Ich erkenne die Rolle der nichtkommerziellen Lokalradios (NKL) in der pluralistischen Medienlandschaft an, ja. So viel Fairness muss sein.
Bedauerlicherweise hängt da ein großes "ABER" dran.
In den vergangenen Jahren habe ich Radio Darmstadt und Radio X besuchen dürfen und darüber hinaus Kolleginnen und Kollegen anderer NKLs kennengelernt. Kurzfassung: Ich bin überwiegend enttäuscht. Es hat mich sogar nachhaltig davon abgebracht, mich dort zu engagieren und stattdessen lieber "kleines" Webradio zu machen.
Okay, ich bin jetzt auch nicht so heiß auf Hörerzahlen, terrestsische Verbreitung oder Bekanntheitsgrad. Ich liebe das Medium und seine Möglichkeiten.
Genau dieses Herzblut, die Leidenschaft und nicht zuletzt das Radiovirus scheint mir bei den mir bekannten NKLs mehrheitlich zu fehlen. Und das stört mich.
Im Laufe der Jahre habe ich genau zwei Menschen kennengelernt, die bei den NKLs so viel Energie eingebracht haben, dass man denken musste, sie wären dort falsch - und tatsächlich verlief ihr weiterer Weg dann im professionellen Radio.
Ist das nun ein Lob an die NKLs, dass sie solche Persönlichkeiten entwickeln oder eine Schande, dass sie solche Menschen als Ausbilder und Multiplikatoren nicht halten können?
Mein Eindruck ist, leider, immer noch der gelebte Dilettantismus: "Wir wollen nicht so sein wie die anderen" (was man bedauerlicherweise dann auch zu hören bekommt). Ganz ehrlich, das bekomme ich auch in jedem schlechten Webradio, und von einigen wenigen guten Webradios werden die NKLs problemlos überholt. Ganz ohne Zuschüsse der zuständigen Landesmedienanstalt.
Professionellere Elemente in der Sendefolge wurden damals ein wenig argwöhnisch betrachtet.
Ich fürchte, das ist heute auch noch so, und nicht nur bei Radio X.
Darauf aufbauend, meine aktuelle Sichtweise, auch über Frankfurt hinaus:
Was mich am meisten stört, und hier dürft ihr mein vielleicht romatisch verklärtes Weltbild gerne korrigieren, ist, dass sich die jeweiligen NKLs gar nicht als Einheit, als
ein Radio ansehen. Ich halte das sogar für einen Fehler.
Es scheint dieses "Wir-Gefühl" gar nicht zu geben. Jeder wurschtelt vor sich hin und man arbeitet nicht übergreifend. Von einheitlichen Verpackungselementen ist mir nichts bekannt, keine Cross-Promotion zwischen den Redaktionen, keine Teaser, keine Nachbereitung gelaufener Sendungen ("heute morgen/gestern/diese Woche bei (...)") oder auch mal Beiträge aus den Redaktionen in der Automation ("Ein Tipp aus der Kino-Redaktion [es folgt ein Beitrag aus der vergangenen Sendung], mehr davon jeden zweiten Donnerstag um [Uhrzeit] auf [Sendername]").
Mir wurde gesagt, so etwas sei gar nicht vorgesehen und es sei den jeweiligen Redaktionen auch gar nicht zumutbar (ja, das war ein O-Ton dazu vor einigen Jahren).
Bei aller Höflichkeit, für mich ist das nicht wirklich "Radio", auch wenn der Begriff rein technisch zutreffen mag.
Dass man sich in Redaktionen organisiert: Na gut, aber wenn man neu hinzukommt - an was soll man sich denn orientieren? Woher weiß ich, zu welcher Redaktion (vulgo: Sendung) ich gehören möchte?
Angenommen, mein Herz schlägt für den öffentlichen Nahverkehr und mein Themengebiet umfasst die S-Bahn-Tunnelsperrung in der Innenstadt während der Sommerferien, der Schienenersatzverkehr während des Ausbaus der Strecke auf der S6, die nicht fahrenden Wasserstoffzüge ab Bad Homburg (Pendler!) und die Verzögerung beim Ausbau der U5 ins Europaviertel? Die Probleme bei der Beschaffung der neuen Trams ("T-Wagen")?
