AW: DT64-Projekt im Zeughauskino Berlin
Das sieht nicht nur so aus, das ist so. Schon vergessen, wie so mancher sich erst vorletztes Jahr wieder in die Nalepastraße gewagt hatte, weil es ihm vorher schlicht zu nahe gegangen wäre?
K6, ich denke, nicht nur, weil ihnen aus rein privater Befindlichkeit an die Nieren gegangen ist, was daraus wurde. Natürlich tut das weh, und wenn eine betagte Tonmeisterin (?) aus der Nalepastraße in privater Runde sagt, gut, daß wir so alt sind und diesen Scheiß heute nicht mehr beruflich erleben müssen, zeigt das deutlich, daß es hier um alle Aspekte geht: Programminhalt, Produktionsweise, Akustik, Ästhetik, Anspruch, ... geht mir als Jungspund doch nicht anders. Rundfunk klang für mich das letzte mal gut, als er aus der Nalepastraße kam und nicht aus RE20-bestückten Glaskästen. Und an die Authentizität und Lebendigkeit des Rundfunks der Jahre 1990/91 kam später nie wieder etwas heran, dagegen wirkt heute alles steif, inszeniert, leblos, künstlich - genau so wirkt allerdings das gesamte Land, das gesamte Leben auf mich. Man hat sich verordnet, nichts mehr fühlen und nichts mehr authentisches mitteilen zu wollen, also macht man eben auch Radio nach Schnittmusterbogen. Genau so macht man allerdings auch Politik, Jugendarbeit, Bildungswesen und Wirtschaftssystem. Ich nehme auch in meinem beruflichen Umfeld zunehmend Realitätsverweigerung wahr und wenns dann kracht (und ja, es kracht gerade mächtig derbe und alles fließt nach China ab), stehen alle da und tun so, als wären sie überrascht. Offenbar funktioniert das Ausblenden der Realität und das Abschalten der eigenen Gefühle in diesem Land inzwischen so gut, daß die Menschen tatsächlich von der ganz normalen Realität überrascht werden können.
Im vorliegenden Fall scheint es meinem Gefühl nach aber durchaus um eine "Hardliner-Frage" zu gehen. Hier wird bestimmten Kreisen (vor allem den "unpolitischen" Musikleuten) das Recht abgesprochen, aus der Zeit ihrer Teilnahme zu berichten. Hier klingt für mich an manchen Ecken deutlich ein versteckter "Klassenkampf" an, ein Groll darüber, daß bestimmte Dinge seit 1989 nicht mehr möglich sind. Ich mag mich irren, aber genau so wirkt es auf mich.
Offenbar wird das Hochstilisieren der Frau Hasselmann in bestimmten Kreisen als genau das wahrgenommen. Ich war zu Zeiten des Mauerfalls 15, ich hatte die Grenzen meiner Entfaltungsmöglichkeit nie erreicht und deshalb steht es mir nicht zu, da tiefere Deutungen vorzunehmen. Das, was ich zu hören bekam, wirkte aber in der Tat wie "die solln sich mal nicht so haben, hätte ja auch Bautzen werden können oder Gulak oder standesrechtlich erschossen oder von Honecker und Mielke gevierteilt - das muß denen doch vorher klar gewesen sein." Aber es wurde eben "nur" Strafversetzung und Mikrofonverbot. Nicht jeder hielt das offenbar damals für "angemessen", sondern für überaus harmlos - wen wunderts? Irgendwoher muß der Staatsfunk doch seine Kraft bezogen haben.
Als Aufhänger für die Frage, was sich Radio im Wortbereich traut, taugt der Vorfall von damals (der, das muß wahrscheinlich klargestellt werden, offensichtlich nicht nur aus einem Satz in der Begrüßung bestand) doch allemal. Diskutiere man doch ruhig einmal, wie groß die Scheren sind, die heute in den Köpfen sitzen. Vielleicht ist es manchem ja selber noch garnicht aufgefallen?
Da fällt mir ganz spontan einer ein:
Ist das witzig?
Und der ist 100% unpolitisch sowie 100% harmlos. Die Folgen dieser meiner Meinung nach zutiefst berechtigten Frage reichen allerdings bis zu zerstörten privaten Kontakten und Freundschaften. Und ich ahne (nachfragen kann ich ja nicht mehr dank vollständigen Abrisses der Funkverbindung, auch der werte Hausnachbar hat keine solche mehr), daß es hier möglicherweise zu einer völligen Distanzierung vom einst heißgeliebten Beruf gekommen sein mag. Im Westen, nicht etwa im Osten, wo 1991 alles von außen abgewickelt wurde! Im Westen wickelte und wickelt man dann bis heute brav in Eigeninitiative seine Identität und seine kulturellen Wurzeln ab und übergibt sich brav und widerstandslos seinen Schlächtern, die, da nicht aus einem anderen Land kommend, offenbar deutlich schwieriger zu erkennen sind. Und die - so Zitat aus einer westlichen ARD-Anstalt - am Urinal nebenan durchaus völlig unauffällig und freundlich daherkommen. Offenbar aber eben nur dort. Ich habe es an anderer Stelle vor längerer Zeit schon einmal behauptet: der öffentlich-rechtliche Rundfunk befindet sich großteils fest in den Händen seiner Feinde.
Und da könnte ich mit der Faust rein, immer und immer wieder. Da das leider strafbar ist, hoffe ich ganz einfach, daß sich das elende System in den kommenden Jahren komplett von selbst überflüssig macht. So, wie es derzeit in diesem Land läuft, ist es dem Untergang geweiht. Das betrifft nicht nur den Rundfunk, sondern auch weite Bereiche des täglichen Lebens, der Industrie usw...
Und erzähle doch mal die Geschichte, wie Klaus Walter in die Richtung von „alles Stasi“ argumentierte, dabei anscheinend Lutz Schramm mit Lutz Bertram verwechselt hatte, was wiederum bei Hannelore Steer den Kragen zum Platzen brachte. So kann man sich das natürlich auch gleich sparen.
Ich wollte das nicht weiter breittreten, es war Walter peilich genug. Da hat offenbar wirklich im Vorfeld bei Gesprächen mit diesem und jenem eine folgenschwere Verwechselung stattgefunden, so daß Walter dann Schramm nach dessen Stasi-Verstrickung fragte und darauf beharrte, entsprechende Infos aus Quellen zu haben, die er nicht nennen wolle. Schramm nahms locker und meinte, wenn jemand eine solche Akte über ihn beschaffen könne, immer her damit, das wäre spannend, er kenne nämlich keine und die dreifache (!) Kontrolle beim ORB/RBB hätte auch nichts entsprechendes zutage gefördert.
Bei "dreifache Kontrolle" wäre mir beinahe der Kragen geplatzt. Frau Steer (saß im Publikum) platzte dann der Kragen halt aus anderen Gründen, sie geigte Walter ihre Meinung und verschwand vor Ende der Veranstaltung. Walter und Schramm zogen anschließend mit dem Kurator los, eine Bier-Zapfmöglichkeit zu finden. Geht doch.