AW: Mal wieder Formatwechsel bei MAIN FM
Hörfunk
Hand in Hand
VON ULRIKE SIMON
Hinter den Kulissen des Hessischen Hörfunkmarkts ist ein Streit entbrannt, als dessen Opfer sich Main FM sieht. Der Hörfunksender ist einer der kleinsten im Rhein-Main-Gebiet und seit wenigen Wochen im Besitz der französischen Radiokette NRJ. Sie betreibt in Deutschland unter dem Namen Energy mehrere Stationen, unter anderem in Hamburg, München und Berlin.
Der Streit dreht sich darum, ob Main FM ein Spartenprogramm für Wirtschaftsberichterstattung mit hohem Wortanteil bleibt und inwiefern die beiden marktbeherrschenden Hörfunkgruppen Hessens - der Hessische Rundfunk und die private FFH-Gruppe mit Hit Radio FFH, Planet Radio und Harmony.FM - Lobbyarbeit zuungunsten eines Konkurrenten betreiben. Ausgetragen wird der Streit vor dem Hintergrund des neuen Hessischen Privatrundfunkgesetzes, das Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags in Landesrecht umsetzen soll. Heute soll der Gesetzesentwurf im Hessischen Landtag in zweiter Lesung debattiert werden.
Main FM hat eine wechselvolle Historie. Sie beginnt auf dem Höhepunkt der New-Economy-Phase, als sich mehrere Gesellschafter zum Frankfurt Business Radio zusammenschlossen, um einen Sender für Wirtschaftsinteressierte zu gründen. Daraus machte die Frankfurter Allgemeine Zeitung das FAZ Business Radio, verkaufte den Sender jedoch bald an die französische Lagardère-Gruppe. 2004 wurde aus FAZ Business Radio Main FM.
In diesem Jahr übernahm NRJ den 49-Prozent-Anteil von Lagardére und ist bei Main FM nun größter Gesellschafter mit einer Sendelizenz bis 2015. NRJ kündigte an, das Programm zu reformieren und den Sender in Energy Rhein-Main umzubenennen. An die Lizenzvorgabe, ein wirtschaftsorientiertes Programm mit hohem Wortanteil und stündlichen Nachrichten zwischen 6 und 19 Uhr zu veranstalten, will sich Geschäftsführer Tom Adams halten. Allerdings definiert er Wirtschaft breiter als es etwa das FAZ Business Radio tat. Er zählt auch "digitale und Entertainment-Lebenswelten, regionale und verbraucherorientierte Informationen" dazu.
Wiederholungen zulässig
Der Gesetzesentwurf für den hessischen Privatrundfunk sieht für den Spartensender nun vor, "dass der Programmschwerpunkt Wirtschaftsberichterstattung stärker auf die Kernzeit fokussiert wird, in der Wirtschaftsnachrichten tatsächlich anfallen können." Entsprechende Sendungen sollen nur noch "insbesondere in der Zeit zwischen 7 und 20 Uhr ausgestrahlt werden". Entschärfend wirkt sich auch der Zusatz aus: "Wiederholungen bei geringem Nachrichtenanfall sind zulässig."
Gegen den Entwurf protestieren sowohl FFH-Chef Hans-Dieter Hillmoth als auch HR-Intendant Helmut Reitze, wie der FR vorliegende Schriftstücke belegen. Insbesondere Hillmoth setzt sich für verschärfte Vorgaben ein. Er fordert, der Wortanteil des künftigen Energy Rhein-Main müsse zwischen 6 bis 22 Uhr "mindestens 30 Prozent" (ohne Werbung, Wetter und Verkehr) betragen. NRJ könnte den Sender sonst zu einem inhaltsarmen Mainstream-Sender entwickeln, gemäß dem NRJ-Slogan "Hit Music Only".
Main-FM-Chef Adams widerspricht: Derzeit betrage der Wortanteil 25 Prozent ohne, 36 Prozent inklusive Wetter, Verkehr und Werbung. Dies wolle er nicht reduzieren. Das Vorgehen von FFH und HR kommentiert er als "untereinander abgesprochenen Versuch, einen Wettbewerber durch eine schärfere Gesetzeslage aus dem Markt zu drängen". Von der Rechtsanwaltskanzlei Hogan Lovells lässt er prüfen, ob FFH und HR ihre marktbeherrschende Stellung gegen einen missliebigen Wettbewerber missbrauchen.
Ähnlich sieht das wohl auch der Direktor der hessischen Landesmedienanstalt, Wolfgang Thaenert: "Ich finde es bemerkenswert, dass beide mit denselben Positionen auftreten." Verstehen könne er das nur "vor dem Hintergrund des Wettbewerbs" auf dem hessischen Hörfunkmarkt. Thaenert plädiert für Anbietervielfalt und setzt darauf, dass mit NRJ endlich ein Gesellschafter gefunden ist, der ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept für das Spartenprogramm entwickelt.
Genau das, sagt Adams, wollen FFH und HR verhindern. Erfahrungsgemäß verringern sich Hörerzahlen und Werbeeinnahmen, je höher der Wortanteil eines Programms ist.