Das Thema Musik im Radio hat mich vor Jahren schon beschäftigt und ich habe mit Studenten eine Umfrage gemacht und da wurde die These bestätigt: ca. 80% hören Radio wegen der Musik !
ABER ( jetzt kommt das große ABER !):
Wir haben diese 80% dann noch näher nachgefragt und gesagt:
Wir geben ihnen eine Sammlung CDs, die so groß ist wie die des Radios, würden Sie dann statt dem Radio dem CD-Player zuhören bzw. warum hören sie nicht statt Radio die eigene CD Sammlung an ?
Darauf kamen folgende Antworten: Ich habe selber viele CDs aber Ich will eine Begleitung haben, beim Radio SAGT mir noch jemand was dazu, da bin ich nicht allein, bei meinen eigenen CDs ist es keine Überraschung - da weiß ich immer schon was als nächstes kommt, ich höre schon auch meine eigenen CDs, aber Radio höre ich, wenn ich mehr als Musik brauche, eben einen Menschen, Infos, was Lustiges usw. und nicht nur die Musik alleine, beim Radio ist es überraschend, welche Musik kommt, nicht nur, die ich kenne. Es ist irgendwie so, daß da noch ein Mensch ist, mit meinen eigenen CDs bin ich alleine.
Wohlgemerkt diese Antworten kamen nur von den Personen, die vorher erklärt hatten, sie schalten das Radio nur wegen der Musik ein ! Man kann diese Antworten unisono so zusammenfassen: Wer Radio hört, will mit der Musik nicht alleingelassen werden !
Es ist kurios:
Die Statistik sagt: Die allermeisten Radiohörer schalten nur wegen der Musik ein. Aber wenn dann ein Radiomacher ein reines Musikradio ohne Moderator, ohne Nachrichten ohne jedes Wort ( außer Werbespots) machen würde, dann würde dieses Radio aber KEINEN Erfolg haben, weil dann würde dieses Radio nicht besser als der eigene CD-Player sein.
Musik ist sehr wichtig im Radio und man darf aber nicht in den Irrtum verfallen, daß ein Beseitigen des "unwichtigen", "störenden" Wortes dann automatisch dieses Radio erfolgreich macht.
Man braucht das Wort beim Radio wie die Vitamine im Körper.
Jeder Mensch nimmt ja auch zu 99% Eiweiß - Fett - und Kohlehydrate zu sich. Der verschwindend kleine Prozentsatz an Vitaminen ist aber LEBENSWICHTIG !
Daher: Gutes Wort ( interessant, sympathischer Moderator, humorvoll, mitfühlend, kompetent...) ist LEBENSWICHTIG für ein Radio.
( Natürlich kann es, wie es eine Vitaminvergiftung gibt, auch eine Wortvergiftung geben.)
Aber Radio ohne Wort ist kein Radio mehr !
Allerdings: Über Menge und Qualität kann man streiten.
Es gibt kurze schlechte Wortbeiträge und lange, sehr gute, die Hörer fesseln können. Hier ist auch nicht die Kürze allein ein Qualitätsmerkmal !
Also: Wort und Musik sind für das Radio GLEICH wichtig.
Die MENGE ist ungleich, nicht aber die NOTWENDIGKEIT
beider Elemente !
Gutes Wort ist das Gewürz, die Musik die Speise des Radios !
Mit gutem Wort kann ich das Radiomenu schmackhafter machen, bzw. sich von anderen Mitbewerbern hervorheben.
Im übrigen ist aber schon ein Trend wieder zu mehr Wort festzustellen: Talkradios in den USA an der Spitze, Milliarden von CDs werden jedes Jahr nicht nur gekauft, sondern noch mehr kopiert und diese vielen privaten Tonträger müssen ja auch irgendwann gehört werden und das geht zu Lasten des Musikkonsums im Radio.
Wie in den USA beobachtet: Da dudelt stundenlang der eigene Player dahin und irgendwann schaltet dieser Hörer dann ein Radio ein, bei dem nur "getalkt" wird. Dann schaltet er dieses Talkradio wieder aus und seine eigene Musik wieder ein.
Hier holt sich der Hörer die Lust am Wort und an der menschlichen Begleitung durch vorhergehenden, alleinigen Konsum der eigenen Musik. Irgendwann will er dann wieder eine "Ansprache" haben und schaltet ein Talkradio ein. Natürlich hat er irgendwann vom Talk wieder genug und geht zu den eigenen CDs. Er würde beim Radio bleiben, wenn dieser ihm die gerade richtige Mischung von Wort und Musik anbieten würde.
Aber NUR Musik ist es auch nicht !
Das Dilemma vieler Diskjockey-"Musiksender" - Radiomacher: CDs auflegen bzw. Musikcomputer programmieren ist sehr, sehr leicht im Vergleich zur Gestaltung einer Sendung mit viel interessantem Wort !
