die mussten auch vier Mal Berlin-Italien und wieder zurück "überleben"), einige taten es nicht, andere kamen mit dazu.

Letztendlich habe ich ab Ende der 1990er Jahren dann auch viele meiner Kassetten auf MiniDisc "überspielt" und die letzten übriggebliebenen dann in einem "Digitalisierungsprojekt" 2011-2012 auf DVD-Rohlingen im unkomprimierten AIFF Format "digitalisiert", als Backup dann auch auf eine externe HDD.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier im Norden hatten wir das Glück, mit Wolle Stubel einen Hitparadenmoderator zu haben, der den einen oder anderen Titel als Maxi spielte, ohne dazwischen zu quatschen. Da war die 9-Minuten-Version von Billy Ocean "Get outta my dreams", die Langrillen von Sandras "Heaven can wait", "I think we're alone now" von Tiffany, George Harrison "Got my mind set in you" etc. Sein Nachfolger Ulli Harrass übernahm das dann ab 1989, mit "Swing the mood" oder "Licence to kill. "
Auch Gerd Alzen spielte in seinen "Maxis Maximal " einige Langrillen aus.
Die arme "Record"-Taste auf meinem damaligen Radiorecorder 😉.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich war auch lange ein Kassettenkind. Lag daran, weil wir nicht viel Geld für LPs hatten, CDs erst im Anfangsstadium waren und so die Kassette ein hervorragendes und günstiges Medium war, auf dem man Musik abspielen und erhalten konnte.

Bis 1986 habe ich Kassetten lediglich gehört. Meist waren dies Hörspiele oder gekaufte Kassetten Marke Formel 1 und andere, wobei letztere deutlich in der Minderheit waren (meist bekamen wir sie geschenkt, wir hatten nicht viel Geld). Dann holte mein Vater zwei Kassettenrekorder aus der Mottenkiste. Erst sein altes Gerät, welches aber nicht mehr funktionstüchtig war, dann das Gerät meiner Ma, ein alter Universum Baujahr 1973, welchen sie zu ihrem Geburtstag erworben hatte. Nachdem diverse Reparaturarbeiten durchgeführt waren (es wurde u. a. eine Autoradioantenne als Hilfe eingebaut, die Teleskopantenne war abgebrochen) war das Gerät wieder funktionstüchtig. Das erste abgespielte Lied war das orchestralische Ende von "Little Does She Know" von den Kursaal Flyers (ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich die Stelle höre).

Ich habe dann eine C60 zunächst mit Gesprächen von meiner Ma und mir aufgenommen, später habe meine ersten Radioaufnahmen damit gemacht und wollte die alten "überspielen" (ist noch erkennbar, da der Ton- bzw. Löschkopf verschmutzt und somit die alte Aufnahme nicht vollständig weg war, die Stimmen sind noch erkennbar). Folgende Titel waren auf der ersten Seite der Cassette (aufgenommen von WDR 2):

Bryan Ferry - Don't Stop The Dance (die kurze Video-Version, nicht die, welche später im Radio gespielt wurde)
Steinwolke - Katherine, Katherine
Falco - Junge Römer
Nick Kamen - Each Time You Break My Heart
Eurythmics - Miracle Of Love
Jerome - 13 Bilder
The Dream Academy - Life In A Northern Town
Medicine Head - One And One Is One (diese Aufnahme kam von BFBS samt "Reinsprecher")
Gilbert Montagne - Bienvenue

Im Sommer 1987 lernte ich dann Radio 3, heute 3FM, kennen und lieben (bis heute, auch wenn er ziemlich nachließ, aber immer noch Songs abseits des Mainstreams spielt). Er war in Vreden (Kreis Borken) über die 96.2 besser zu empfangen als der WDR und damals revolutionär, da er sehr hitorientiert war, aber auch Mut hatte, andere Songs zu spielen (lag wohl auch an der horizontalen Programmierung - jeden Tag eine andere Anstalt, aber das ist ein Thema für sich). Ich habe bis zu meinem achten Lebensjahr (Sommer 1988) dreißig Cassetten selbst bespielt, meist wie Habakukk nur mit Musik, aber es gab auch moderierte Strecken, die ich mitgeschnitten habe. So konnte ich in einer "Verukkelijke 15" (juryermittelte Hitparade) die Stimme von Rob Stenders und die Ausgabe ("27 oktober 1987") erkennen. Die Cassetten habe ich alle noch, auch das Gerät, welches dieses Jahr 50 Jahre alt wird. Ich glaube, ich muss dem Gerät eine Generalüberholung unterziehen, damit es zum Geburtstag fit ist. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das erste Lied das ich damals (1973) auf eine C60 Cassette gebannt hatte, war nichts geringeres als "Wig Wam Bam" von "The Sweet". Manche Sachen sind unvergessen!
 
Zurück
Oben