AW: Wie wird Radio qualitativ besser - Vorschläge!
stereo schrieb:
Aber die Frage dieses Threads ist ja: Wie kann man diesen Zustand herbeiführen?
Wenn ich mir das hier alles so durchlese, gibt's für die Herbeiführung des allgemein gewünschten Zustands nur eine Möglichkeit: Wir schaffen weltweit das Geld ab. Wenn Sprecher, Autoren, Produzenten und Techniker ebensowenig bezahlt werden müssen, wie Studioausstattung, FX-Archive usw., werden Hörspiele erschwinglich und können überall gesendet werden.
Leute, ich will ja niemandem zu Nahe treten, aber checkt Ihr es nicht? Ein durchschnittlicher Hörer erwartet von "seinem" Radio, dass er es bei der Arbeit im Hintergrund dudeln lassen kann und dass es ihn nicht stört. Ich zum Beispiel höre seit einigen Tagen ziemlich regelmäßig NDR2. Die Moderatoren klingen alle gleich. Für mich als Radioschaffenden (sprich: Für mich als jemand mit sehr speziellen Hör-Angewohnheiten) ist das ziemlich langweilig. Für meinen Kumpel ist das genau das richtige. Weil es ihn nicht stört, weil es ihn nicht belastet.
Ich habe es schon an anderer Stelle mehrfach geschrieben: Die Hörer, die in die Radioforen schreiben, sind keine normalen Hörer im eigentlichen Sinn. Es ist schön, dass es Leute wie Euch gibt, die Radio mindestens so geil finden, wie wir Macher. Aber begreift bitte, dass Ihr nicht der Maßstab seit, nach dem ein gewinnorientierter Radiosender seinen Geschäftsplan ausrichten kann. Mag ja sein, dass Radio vor 20 Jahren für den einen oder anderen historisch orientierten Fan "besser" war. Aber diese Zeiten sind vorbei. Vor-bei. Die kommen auch nicht wieder. Weil es sich nicht lohnt.
Das ist natürlich ein Dilemma, weil diese Zeiten z. T. auch deswegen nicht wiederkommen, weil die Gesellschafter gerne dicke Autos fahren und eine Finca auf Malle haben wollen. Aber das ist leider etwas, dass sich so schnell nicht ändern wird, denn das wollten die Gesellschafter auch schon vor 20 Jahren.
Das bedeutet also für diese Diskussion, dass sie entweder sinnlos ist, weil die Forderungen völlig überzogen sind, oder dass sie in die falsche Richtung geht, weil wir uns realistisch betrachtet nur im vorhandenen Rahmen bewegen können. Will sagen: Ein Privatradio wird auch weiterhin damit den meisten Gewinn einstreichen, dass es dümmliche Gewinnspiele sendet und die Musik eng rotieren lässt. Wenn ich Satzbruchstücke wie "Musikrotation abschaffen" lese, wird mir wirklich schlecht, denn das macht üüüüberhaupt keinen Sinn. (Durchschnittliche Hördauer im Radio ca 18 Minuten und das ist schon optimistisch! Die Konsequenz für den Radiosender erkläre ich gerne per PM)
Weniger Werbung macht auch keinen Sinn, denn die klassische Werbung bringt eh schon immer weniger. Es wird im Gegenteil auf mehr "verkaufte" Beiträge hinauslaufen. Das wenige Wort wird also immer mehr kommerzialisiert. "Sonderwerbeformen" ist das Stichwort, das in Sendern und Hörfunkagenturen seit Jahren immer beliebter wird. Der Kunde merkt, dass seine Werbung im Werbeblock untergeht (nicht wahrgenommen wird) und ist nur noch bereit ordentlich Geld in die Hand zu nehmen, wenn er aus dem Werbeblock rauskommt. Zu allem Überfluss beraten die gängigen Kreativ-Agenturen hauptsächlich auf Zeitung und TV, weil damit angeblich eine höhere Werbewirkung erzielt wird.
Langer Rede kurzer Sinn: Radio kann ausschließlich dadurch besser werden, dass es sich seiner Qualitäten neu besinnt. Radio muss wieder schneller werden als Zeitung und Fernsehen, Radio muss sich die Musikkompetenz von MTViva und, ja, RTL2 zurück holen und sich wieder prominent am Markt aufstellen. Erst wenn Radio selbst begreift, was es eigentlich kann und wenn Radio das dann umsetzt, kann überhaupt erst Spielraum geschaffen werden für irgendwelche qualitativen Verbesserungen oder gar die haarsträubenden Format-Experimente, die hier gefordert werden.