Playlist runternudeln und nur Claims aufsagen, das ist der einfache, billige Weg. Nur: Das kann jeder selber und das ist kein Anreiz mehr, in der Zukunft das Radio einzuschalten.
Die Zukunft des Radios - mit der Digitalisierung würde ein Verzehnfachung der Frequenzen einhergehen - kann nur in der Spezialisierung liegen. Spezielle Musik mit speziellem Wort !
Es gibt allerdings immer noch viele, die würden, auch wenn es in einer Stadt nach Digitalisierung schon 99 "Musik-Hitradios ohne Bla Bla" ( = der Claim) gabe, dann das hundertste "Allerbeste-Mainstream-Hitradio mit noch weniger Bla Bla" machen.
Wie sollen denn viele neue Radiofrequenzen gefüllt werden, als mit neuen, speziellen Inhalten ! Entweder spezielle Musik - und die will mit kompetetem, speziellem Wort erklärt werden - oder spezielle Wort-Sender.
Übrigens kosten Talkradios kaum mehr als Musikradios: Man hat mehr teurere Moderatoren, die mit den Hörern diskutieren, aber man zahlt keinerlei GEMA-Gebühren.
Nochwas zur Musik und der These aus Amerika des Hitradios mit den 40 besten Hits. ( Die Geschichte, daß einer beobachtet hat, daß in einer Musikbox in einer Kneippe von 100 Titeln bestimmte 40 Hits am allermeisten gedrückt werden). Daraufhin entstand das Hitradio-Format, das nur eben diese 40 besten Hits ständig spielte.
Ich habe bei einem Verwandten in den 70er Jahren, der da noch eine Musikbox hatte in seiner Gastwirtschaft, dann die Hälfte aller Platten rausgegeben und eben auch nur die dringelassen, die vorher oft gespielt wurden.
Das Ergebnis: Die Musikbox wurde insgesamt um die Hälfte weniger benützt, obwohl die fehlenden Platten vorher bei weitem nicht die Hälfte der Spielzeit ausmachten. Scheinbar sind die wenig gespielten Platten auch sowas wie notwendige "Vitamine" gewesen, damit man dann die Haupthits wieder gerne hört.
Der Mensch will scheinbar auch wählen können, wenn er nicht mehr wählen kann, sondern andere für ihn die Vorauswahl getroffen haben, dann fühlt er sich bevormundet und nicht mehr so ernst genommen.
Viele Hitradiomacher beachten dieses psychologische Moment des Bevormundens, des nichts mehr Auswählen-könnens nicht !
Es entsteht kein perönlicher Bezug zu dieser Musik mehr ! Sie ist einfach da und man kann selbst nichts dazu tun. Früher konnte man wenigstes seine eigene Lieblingssendung auswählen.
Damit kommen wir schon wieder zum Wort: Das Wort, das die Musik erklärt oder daß das ein Hörerwunsch von der Gabi ist, schafft Beziehung, menschliche Bindung zu gespielten Musik.
Die Computergesteuerte Musik in vielen Radios ist für den Zuhörer
beziehungslos !
Welcher Radiosender traut sich folgenden Versuch: Laßt doch Eure Moderatoren mal 2 Stunden pro Woche Musik machen, die nur er selbst und seine Hörer wollen und schaltet mal den Selector ab.
Laßt ihn die Hörer live folgendes fragen:
1.) Was soll ich jetzt auflegen - wünschen Sie sich einen Titel !
2.) Ich habe hier 10 neue, noch unbekannte CDs. Welche davon soll ich ihnen vorstellen und sagen sie mir dann, ob sie ihnen gefallen hat . Sagen sie mir eine Nummer zwischen 1 und 10, dann schauen wir, wieviele Tracks da droben sind und dann sagen sie mir nochmal, welchen Track wir spielen sollen.
Dann entscheiden wir, ob das ein Supertitel war oder Mist und den spielen wir dann nie wieder !
3) Genauso mit Oldies: Ich habe hier einen Sänger, da wette ich, daß sie den nicht kennen - falls sie ihn doch kennen, rufen sie mich sofort an. Ich möchte doch wissen, warum sie ihn kennen - war der so gut ?
So verbindet man Wort mit der Musik und alle sind ernstgenommen und gleich wichtig. Sie verlieren vielleicht ein paar Berieselungshörer und gewinnen jede Menge ZUhörer, wenn zu viel gequatscht wird. Aber die reinen Berieselungshörer hat man bald ohnehin schon verloren an die eigenen CD-Player bzw. was soll ich mit "Nicht-Zuhörern", die nur eingeschaltet haben. Noch dienen sie als MA - Futter, noch, noch...!
So, das ist schon wieder viel zu lang geworden ! Tut mir leid !