AW: Was ist BIAS?
Die Links klicke ich jetzt aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit nicht. Kann also sein, daß ich hier Dinge schreibe, die da irgendwo schon stehen.
Die Magnetisierungskennlinie von Bändern ist nicht linear, sondern weist eine deutliche Hysterese und eine Sättigung auf. Um dennoch in einem halbwegs linearen Bereich der Kennlinie aufzeichnen zu können, bedient man sich der Hochfrequenz-Vormagnetisierung. Dazu benutzt man üblicherweise eine aus dem Löschgenerator abgezweigte HF mit einer Frequenz zwischen 85 und 210 kHz. Das niederfrequente Tonsignal wird mit der HF überlagert, es bildet sich quasi eine Hüllkurve aus. Dadurch gelingt eine Aufzeichnung im nahezu linearen Bereich der Magnetisierungskennlinie fernab des Koordinatenursprungs.
Unmittelbar vom Pegel der Vormagnetisierung betroffen ist der Frequenzgang. Zuviel BIAS sorgt für eine Überbetonung der niedrigen Frequenzen ("es klingt dumpf"). Gleichzeitig wird das Band tiefer durchmagnetisiert und somit empfindlicher auf Dickenschwankungen der Magnetbeschichtung. Zuwenig BIAS sorgt für einen grellen, spitzen Klang.
Zum Einmessen des Gerätes auf eine bestimmte Bandsorte muß man aber viel weiter vorne ansetzen.
0. Mechanische Kalibrierung
Ich gehe einfach mal davon aus, daß Bandgeschwindigkeit, Bandzug am Aufwickel, Bandzug am Abwickel (Wickelbremse, sofern kein Dual-Capstan) und alle kopfträgerbezogenen Werte (Höhe, Azimut) stimmen. Den Azimut an bereits "eingeschliffenen" Köpfen nachträglich zu justieren, ist selten erfolgreich. Das Band wird immer wieder in den in den Kopfspiegel eingeschliffenen "Graben" laufen, wieder ausbrechen usw - es gibt massive Phasenschwankungen.
1.
Das Gerät hat eine normgerecht erstellte Fremdaufnahme normgerecht (Frequenzgang, Bezugspegel) abzuspielen. Da kann man in den seltensten Fällen extern was dran drehen, das ist Sache der Herstellers (Dimensionierung von Verstärkung und RC-Gliedern im PB-Verstärker), allerhöchstens intern finden sich Einstellmöglichkeiten (Pb. Amp Level). Ausnahme: Yamaha erlaubte bei einem Teil seiner Tapedecks die Justage der Wiedergabeverstärkung vor dem Dolby-Baustein ("Play Trim") - gut für Kassetten, die nicht normgerecht erstellt wurden. Ist die normgerechte Wiedergabe gewährleistet, kann man zum zweiten Schritt übergehen: Einmessen einer beliebigen Kassette auf optimale Aufnahmequalität. Da die Wiedergabe normgerechter Aufzeichnungen nun normgerecht ist, kann man den Aufnahmeteil nun ohne externe Hilfe kalibrieren - Kriterium ist einfach, daß die Wiedergabe der erstellten Aufnahmen nun ebenfalls normgerecht sein soll. Dann sollte sich die Aufzeichnung auf allen sauber eingemessenen Geräten ordentlich abspielen lassen.
2. Kalibrierung des BIAS
Mit der gewünschten Kassettensorte (es gibt riesige Unterschiede im Verhalten einzelner Beschichtungen innerhalb der gleichen Bandsorte) am besten mittels weißem Rauschen (oder UKW-Zwischensenderrauschen in mono) eine Aufnahme ohne Dolby (!) erstellen und abhören. Geht bei Dreikopfdecks freilich am besten. Den BIAS so einstellen, daß Aufzeichnung und Quelle identisch klingen (mit "Monitor"-Taste hin- und herschalten). Vorsicht: die Pegel können unterschiedlich sein, nicht das lautere Signal als "präsenter" bewerten! Klingen Vor- und Hinterband gleich, ist die Frequenzcharakteristik des benutzten Bandmaterials ans Deck angepaßt.