Welche Redaktion(en) fühlen sich da angesprochen? Da kommt niemand auf dich zu, da musst du dich richtiggehend bewerben und wirst bestenfalls noch kritisch beäugt. Ziemlich hohe Hürden für einen engagierten Menschen.
Bei einem NKL habe ich mich mal als eine Art "rasender Reporter im Pool" angeboten: Gebt mir ein Thema und die erwünschten zu sammelnden O-Töne, und ich mache einen Beitrag daraus.
Antwort; Pool? Haben wir nicht und wollen wir auch gar nicht.
Was spricht denn dagegen, sich auf die Zeil / die Schweizer Straße / Leipziger Straße / Höchster oder Bernemer Wochenmarkt, sowie den Kaisersack zu stellen und Stimmen zur Eintracht, dem Frauenfußball, der Inflation, der Lokalpolitik, dem Nahverkehr, der Sperrung des Mainkais, zum Feuerwerk oder den Streikauswirkungen (wer auch immer gerade streiken mag) zu sammeln?
Zack, mindestens drei Redaktionen bedient, ohne tief in einer Redaktionskonferenz gebrütet haben zu müssen. Herrjeh, warum so verbohrt?
Muss der CSD ausschließlich in der LGBTplusplus-Redaktion thematisiiert werden? Spoiler: Nein, man muss nur mal das Potential auch in anderen Sendungen erkennen. Muss dann jeder von denen einen Reporter losschicken? Oder geht es nur darum, dass ein einzelner Moderator seine persönliche Meinung ins Mikrofon quäkt?
Hey, ihr seid
Lokalradios!
Nur ein einziges Mal gab es einen Projekttag bei einem NKL, und auch nur, weil ich einen der Aktiven dort kannte, wurde mal so was daraus: "Du, wir haben da noch ein unbesetztes Thema, also schnapp' dir den Rekorder, geh' dahin und schneide einen Beitrag zusammen; in zwei Stunden gehen wir damit auf Sendung". Jupps, habe ich gemacht, es war cool, alle hatten Spaß und das Erlebnis war großartig. So angelt man sich begeisterte Mitmacher!
Irgendwie ärgert mich so eine vermeintliche "Verweigerungshaltung", weil man auf diese Art und Weise den interessierten Bürger im Zweifel viel leichter an das Mitmach-Medium "Radio" heranführen könnte. Liegt das nicht auch im Interesse der Landesmedienanstalt?
Sollten rechtliche Aspekte gegen eine solche Offenheit sprechen, klärt mich bitte auf. Aber jetzt bitte nicht mit einer Satzung von anno tobak um die Ecke kommen: Die lässt sich auf einer Mitgliederversammlung ändern.
Auf Dauer ist leider nichts aus meinem möglichen Engagement beim NKL geworden. Als Frankfurter würde ich dank D-Ticket auch mal schnell mit der RB in 18 Minuten nach Darmstadt fahren, wenn die besser wären (muss man "Heiner" sein, um Darmstäder Radio mit Content zu versorgen?).
Die meiner Meinung nach guten Radiomacher gehen den beruflichen Weg oder widmen sich anderen Projekten und was bleibt im NKL? Oftmals nur schwer erträgliches.
Leider.
Meine These: Eure Struktur und euer Selbstverständnis ist falsch. Ihr sollt ja den privaten oder dem ö-r keine Konkurrenz machen, aber geht es nicht auch irgendwie um die Hörer? Könnte man dem ganzen Konstrukt nicht vielleicht auch einen Rahmen geben, der den Eindruck von Einheitlichkeit vermittelt, in dem dann die verschiedenen Formate ihren Platz haben?
Falls es diesen geben sollte: Ich habe ihn jedenfalls noch nicht wahrgenommen.