AW: Uhrzeit - Tonsignal
So, dann wollen wir mal...
Also, beim Rundfunk der DDR in der Berliner Nalepastraße war das so gelöst, daß das Zeitzeichen bereits auf einer analogen Leitung in genau der Form zugeliefert wurde, wie man es aus dem Radio kennt. Das Signal wurde in alle Kontrollräume verteilt und lag dort tatsächlich "auf Regler" und nicht "auf Knopf". Die Leitung kam aus Potsdam, offenbar vom geodätischen Institut. Dort hatte man bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Erfahrungen mit Zeitmessung und -verteilung gemacht und später auch über Zeitzeichensendestellen z.B. die Schifffahrt versorgt.
In der DDR war aus Nauen auf 4525 kHz mit 5 kW dauerhaft rund um die Uhr ein Zeitzeichensender aktiv. Eine weitere Sendestelle, die das Zeitzeichen ausführlicher als im UKW-Hörfunk brachte, war angeblich der Langwellensender Zehlendorf (das Dorf in der DDR, nicht der westberliner Stadtteil) auf 177 kHz. Auch hier war wohl die Schifffahrt der Adressat. Und auch dorthin lag eine direkte Leitung aus Potsdam.
Weiterhin kann
hier nachgelesen werden, daß tatsächlich in der DDR das Zeilensynchronsignal des 2. Fernsehprogramms mit einer Atomuhr synchronisiert wurde. Damit stand in der ganzen DDR ein hochgenaues Frequenznormal von 15625 Hz zur Verfügung. Mit der Einstellung des DDR-Fernsehens wurde dieses Verfahren vom ZDF übernommen. Durch das Zählen dieser Impulse über 1 Minute kann man einen Zählfrequenzmesser auf bis zu 1 ppm genau kalibrieren. Die entsprechenden absoluten (Laufzeit)fehler zum Sender Berlin-Alexanderplatz wurden - genau wie die des Zeitzeichens auf Stimme der DDR - in der Zeitschrift
Funkamateur regelmäßig veröffentlicht. Abnehmer waren z.B. auch die Uhrenindustrie der DDR sowie natürlich alle öffentlichen Stellen, die eine genaue Zeit benötigen (Deutsche Reichsbahn etc.).
Vielleicht noch zum Pegel im Funkhaus Nalepastraße: Referenzpegel im Haus war + 6 dB entsprechend 0 dB = 0.775 V. Bei 0 dB hatten die Flachbahnregler der vom RFZ (Rundfunk- und Fernsehtechnisches Zentralamt der Deutschen Post) in Berlin-Adlershof entwickelten DDR-Sendepulte einen per Taste zuschaltbaren mechanischen Anschlag, den man nutzen konnte, um schnelle Blenden nicht zu "verreißen". Bis 0 dB wurde im Regelbetrieb auch gefahren, dort begann der rote Bereich der Pegelanzeigen.
Zu Beginn jeder Schicht in einem Studio (auch in der Hörspielproduktion), mindestens jedoch einmal wöchentlich in den Sendestudios, wurden alle Kanäle eingepegelt. Dazu bediente man sich des Trennklinkenfeldes und einer dort anliegenden Referenzpegel-Ringleitung des Funkhauses und "klingelte" alle Kanäle nacheinander durch. Am Ende durfte man nur nicht vergessen, die Pegel-Leitung wieder abzutrennen, nicht daß die versehentlich auf Sendung ging. Der Bezugspegel wurde dann auch bis zum letzten UKW-Strahler der Republik durchgegeben und die Kollegen von der Deutschen Post pegelten dort gewissenhaft neu ein. Ach ja: auch die Studiotechniker des Rundfunks der DDR waren Angestellte der Deutschen Post, nicht etwa des Rundfunks...
Man sieht: da wurde richtig Aufwand getrieben, denn Rundfunk hatte eine gesellschaftliche Bedeutung. Der mittels Processing zu Gleichstrom verarbeitete, zermatschte MPEG-Brei, den man heute fast überall kredenzt bekommt, war damals undenkbar. Aber das hat heute ja - wie ein inzwischen 71-jähriger Studiomensch aus der Nalepastraße immer so gern sagt - auch nichts mehr mit Rundfunk zu tun...