Nun könnte man schon gute Aufnahmen machen - allerdings nur solange, wie kein Kompandersystem zur Rauschunterdrückung (Dolby B, C, S, dbx, HighCom) zum Einsatz kommt. Solche Systeme benötigen einen Bezugspegel, da sie auf der Aufnahmeseite vor allem in leisen Passagen den Pegel global und auch bevorzugt im Bereich hoher Frequenzen anheben, um bei Wiedergabe spiegelbildlich abzusenken. Wird nun ein unempfindliches Band mit geringem Ausgangspegel aufgenommen, passiert es zwangsläufig, daß der Wiedergabeteil der Rauschunterdrückung "der Meinung ist", das wäre eine leise Passage, da müssen massiv die Höhen abgesenkt werden, um spiegelbildlich den Originalfrequenzgang wiederherzustellen. Die Folge: die Aufnahme wird dumpf und pumpend abgespielt. Das selbe auch im umgekehrten Fall: ein extrem empfindliches Band wird aufgrund des kaum arbeitenden Expanders grell und verrauscht abgespielt. Deshalb:
3. Kalibrierung der Bandempfindlichkeit
...so es denn extern möglich ist. Intern sollte das immer möglich sein, die Potis sind oft mit "Rec. Amp Level" oder ähnlichem beschriftet. Extern heißen die Regler oft "Rec. Level", was irreführend ist, denn mit dem normalen Aussteuerungsregler (vor dem Dolby) haben diese Einstellungen (hinter dem Aufnahme-Dolby) nichts zu tun. Die Bezeichnung "Rec. Sensitivity" oder "Rec. Cal." bzw. "Level Cal." wäre besser.
Nun also ohne Dolby den Aufsprechverstärker so justieren, daß Vorband- und Hinterbandsignal den gleichen Pegel haben. Am besten geht das mit einem Pegelgenerator (den sich heute jeder mit einem PC, einer Audiosoftware und einem CD-Brenner selbst in Form einer CD basteln kann). Danach kann Dolby zugeschaltet werden - und alles sollte in schönster Ordnung sein
Probleme gibts oft mit Zwei- und Mehrschichtbändern (BASF Chrome Maxima) sowie Substitutbändern, die kein "echtes" CrO2, sondern kobaltdotiertes Eisenoxid verwendet haben (TDK SA-X, Maxell XL II-S). Die weisen oft einen Frequenzgang mit ausgeprägter Mittenabsenkung auf, die man mittels BIAS nicht komplett wegbügeln kann. In solchen Fällen sollte man auf linearere Bandsorten ausweichen, z.B. auf Maxell XL-II (ohne "S"). Es gab Recorder, bei denen man noch an der Aufnahmeentzerrung drehen konnte und somit einen Einfluß auf den Bereich um 3 kHz bekam. Manuell ist mir das nie untergekommen, aber Pioneer hatte z.B. in manchen Geräten Einmeßcomputer, die das getan haben. Manche Recorder fühlten sich aber mit Mehrschicht- und Substitutbändern pudelwohl - einfach ausprobieren.
Ich habe gerne mit etwas zu wenig BIAS gearbeitet, da ein geringer (!) Höhenverlust durch Lagerung (Hitze, Durchkopieren) bzw. bei Typ I - Bändern schon durch bloßes Abspielen an nicht vergüteten Löschköpfen (!) auftreten kann.
Das Einmessen bitte nicht unbedingt bei Vollaussteuerung durchführen. Heutige Bänder sollten sich aber recht nahe der Vollaussteuerung gut einmessen lassen.
Bitte auch beachten, daß der Nullpunkt von Tapedeck-Pegelanzeigen nicht genormt ist. Der uralte Bezugswert liegt bei 160 nWb/m Bandfluss. Der Dolby-Pegel (oft am Dolby-Doppel-D im Display zu erkennen) liegt 3 dB höher, der DIN-Pegel AFAIR weitere 2 dB. Nur das Dolby-Symbol ist der Anzeigen-Fixpunkt, die Null kann zwischen 2 Geräten um bis zu 5 dB auseinanderliegen.
Mit ordentlicher Einmessung lassen sich selbst aus den grausamen blauen DDR-Eisenoxidkassetten Qualitäten herauskitzeln, die ganz annehmbar sind. Und das will was heißen bei einer Beschichtung, die akustisch in etwa der eines einige Male gelaufenen Reinigungsbandes vergleichbar ist. Nur: hoch aussteuerbar sind die Bänder davon freilich nicht geworden, der Pegel ist aufgrund der schlechten Beschichtung rauh und Dolby C (oder noch besser S) ist zwingend nötig, sonst klingts wie Wasserfall. Aber den Frequenzgang bekommt man hin...
Und: gibts die von mir erwähnten Kassettensorten eigentlich noch?
